Ihre Rechte 01.09.2022, 16:21 Uhr

Versetzung im Job: Was darf der Arbeitgeber?

Flexibilität ist das A und O in der Arbeitswelt. Flexibilität auch im Hinblick auf den Standort, an dem Sie für Ihren Arbeitgeber Ihren Job ausüben. Konkret kann das bedeuten: Eine Versetzung von A nach B steht an. Was tun?

Versetzung im Job

Eine Versetzung in eine andere Abteilung oder Stadt kann frustrierend sein

Foto: Panthermedia.net/YuriArcurs

Flexibilität ist das A und O in der Arbeitswelt: Die Versetzung in eine andere Abteilung oder andere Stadt gehört mitunter dazu. Doch was ist zu tun, wenn es einen selbst betrifft? Die erste Frage, die sich vermutlich in solch einer Situation stellt, ist: „Darf“ mein Arbeitgeber oder meine Arbeitgeberin das eigentlich? Die Antwort wäre: grundsätzlich ja, aber nicht ohne Weiteres …! Wir erläutern die Details:

Was ist eine Versetzung?

Eine Versetzung ist – ebenso wie eine Beförderung oder Kündigung – eine Personalmaßnahme. Das deutsche Arbeitsrecht versteht darunter die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs an einen Arbeitnehmer. Entscheidend für die Definition nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist, dass bei einer Versetzung die Dauer von einem Monat überschritten wird oder mit einer „erheblichen Änderung der Umstände“ zu rechnen ist.

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Unter dem Begriff Versetzung ist das einseitige Änderungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Ort, Zeit, Umfang und Inhalt der Arbeitsleistung zu verstehen. Ist eine Versetzung zulässig, reicht eine Erklärung von Seiten des Arbeitgebers aus, um die Versetzung wirksam werden zu lassen. Von der Versetzung zu unterscheiden sind einvernehmliche Lösungen oder auch das Instrument der Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung wird immer dann erforderlich, wenn die Zuweisung des geänderten Arbeitsplatzes nicht vom einseitigen Änderungsrecht des Arbeitgebers, dem sogenannten Direktionsrecht, gedeckt ist.

Die Eckpunkte, die dieses Direktionsrecht des Arbeitgebers einschränken, sollten im Arbeitsvertrag festlegt sein – etwa neben der konkreten Position des Arbeitnehmers auch die Bestimmung des Arbeitsortes oder der Arbeitszeiten. Diese vertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen können nicht einseitig vom Arbeitgeber geändert werden. Es bedarf in diesen Fällen vielmehr einer sogenannten Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag, um ein Recht des Arbeitgebers zu begründen, den Arbeitnehmer abweichend von den festgelegten Arbeitsvertragsbedingungen zu beschäftigen.

Das Direktionsrecht: Was darf der Arbeitgeber?

Zentrale Norm im Versetzungsrecht ist § 106 Gewerbeordnung („GewO“). Hiernach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem, also zumutbaren, Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, einen anwendbaren Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Entgegen der landläufigen Meinung vieler Arbeitnehmer steht dem Arbeitgeber somit ein verhältnismäßig weitreichendes Veränderungsrecht zu.

Ist im Arbeitsvertrag beispielsweise kein konkreter Arbeitsort ausgewiesen, ist grundsätzlich von einem bundesweiten Versetzungsrecht auszugehen. Nicht vom Direktionsrecht gedeckt sein dürfte eine Versetzung ins Ausland, weil sich damit der Charakter des Arbeitsverhältnisses erheblich verändern würde.

Voraussetzungen für eine Versetzung

Eine Versetzung wird einseitig entschieden und bedarf keiner Zustimmung durch den Arbeitnehmer. Selbst dann, wenn Sie beispielsweise schon 20 Jahre lang am gleichen Standort im Unternehmen gearbeitet haben. Will ein Arbeitgeber die Versetzung eines Mitarbeiters bewirken, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit diese rechtens und wirksam sein kann: Der Arbeitgeber handelt innerhalb seines Weisungsrechts und der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß informiert und eingeschaltet.

