Rechtliche Fragen bei der Auslandsentsendung eines Ingenieurs
Die Fachexpertise deutscher Ingenieure ist weltweit gefragt. Mit kaum einem Berufsbild ist das Thema Auslandsentsendung daher derart eng verbunden wie mit dem des Ingenieurs – ein Auslandsaufenthalt ist für den beruflichen Werdegang des Ingenieurs heutzutage fast schon unumgänglich. Dieser Umstand ist der Anlass für diesen Beitrag, um einen Überblick über die – im Einzelnen sehr diffizilen – arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen einer Arbeitnehmerentsendung zu vermitteln.
Begriff der Entsendung
Eine Auslandsentsendung setzt zunächst voraus, dass ein deutsches Unternehmen einen im Inland beschäftigten Arbeitnehmer (gleichgültig, ob er bereits angestellt ist oder aus Anlass der Entsendung neu eingestellt wird) für sich im Ausland tätig werden lässt. Deckt das inländische Unternehmen seinen Arbeitskräftebedarf im Ausland ausschließlich mit sogenannten „Ortskräften“, unterliegen diese dem Recht des jeweiligen Drittstaats und eine Entsendung liegt nicht vor.
Ferner ist erforderlich, dass von vornherein eine Rückkehr des Arbeitnehmers an seinen vorherigen bzw. künftigen Arbeitsplatz in Deutschland geplant ist. Das Vorliegen einer vorherigen zeitlichen Begrenzung des Auslandseinsatzes ist das maßgebliche Kriterium für eine Entsendung, auch wenn starre zeitliche Obergrenzen für eine Entsendungsdauer nicht existieren. Weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung haben sich insoweit festgelegt. Klar ist lediglich, dass eine Entsendung nur vorliegt, wenn eine Auslandstätigkeit nur für einen „überschaubareren Zeitraum“ erfolgt.
Arbeitsrechtliche Maßgaben der Entsendung
Hat sich das Unternehmen für eine Entsendung nach den dargestellten Maßgaben entschieden, tauchen arbeitsrechtliche Fragestellungen auf. Auf welcher Grundlage kann die Entsendung des Arbeitnehmers erfolgen: Durch einseitige Direktion vom Unternehmen oder nur nach Einwilligung des Arbeitnehmers zu einer „Entsendevereinbarung“? Welches Recht findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung? Inwieweit hat der Betriebsrat bei der Entsendung mitzubestimmen und inwieweit strahlt die Betriebsverfassung auf den Arbeitnehmer im Ausland aus?
Rechtsgrundlage der Entsendung
Sofern der Arbeitsvertrag des ausgewählten Arbeitnehmers ausdrücklich eine Entsendemöglichkeit vorsieht, ist der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet, einer dahingehenden Weisung des Arbeitgebers Folge zu leisten. In den übrigen Fällen – die aller Erfahrung nach in der Praxis die Mehrzahl bilden – bleibt dem Arbeitgeber aber lediglich der Weg über eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages. Ein Entsendungsrecht ist vom allgemeinen arbeitsvertraglichen Direktionsrecht nämlich nicht mit umfasst.
Beachtlich ist auch die als reine Ordnungsvorschrift ausgestaltete Regelung des § 2 Abs. 2 des Gesetzes über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (NachweisG). Danach müssen der Arbeitsvertrag bzw. die Entsendevereinbarung über die üblichen Angaben eines Arbeitsvertrages hinaus folgende zusätzlichen Angaben enthalten, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung länger als einen Monat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen hat:
- Die Dauer der im Ausland auszuübenden Tätigkeit.
- Die Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird.
- Ob und wie ein zusätzliches mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes Arbeitsentgelt gezahlt wird und wie ggf.damit verbundene zusätzliche Sachleistungen geregelt sind.
- Die vereinbarten Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitnehmers.
Rechtswahl oder deutsches Arbeitsrecht
Ebenso muss Klarheit darüber herrschen, welches Recht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Das deutsche Arbeitsrecht bietet insofern zwei Optionen: die vertragliche Vereinbarung über die Anwendung des Rechts eines (Dritt-) Staates oder die Unterwerfung des Vertragsverhältnisses unter die Regelungen des gewöhnlichen Arbeitsortes, was in der Regel zur Anwendung des deutschen Arbeitsrechts führt. Zu beachten ist aber, dass auch bei der Vereinbarung über die Anwendung einer fremden Rechtsordnung sog. Eingriffsnormen des deutschen Rechts nach wie vor gelten. Der Standard deutscher arbeitnehmerschützender Vorschriften, wie beispielsweise Regelungen zur Entgeltfortzahlung oder gewisse Vorschiften zum Mutterschutz können durch eine Vereinbarung über die Rechtswahl nicht ausgehöhlt werden. Nach einer älteren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 24.8.1989 – 2 AZR 3/89) gilt dies übrigens nicht für das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Durch die Entscheidung über die Anwendung des Rechts eines Drittstaats kann daher im Einzelfall die Anwendung des KSchG ausgeschlossen werden.
