Vorsicht Falle: Die größten Fehler beim Vererben
Die Deutschen vererben jährlich mehr als 4 Mrd. €. Doch viele Erbfälle enden mit Enttäuschung und Streit, weil die hinterlassenen Testamente fehlerhaft oder gar unwirksam sind. Klaus Michael Groll, Fachanwalt für Erbrecht und Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht in München, erklärt im folgenden Beitrag die zehn schwerwiegendsten Fehler – und wie man sie vermeidet.
1. Kein Testament machen
Die Vermögensnachfolge behandeln die meisten Deutschen stiefmütterlich. Eine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) hat im Schnitt nur jeder Vierte getroffen. Dies ergab eine vom Deutschen Forum für Erbrecht in Auftrag gegebene bundesweite Infratest-Umfrage.
Ohne Testament gilt jedoch die gesetzliche Erbfolge – häufig mit unangenehmen Überraschungen. So beerben sich z. B. kinderlose Ehepartner nicht gegenseitig allein, sondern der Überlebende erbt zusammen mit seinen Schwiegereltern bzw. den Geschwistern des Verstorbenen. Gesetzliche Erbfolge bedeutet häufig auch Bildung einer Erbengemeinschaft, ein Konfliktherd ersten Ranges. Ein kluges Testament hilft Frieden zu stiften – so z. B. durch Teilungsanordnung, Vermächtnis, Vorausvermächtnis oder sogenanntes Nießbrauchsvermächtnis.
2. Zu spät testieren
Der Tod kann jederzeit eintreten. Viele Menschen haben nur die statistische Lebenserwartung im Kopf und glauben, noch ausreichend Zeit zu haben. Und dann ist es plötzlich zu spät. Es muss nicht der Tod sein, auch ein Ereignis, das zur Testierunfähigkeit führt (Unfall, Schlaganfall), macht alle Gestaltungsmöglichkeiten zunichte.
3. Wahl der falschen Form
Privatschriftliches und notarielles Testament sowie notarieller Erbvertrag – das sind die Formen letztwilliger Verfügungen. Aber Vorsicht beim Erbvertrag. Verspricht z. B. ein Vater in einem solchen Vertrag seinem Sohn, dass dieser einmal sein Erbe wird, dann kommt der Vater ohne Zustimmung des Sohnes aus diesem Versprechen nicht mehr heraus. Wenn das Verhältnis später einmal zerrüttet sein sollte oder der Sohn auf Abwege gerät, kann dies ein großes Problem darstellen. Erbvertrag also besser nur im Ausnahmefall.
4. Vernachlässigung des Pflichtteilproblems
Manche Menschen vergessen, dass in vielen Erbfällen Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden können. Der Pflichtteil ist immer ein Geldanspruch, kann den Erben, der den Pflichtteil zahlen muss, also in größte Liquiditätsprobleme stürzen, wenn etwa zum Nachlass nur eine Immobilie zählt.
Man sollte daher auf jeden Fall versuchen, dieses Problem zu entschärfen – etwa durch lebzeitigen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag, durch Testamentsklauseln oder Anrechnungsklauseln bei Schenkungen an den späteren Pflichtteilsberechtigten oder durch rechtzeitige Schenkungen an andere Personen.
5. Das falsche Ehegattentestament
Ehegatten können zusammen in einem „Gemeinschaftlichen Testament“ über ihr Vermögen letztwillig verfügen. Ein ganz wichtiger Punkt wird dabei jedoch oft übersehen: Darf der Überlebende die gemeinsam getroffene Schlusserbenregelung, also die Verfügungen für seinen Tod, wieder ändern? Das bedarf gründlichster Überlegung und Entscheidung im Testament. Es ist eine schwierige Entscheidung, weil es um die Zukunft geht, die man nicht kennt. Die Eheleute müssen wissen, ob sie sich gegenseitig Verfügungsfreiheit einräumen oder die Regelung lieber festklopfen, das heißt den Überlebenden binden wollen.
6. Der falsche Ehevertrag
Eheverträge haben in der Regel nicht nur ehe- bzw. scheidungsrechtliche Bedeutung, sondern berühren auch das Erbrecht. So bedeutet z. B. der Weg aus der Zugewinngemeinschaft in die Gütertrennung in vielen Fällen eine Verschlechterung der gesetzlichen Erbquote des Überlebenden, folglich auch eine Minderung der Pflichtteilsansprüche. Auch hat die Gütertrennung erbschaftsteuerliche Nachteile. Ideal könnte die Vereinbarung der sogenannten modifizierten Zugewinngemeinschaft sein. Sie bedeutet Gütertrennung für den Fall der Scheidung, aber Zugewinngemeinschaft für den Fall des Todes des Erstversterbenden.
7. Keine Ersatzerben bestimmen
Wer erbt, wenn der testamentarisch eingesetzte Erbe im Erbfall gar nicht mehr lebt? Das kann im Einzelfall sehr fraglich sein. Streit ist vorprogrammiert. Auch kommt es vor, dass derjenige Ersatzerbe wird, der nach dem Willen des Verstorbenen partout nichts hatte bekommen sollen. Die Regelung der Ersatzerbschaft gehört also unbedingt in ein Testament.
8. Vernachlässigung der steuerlichen Konsequenzen
Manches Testament liest sich ganz überzeugend. Doch kann es steuerlich betrachtet höchst unvernünftig sein, und zwar nicht nur erbschaftsteuerlich, sondern auch einkommensteuerlich. Viel häufiger, als es Laien denken, hat nämlich ein Erbfall missliche Konsequenzen für die Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Die steuerliche Durchleuchtung der Vermögensnachfolge, sei sie lebzeitig oder von Todes wegen, ist also dringend gefordert.
9. Das Testament im Nachtkasten
Wie viele Testamente jährlich verschwinden, weil sie dem Finder nicht gefallen, weiß niemand. Aber es ist sicher keine kleine Zahl. Ein Testament gehört daher gut aufbewahrt, entweder beim Nachlassgericht oder bei dem Rechtsanwalt, der das Testament entworfen hat. Erbrechtskanzleien verfügen in der Regel über feuerfeste Panzerschränke.
10. Testament ohne fachliche Beratung
Viele Menschen neigen dazu, sich bei der Testamentsformulierung zu überschätzen. Das Erbrecht ist hochkompliziert, voller Tellerminen, zivilrechtlich und steuerrechtlich. Und ein Laie hat keine Vorstellung davon, welches umfangreiche Instrumentarium das Erbrecht für die vielfältigen Gestaltungen bereithält. Kompetente Ansprechpartner sind Fachanwälte für Erbrecht. Für einen Testamentsentwurf kann das Honorar im Vorfeld ausgehandelt werden. KLAUS MICHAEL GROLL
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