Kann man eine Versetzung ablehnen?

Grundsätzlich verfügt der Arbeitgeber über ein Weisungs- beziehungsweise Direktionsrecht, an das Sie in der Regel gebunden sind. In § 106 der Gewerbeordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass ein Arbeitgeber „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen“ kann.

Darf mein Chef mich in eine andere Abteilung versetzen?

Ja, darf er, muss dabei aber klare Regeln beachten: Ihre neue Tätigkeit darf nicht weniger verantwortungsvoll oder schlechter bezahlt sein. Dies wäre rechtswidrig, da Sie dadurch benachteiligt würden.

Versetzung: Das können Sie tun

Will Ihr Arbeitgeber Sie gegen Ihren Willen versetzen, sollten Sie zunächst das Gespräch suchen und ruhig und sachlich Ihre Situation schildern. So Sie beispielsweise Angehörige vor Ort pflegen oder alleinerziehend sind, kann eine Versetzung als „unbillig“, also als nicht zumutbar angesehen werden. So sollten Sie vorgehen:

Arbeitsvertrag prüfen

Sind Sie von einer Versetzung bedroht, sollten Sie genau in Ihren Arbeitsvertrag schauen und ihn gegebenenfalls von einem Experten prüfen lassen. Grundsätzlich gilt: je unspezifischer Ihre Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag, desto größer der Handlungsspielraum des Arbeitgebers. Wenn aber im Vertrag beispielsweise ausdrücklich der Standort Köln eingetragen wurde, kann dieser Eintrag Ihre Versetzung nach Böblingen erschweren bis unmöglich machen. Und: Ist eine Versetzungsklausel enthalten, muss sie deshalb noch nicht gültig sein. Hier kommt es auch auf die Formulierung an.

Zusatzklauseln verweigern

Ein Arbeitsvertrag ist meist nicht statisch, sondern kann von Zeit zu Zeit angepasst bzw. erweitert werden. Für Arbeitgeber ist dies gegebenenfalls eine günstige Gelegenheit, um den Vertrag durch Zusatzklauseln zu ergänzen. Prüfen Sie diese ganz genau, bevor Sie Ihren Vertrag neu unterschreiben. Das gilt auch für die beliebte Änderungskündigung, bei der ein Unternehmen die Kündigung ausspricht, um gleichzeitig einen neuen Vertrag vorzulegen – der die Versetzungsklausel dann beinhalten kann.

Zwischenzeugnis verlangen

Mit einer Versetzung ändern sich meist auch die Arbeitsaufgaben. Das gibt Ihnen die Möglichkeit und das Recht, ein aktuelles Zwischenzeugnis zu verlangen. Davon sollten Sie Gebrauch machen, allein schon aus präventiven Gründen: Im Fall der Fälle haben Sie für Ihre kommende Bewerbung ein wichtiges Dokument in der Hand.

Was darf der Arbeitgeber?

Eine Versetzung kann durchaus ein Ritterschlag sein, eventuell ist es sogar eine Beförderung. Oftmals wird sie aber eher als Nackenschlag empfunden – vor allem dann, wenn die Entscheidung wenig nachvollziehbar erscheint. Für den einen oder anderen mag etwa eine Versetzung von Bielefeld nach Berlin ein Ansporn sein, für andere wiederum birgt ein solcher Schritt derart viele Umbrüche, dass er oder sie das Risiko einfach nicht eingehen möchte. Schwierig kann eine Versetzung aber nicht nur bei einem Ortswechsel werden – manchmal ändern sich auch Art und Umfang der Tätigkeit. Darf der Arbeitgeber das überhaupt?

Welche Gründe für eine Versetzung gibt es?

Oft stecken sehr naheliegende Gründe hinter einer Versetzung. Sie werden an einem anderen Standort des Unternehmens dringend benötigt oder müssen die Aufgaben einer Kollegin übernehmen, die langfristig erkrankt ist. In derartigen Situationen sollten Sie abwägen, ob Sie die Umstände – vielleicht ja für einen festgelegten Zeitraum – in Kauf nehmen und in den „sauren Apfel“ beißen oder dagegen angehen.