Mitbestimmung durch den Betriebsrat
Zu beachten ist ebenso, dass der Betriebsrat bei einer Entsendung in der Regel zustimmen muss. Das gilt zum einen für Entsendungen, die länger als einen Monat andauern. In diesen Fällen handelt es sich um eine Versetzung im Sinne der §§ 99, 95 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Bei einer Auslandstätigkeit, die weniger als einen Monat dauert, muss der Betriebsrat grundsätzlich nur zustimmen, wenn mit der Entsendung eine „erhebliche Änderung der Arbeitsbedingungen“ einhergeht. Ob diese Maßgaben erfüllt sind, muss für jeden Einzelfall beurteilt werden.
Relevant ist auch die sogenannte Ausstrahlwirkung des BetrVG. Sofern der entsandte Arbeitnehmer nicht vollumfänglich in eine im Ausland bestehende betriebliche Organisation eingegliedert ist, also jeder Kontakt mit dem Inlandsbetrieb abgebrochen ist, muss geprüft werden, ob im Wege der Ausstrahlung des inländischen Betriebs auf seine Person das BetrVG Anwendung findet. Die Folge wäre, dass der Betriebsrat beispielsweise vor einer Kündigung des entsandten Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber anzuhören wäre, vgl. § 102 BetrVG. Zur Beantwortung der Frage, ob eine Ausstrahlung vorliegt, betrachtet man alle Einzelfallumstände, wie beispielsweise die Dauer der Entsendung und den Grad der Eingliederung des Arbeitnehmers in den ausländischen Betrieb. Letztlich findet eine wertende Betrachtung dahingehend statt, ob der Arbeitnehmer „noch als zum Inlandsbetrieb dazugehörig erscheint“.
Genehmigungspflichten
Letztlich muss geprüft werden, ob öffentlich-rechtliche Genehmigungspflichten – beispielsweise hinsichtlich Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigungen – im Entsendeland bestehen. Eine Ausnahme besteht insoweit lediglich, wenn eine Entsendung innerhalb der Europäischen Union (EU) erfolgt. Gemäß Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist die Entsendung von Arbeitnehmern innerhalb der EU nämlich grundsätzlich genehmigungsfrei möglich.
Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen der Entsendung
Augenmerk ist ebenfalls auf die sozialversicherungsrechtlichen Folgen einer Auslandsentsendung zu legen. Zusammengefasst gilt insoweit, dass auch eine Ausstrahlung des deutschen Sozialversicherungsrechts in Frage kommt, also dass der Arbeitnehmer trotz Tätigkeit im Ausland am deutschen Versicherungsschutz partizipiert. Sofern diese Ausstrahlung nicht greift, besteht zudem die Möglichkeit, auf Antrag den Versicherungsschutz in Deutschland fortzuführen.
Privilegien gelten allerdings auch insoweit bei Entsendungen innerhalb der EU. Sofern der entsandte Arbeitnehmer,
- EU-Bürger ist,
- seine Entsendungsdauer auf maximal 24 Monate bzw. in einigen Ländern auf maximal 12 Monate befristet ist
- und ein Beschäftigungsverhältnis zu einem in Deutschland ansässigen Unternehmen besteht,
- bleiben dem Arbeitnehmer alle Rechte und Pflichten des deutschen Sozialversicherungsrechts erhalten.
Bei Entsendungen außerhalb der EU kann die Ausstrahlung gem. § 4 des vierten Sozialgesetzbuchs (SGB IV) greifen. Danach bleibt der Arbeitnehmer trotz vorübergehenden Auslandsaufenthalts weiterhin in Deutschland sozialversicherungspflichtig, wenn
- in Deutschland ein Beschäftigungsverhältnis besteht,
- sich der Arbeitnehmer von seinem in Deutschland bestehenden Arbeitsplatz ins EU-Ausland begibt,
- im Voraus eine zeitliche Begrenzung des Auslandsaufenthalts gewährleistet ist und
- der Arbeitnehmer nach seiner Rückkehr in Deutschland für das entsendende Unternehmen tätig wird.
Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann der Arbeitgeber den deutschen Sozialversicherungsschutz nur in Teilen aufrechterhalten. Auf entsprechenden Antrag hin, können unter bestimmten Umständen die Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung aufrechterhalten werden. Lediglich die gesetzliche Unfall- und Arbeitslosenversicherung können auch auf freiwilliger Basis nicht weitergeführt werden.
Ein Beitrag von: