Betrugsprozess 30.11.2012, 19:56 Uhr

Pflanzenöl-Blockheizkraftwerke (BHKW) im Zwielicht

Im Betrugsprozess um Pflanzenöl-Blockheizkraftwerke (BHKW) der Nürnberger „Gesellschaft zur Förderung Erneuerbarer Energien“ (GFE) geraten Prüforganisationen ins Rampenlicht. Gutachter von TÜV Süd und Dekra haben als Zeugen vor der 12. Strafkammer des Nürnberg-Fürther Landgerichts zugegeben: In Prüfberichten steht, was die Auftraggeber wollten. Auch der Auftritt des Gutachters des TÜV Rheinland, der die GFE-Technik im Auftrag der Staatsanwaltschaft prüfte, wirft Fragen auf.

Wirkungsgrade, die gemessen am Stand der Technik unmöglich hoch klingen: Darum geht es im GFE-Prozess, der seit dem 24. September in Nürnberg stattfindet. Die Nürnberger GFE hatte Pflanzenöl-Blockheizkraftwerke als Containerlösung verkauft. Der Clou: Die hätten erwiesenermaßen einen Gesamtwirkungsgrad von 91 % – das würden Gutachten bezeugen. Nur: Die verkauften 1547 Containerkraftwerke wurden nie aufgestellt. Die fraglichen Gutachten kamen von der Dekra und vom TÜV Süd
(s. VDI nachrichten, 28. 1. 11).

In dem Gerichtsverfahren gehörten die letzten Wochen den Gutachtern. Drei Verhandlungswochen lang hatte Energietechnikingenieur Thomas S. vom TÜV Rheinland im offiziellen Gerichtsauftrag den Kollegen von TÜV Süd und Dekra zugehört. Dann sagte er selbst aus. Denn schon im Dezember 2010 war der Sachverständige aus Köln im Auftrag der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth zwei Tage lang in der Produktionshalle der GFE gewesen. Damals hatte er sich den Prototypen eines „Container-BHKW“ vorführen lassen. Das basierte auf einem Notstromaggregat und war als hochrentabel angepriesen worden. S. sollte klären, ob die angegebenen Wirkungsgrade erreichbar seien.

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Pflanzenöl-Blockheizkraftwerke (BHKW): Gutachten mit zweifelhafter Aussagekraft

Gemessen hat Ingenieur S. auch. Doch eigene Messgeräte? Außer einem „kalibrierten Dreiphasen-Leistungsmessgerät“ Fehlanzeige. Die Stoppuhr: „Ein handelsübliches Handy.“ Und für die Verbrauchsmessung taugte: „Ein Zollstock aus dem Baumarkt.“ Der Inhalt eines Tankbehälters mit schrägem Boden wurde „von einem Foto errechnet“. Konkrete Nachfragen zu seinem im Frühjahr 2011 nach monatelanger Arbeit abgelieferten Gutachten beantwortete der Gerichtssachverständige oft mit: „Ich nehme an“ – „Ist mir nicht klar“ – „Weiß ich nicht.“ .“ Diese Woche haben Anwälte einen Befangenheitsantrag gegen S. gestellt, den das Gericht zurzeit behandelt.

Die GFE hatte im Herbst 2010 selbst bei TÜV Süd und Dekra Gutachten in Auftrag gegeben. Laut Zeuge Jiri S. vom TÜV Süd aus Prag haben seine „Untergebenen kein Gutachten erstellt, sondern nur den Verbrauch des Dieselmotors gemessen, der den Generator betreibt.“

Doch für die GFE-Verantwortlichen war der vierseitige „Technical Report No. 43106-10-TAC“ das „Gutachten“ von einer weltbekannten Prüforganisation und wurde auch so im Marketing verwendet.