Denn: Die Versetzung muss sich stets im Rahmen des billigen Ermessens bewegen. Die Umstände des Einzelfalles und die Interessen des Arbeitnehmers müssen also berücksichtigt werden, etwa familiäre Belange des Mitarbeiters. Eine mögliche Folge dieses „billigen Ermessens“ kann sein, dass der Arbeitgeber ausnahmsweise eine bestimmte Ankündigungsfrist einhalten muss. Denn, soll der Arbeitnehmer an einen Ort versetzt werden, der einen Wohnsitzwechsel erforderlich macht, sind je nach den Umständen des Einzelfalls Ankündigungsfristen zu berücksichtigen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist allerdings, dass selbst die langjährige Beschäftigung eines Arbeitnehmers an einem bestimmten Arbeitsplatz nicht automatisch dazu führt, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat, auch weiter auf dieser Position beschäftigt zu sein.

Wann ist eine Versetzung nicht zulässig?

Trotz des Weisungsrechts kann ein Arbeitgeber nicht jeden Mitarbeiter versetzen, wie es ihm gerade beliebt. Willkür ist nicht erlaubt. Gesetzlich ist festgelegt, dass „in billigem Ermessen“ entschieden werden muss, was bedeutet: nicht nur die eigenen Interessen des Unternehmens dürfen eine Rolle spielen. Auch die Interessen des Arbeitnehmers müssen beachtet und in einem gerechten, angemessenen Interessenausgleich berücksichtigt werden.

Zweifel an der Wirksamkeit der Versetzung – was kann der Arbeitnehmer tun?

Nicht selten spricht der Arbeitgeber eine Versetzung aus, deren rechtliche Wirksamkeit fraglich ist. In diesem Fall sollte man die Wirksamkeit der Versetzung im Wege einer einstweiligen Verfügung und parallel im Klagewege gerichtlich überprüfen lassen. Allerdings sind die Hürden für ein aus Sicht des Arbeitnehmers erfolgreiches einstweiliges Verfügungsverfahren relativ hoch. Der Arbeitnehmer muss entweder darlegen, dass die Versetzung offensichtlich rechtswidrig ist oder aber, dass ihm irreparable Schäden wie zum Beispiel der unwiederbringliche Verlust von Spezialkenntnissen oder ein Reputationsschaden drohen. Das gelingt erfahrungsgemäß nur in Ausnahmefällen. Dem Arbeitnehmer bleibt daher in der Regel nur das normale Klageverfahren, das sich jedoch über einen langen Zeitraum hinziehen kann.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, ist stets zu bedenken, dass diesem bei Versetzungen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes („BetrVG“) ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG zusteht. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat entsprechend informieren und dessen Zustimmung zur geplanten Versetzung einholen. Liegt einer der gesetzlich vorgegebenen Verweigerungsgründe vor, etwa wenn die Versetzung eine Benachteiligung des Arbeitnehmers zur Folge hat, kann der Betriebsrat seine Zustimmung verweigern. Möchte der Arbeitgeber die Versetzung gegen den Willen des Betriebsrates durchführen, muss er die Zustimmung gerichtlich durchsetzen. Bis in derartigen Fällen eine rechtskräftige Entscheidung ergeht, kann einige Zeit ins Land gehen. Der Arbeitgeber kann die Versetzung daher im Falle einer besonderen Eilbedürftigkeit auch gegen den Willen des Betriebsrates gemäß § 100 BetrVG vorläufig durchsetzen.

Kann der Betriebsrat eine Versetzung verhindern?

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers kann vom Betriebsrat nicht ausgehebelt werden. Laut § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes sind personelle Einzelmaßnahmen nur zulässig, wenn der Betriebsrat informiert wurde und der Maßnahme zustimmt. So kann dieser eine geplante Versetzung also auch stoppen.

