Scheinselbstständigkeit – Auswirkungen der Rechtsunsicherheit bei Selbstständigen
Scheinselbstständigkeit ist sowohl für Unternehmen als auch für Selbstständige ein leidiges Thema. Dies liegt daran, dass es in Deutschland keine harten Kriterien für Scheinselbstständige gibt. Die Rechtsunsicherheit führt beispielsweise zu herben Verlusten von Projektaufträgen für Freelancer.
Ein Selbstständiger, der bei seinem Auftraggeber im Großraumbüro sitzt und feste Bezüge erhält? Das klingt, als ob hier etwas nicht stimmt. Immer mehr ehemalige Angestellte rutschen in die sogenannte Scheinselbstständigkeit. Der Klassiker: Eine Agentur beschäftigt einen ehemaligen Angestellten auf freiberuflicher Basis. Der Arbeitsumfang ist nach den ersten Aufträgen ähnlich dem eines Vollzeitjobs und die Agentur entscheidet, wann und wo die Aufträge abgearbeitet werden. Scheinselbstständige Arbeitnehmer sind Personen, die als Selbstständige auftreten, aber als abhängige Beschäftigte agieren.
Definition Selbstständiger
Selbstständige entscheiden sich bewusst für die unabhängige Form des Arbeitens ohne geregelte Arbeitszeiten und damit gegen eine Festanstellung. Sie verfügen über ihre eigene Arbeitskraft. Selbstständige sind grundsätzlich nicht verpflichtet Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherungen abzuführen. Beiträge an die Sozialversicherung sind ebenfalls kein Muss. Mehr zur Selbstständigkeit
Definition Scheinselbstständigkeit
Bei einer Scheinselbstständigkeit sind die unternehmerischen Entscheidungsbefugnisse des Auftragnehmers eingeschränkt. Die selbstständige unternehmerische Tätigkeit ist nicht mehr zu erkennen. Dies liegt oftmals daran, dass der Auftraggeber mehr Weisungen und Vorgaben erteilt als an einen Auftragnehmer üblich.
Mehr Schein als Sein: Die Folgen
Wird eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, kann dies extreme Folgen haben. Es besteht das Risiko, dass die Betriebsprüfung die sozialversicherungsrechtliche Einordnung anders bewertet als der Auftraggeber. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind dann dazu verpflichtet die Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung rückwirkend zu zahlen. Zudem können strafrechtliche Konsequenzen die Folge sein – doch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind in Deutschland alles andere als klar. Scheinselbstständigkeit befindet sich in einer Grauzone. Das bekommen auch Solo-Selbstständige und Freelancer zu spüren.
Auftragsverlust wegen Rechtsunsicherheit
Selbstständige sind in einem hohen Ausmaß von den Auswirkungen der Scheinselbstständigkeit betroffen, denn rechtliche Unsicherheit hat sich breit gemacht und lässt zahlreiche Auftraggeber einen Rückzieher bei geplanten Freelancer-Projekten machen. Eine Umfrage von GULP experts united und dem Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) kommt zu dem Schluss, dass 59 % der befragten Selbstständigen im Bereich IT und Engineering Aufträge oder ganze Projekte durch die Rechtsunsicherheiten verloren haben. Über 90 % sahen den Grund für die vorzeitige Beendigung von Aufträgen und Projekten in der aktuellen Rechtsunsicherheit. Innerhalb der letzten zwei Jahre habe sich die Zahl der Betroffenen um 60 % verdreifacht, so ein Ergebnis der Umfrage.
Von den 60 %, die die Auswirkungen der mangelnden Rechtssicherheit zur Scheinselbstständigkeit zu spüren bekamen, berichten 33 % über vorzeitig beendete Aufträge. Die Aufgaben wurden anderweitig verteilt und Solo-Selbstständigen der Auftrag entzogen. In 38 % der Fälle wurden die Projekte sogar ins Ausland ausgelagert, Aufträge an Dienstleister oder feste Mitarbeiter übergeben.
Die Auswirkungen der aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen für IT-Projekte auf die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland bewerteten alle Befragten überwiegend negativ. „Diese Zahlen sind alarmierend, denn in der Praxis sind Solo-Selbstständige und Freelancer als Projektunterstützung äußerst gefragt”, berichtet Michael Moser, Vorsitzender der Geschäftsführung bei GULP. „Sie bringen bei Projekten schnell und flexibel viel und tiefgehendes Know-how in die Unternehmen und sind so eine wichtige Stütze der Digitalisierung. Umso gravierender ist es, wenn diese wertvollen Wissensarbeiter ins Ausland abwandern.”
Tatsächlich führen die Rechtsunsicherheit in Deutschland, der Verlust von Aufträgen und der befürchtete Rückgang von Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit dazu, dass es für 35 % der befragten IT-Selbstständigen eine Option ist, auszuwandern bzw. immer mehr Aufträge aus dem Ausland anzunehmen.
Was können Selbstständige tun?
Wenn Sie den Verdacht haben, durch die Rahmenbedingungen eines Auftraggebers als scheinselbstständig eingestuft zu werden, dann können Sie bei der Deutschen Rentenversicherung eine freiwillige Prüfung beantragen. So gehen Selbstständige proaktiv mit dem Thema um. Ehemalige Selbstständige können nach der Feststellung einer Scheinselbstständigkeit ihren Arbeitnehmerstatus einklagen.
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