GFE-BHKW: Informationen in TÜV Süd-Gutachten stammen größtenteils vom Kunden

Der TÜV Süd bestätigte darin schriftlich: Das GFE-BHKW produziere aus 105,1 g Rapsöl 1 kWh Strom. Umgerechnet ist das ein Stromwirkungsgrad von über 90 %. Aber nach Aussage von Jiri S. war das Einzige, was im „Technical Report No. 43106-10-TAC“ wirklich von den beiden Gutachtern stammte, der gemessene Verbrauch des von GFE verwendeten Wasser-Pflanzenöl-Gemischs. Alle anderen Werte und Daten hätten „meine Untergebenen vom Kunden übernommen“, so Jiri S.

Und die Dekra? „Konkrete Messungen: Da gab es eigentlich gar nichts. Ich habe die Kraftstoffvolumina in einer kleinen, offenen Wanne mit einem Zollstock abgelesen. Die Fläche war konstant, da konnte man das Volumen ausrechnen“, erklärte Thomas B., Technischer Leiter Umweltschutz beim Prüfkonzern Dekra Stuttgart, im Zeugenstand.

Am 24. September 2010 habe er in Nürnberg „eine Abschätzung gemacht“ und in der gleichen Nacht aus dem 250 km entfernten Stuttgart dem BHKW auf drei Seiten einen Stromwirkungsgrad von bis zu 91 % bescheinigt. Warum er das tat, „obwohl das Ergebnis Ihrem technischen Weltbild widerspricht“, wie es der Vorsitzende Richter formulierte? Dazu sagte der Dekra-Mann nichts.

Pflanzenöl-Blockheizkraftwerke (BHKW): Tatsächliche Wirkungsgrade weiter unklar

Die GFE vermarktete das Dekra-Papier prompt als „Gutachten“. Schon einen Tag nach B.“s Begutachtung wedelten die GFE-Vertriebler damit vor 400 geladenen Gästen, meistens potenziellen BHKW-Kunden. Zeuge B.: „Wir haben die GFE aufgefordert, zu unterlassen, das Protokoll als Gutachten darzustellen.“ Doch es war zu spät.

Anders als Dekra-Mann B. hatte TÜV-Rheinland-Prüfer Thomas S. viel Zeit zur Gutachtenerstellung für die Staatsanwaltschaft. Dennoch fragte er bei GFE-Entwicklungschef Karl M., einem Autoschlossermeister, „nicht nach“, wie dessen BHKW genau funktioniert. Auch hatte S. die geforderte Verbrauchsmessung „zu einem Funktionstest abgeschwächt“. Für die Wartungskosten von Pflanzenöl-BHKW habe er „Erfahrungswerte von Biogas-BHKW angesetzt, für Pflanzenöl hatte ich keine“.

Zwischen seinem eigenen 34-Seiten-Bericht und dem dreiseitigen Dekra-„Verbrauchsprotokoll“ konnte Thomas S. „Unterschiede nur beim Wirkungsgrad“ erkennen. Die aber waren erheblich: Laut S.“s Gutachten wurden um die 30 % der Energie des Pflanzenöl-Wasser-Gemischs zu Strom umgewandelt, im Dekra-Papier ist von „bis zu 91 %“ die Rede. Zu diesem eklatanten Unterschied will Gerichtsgutachter S. bei GFE-Entwickler Karl M. nicht nachgehakt haben.

Dennoch: Einen Betrug, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet, hat der TÜV-Rheinland-Mann beim GFE-BHKW nicht festgestellt. „Betrug wäre, wenn ich Strom oder Brennstoff von woanders zuführe. Aber eine Batterie oder versteckte Tanks habe ich am Aggregat nicht vorgefunden“, bestätigte Gerichtsgutachter Thomas S. 

Ein Beitrag von:

  • Heinz Wraneschitz

    Freier Fachjournalist in der Metropolregion Nürnberg. Der Ingenieur für Elektrische Energietechnik arbeitet viele Jahre in der Industrie, u.a. Zentrumsleiter für ein herstellerunabhängiges Solarberatungsunternehmen. Seit 2005 ist er mit dem Redaktionsbüro bildtext.de hauptberuflich journalistisch tätig. Seine Themen sind Umwelt, Energie und Wirtschaft.

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