Einen Haken gibt es jedoch: Der Betriebsrat darf seine Zustimmung nicht einfach verweigern. Das Betriebsverfassungsgesetz macht genaue Vorgaben, wann Betriebsräte ablehnen dürfen. Zum Beispiel dann, wenn die Versetzung gegen Betriebsvereinbarungen verstößt, wenn Sie dadurch eindeutig benachteiligt würden oder wenn die berechtigte Gefahr besteht, dass andere Mitarbeiter aufgrund dieser Maßnahme gekündigt werden.

Wann ist eine Versetzung zumutbar?

Aus arbeitsrechtlicher Sicht gilt etwa als „zumutbar“, wenn der neue Arbeitsplatz in bis zu zwei Stunden Fahrtzeit erreichbar ist. Dies gilt allerdings nicht für einen Mitarbeiter in Teilzeit, der nur wenige Stunden am Tag arbeitet. Für ihn oder sie kann eine solche Versetzung an einen mindestens zwei Stunden entfernten Ort als „unzumutbar“ gewertet werden.

Können Sie auf eine schlechtere Position versetzt werden?

Nein! Ihr Arbeitgeber darf Sie weder auf eine Arbeitsstelle versetzen, auf der Sie weniger verdienen, noch auf eine, bei der Sie weniger Verantwortung als zuvor tragen. Das gilt übrigens unabhängig von Ihrem Gehalt: Selbst bei gleicher Bezahlung darf nicht einfach Ihr Verantwortungsbereich eingeschränkt werden. Eine solche Versetzung wäre rechtswidrig, da Sie benachteiligt würden.

Arbeit nicht niederlegen

Die Arbeit niederlegen – das sollten Sie selbst dann nicht tun, wenn Sie von der Unrechtmäßigkeit Ihrer Versetzung vollkommen überzeugt sind. Irren Sie sich, kann Ihr Arbeitgeber mit einer Abmahnung oder gar einer fristlosen Kündigung reagieren. Aber selbst, wenn Ihre Versetzung offensichtlich unwirksam ist und Sie somit ein Recht auf Zurückbehaltung der Arbeitsleistung haben, können Gehaltsansprüche verlorengehen. Grundlegender Rat also: Ruhe bewahren und mit Bedacht agieren.

Anwalt einschalten

Eine Versetzung kann gegen Verträge, Gesetze und Verordnungen verstoßen – und ist in vielen Fällen unzumutbar. Zum Beispiel entschied das hessische Landesarbeitsgericht 2011, dass eine teilzeitbeschäftigte Mutter von ihrem Arbeitgeber nicht nach London versetzt werden dürfe, da dies das vereinbarte Modell zur Vereinbarung von Kinderbetreuung und Beruf nicht zulasse. Das Interesse des Arbeitgebers musste in diesem Fall zurückstehen. Vor den Arbeitsgerichten wird in der Regel abgewogen – zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Arbeitnehmers. Haben Sie familiäre Verpflichtungen oder zahlen gerade ein Haus ab, steigen Ihre Chancen auf Nicht-Versetzung. Für den Laien ist das häufig schwer nachvollziehbar. Lassen Sie sich im Ernstfall daher vom Anwalt beraten.

Hat man als Arbeitnehmer Anspruch auf eine Versetzung?

In der Regel nicht, sofern dieser nicht in Ihrem Arbeitsvertrag festgehalten ist. In bestimmten Situationen aber, wie bei Mobbing am Arbeitsplatz, kann sich ein Versetzungsanspruch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergeben. Wenn Sie also auf eigenen Wunsch versetzt werden wollen, müssen Sie einen schriftlichen Versetzungsantrag stellen. Ein Anspruch auf Versetzung kann für Arbeitnehmer nämlich in Ausnahmefällen doch entstehen, wenn die Versetzung zur Erfüllung der Fürsorgepflicht unumgänglich ist.

Ein Beitrag von:

  • Liane Rapp

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