Was dürfen Erwerbsverminderte hinzuverdienen?
Ingenieure und Informatiker, die vermindert erwerbsfähig sind, dürfen unter Umständen Arbeit annehmen, obwohl sie eine Erwerbsminderungsrente bekommen. In einigen Fällen ist es sogar nötig, dass sie etwas hinzuverdienen. Lesen Sie hier, was es dabei zu beachten gibt.
- Erwerbsminderungsrente: Arbeit ja oder nein?
- Gibt es Grenzen für den Hinzuverdienst?
- Was muss ich bei der Aufnahme einer Arbeit beachten?
- Erwerbsvermindert und Ehrenamt
Erwerbsminderungsrente: Arbeit ja oder nein?
Wer vermindert erwerbsfähig ist, erhält eine Erwerbsminderungsrente. Zumindest dann, wenn die Erwerbsunfähigkeit von der Deutschen Rentenversicherung anerkannt wurde. Doch meist reicht die Erwerbsminderungsrente nicht aus, um den Lebensunterhalt abzudecken. Wer sich nicht zusätzlich über private Versicherungen abgesichert hat, ist unter Umständen gezwungen, eine Arbeit anzunehmen um sich etwas hinzuzuverdienen. Das ist jedoch nicht in allen Fällen möglich.
Gelten Ingenieure und Informatiker beispielsweise als voll erwerbsunfähig, bedeutet das, dass sie weniger als 3 Stunden pro Tag irgendeiner Arbeit nachgehen können. Es wird schwierig, der Rentenversicherung glaubhaft darzulegen, dass man imstande ist, einem Nebenerwerb nachzugehen. Allenfalls sehr einfache Tätigkeiten von weniger als 3 Stunden am Tag, beispielsweise Nachhilfe für Schüler oder leichte Büroarbeiten wären eine Option. Letztlich liegt die Einzelfallentscheidung beim Rentenversicherungsträger. Wichtig für die Entscheidung ist auch, aufgrund welcher Erkrankung oder Behinderung die Erwerbsminderungsrente gezahlt wird.
Denn diese Rente soll den früheren Verdienst weitestgehend ersetzen, wenn Ingenieure oder Informatiker aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können. Anders sieht es mit der Rente bei teilweiser Erwerbsminderung aus: Diese Rente soll ein niedriges Einkommen ausgleichen, wenn Betroffene aufgrund einer Erkrankung oder auch nach einem Arbeitsunfall nicht mehr voll arbeiten können. Die Rente für teilweise Erwerbsunfähigkeit erhalten diejenigen, die maximal zwischen 3 und 6 Stunden täglich arbeiten können. Im besten Fall wäre das sogar mehr als eine halbe Stelle. Logisch also, dass Personen die nur die halbe Erwerbsminderungsrente bekommen, ohnehin zusätzlich zur Rente arbeiten müssen.
Problematisch ist, dass auch die volle Erwerbsminderungsrente eben nicht immer ausreicht, um den früheren Verdienst zu ersetzen. Denn sie berechnet sich unter anderem danach, wie lange man bereits in die Rentenkasse eingezahlt hat. Je jünger man also ist, wenn die Erwerbsunfähigkeit eintritt, desto weniger Erwerbsminderungsrente hat man zu erwarten. Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente lag 2017 bei rund 720 Euro im Monat. Ein verheirateter 40-Jähriger, der ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.800 Euro bekommen hat, hätte nach aktuellen Berechnungen bei voller Erwerbsunfähigkeit eine Rente von etwa 519 Euro monatlich zu erwarten.
Die dadurch entstehende finanzielle Lücke zum ursprünglichen Gehalt ist groß. Mehr als 15 % der Erwerbsminderungsrentner in Deutschland sind auf Grundsicherung angewiesen. Bei Altersrentnern sind es nur 3 %. Glücklich kann sich schätzen, wer mit einer privaten Versicherung gegen Berufsunfähigkeit vorgesorgt hat, um dieser Problematik entgegenzuwirken. Dennoch ist der Wunsch, die Rente durch ein Hinzuverdienst aufzustocken, verständlich. Und grundsätzlich ist ein Nebenjob für Erwerbsunfähige auch gesetzlich erlaubt. Immer vorausgesetzt, dass der Gesundheitszustand es zulässt.
Gibt es Grenzen für den Hinzuverdienst?
Klar gesagt: Ja, die gibt es. Seit dem 1. Juli 2017 gelten die neuen Regeln des Flexirentengesetzes. Darin sind die Grenzen geregelt, die auch für Empfänger der Erwerbsminderungsrente gelten. Die neuen Regeln haben für Rentner einen wesentlichen Vorteil gebracht: Die bislang monatlichen Hinzuverdienstgrenzen wurden durch eine kalenderjährliche ersetzt. Diese ist je nach Rentenanspruch unterschiedlich. Rentner mit voller Erwerbsminderungsrente dürfen weniger hinzuverdienen als diejenigen, die die halbe Erwerbsminderungsrente bekommen. Die Hinzuverdienstgrenze kann schwanken, sie gilt jedoch immer für das volle Kalenderjahr – also vom 1. Januar bis 31. Dezember. Das bedeutet, man kann selbst entscheiden, wann man wie viel arbeitet. Es ist auch möglich, nur einige Wochen im Jahr zu arbeiten und den Hinzuverdienstspielraum in dieser Zeit komplett auszuschöpfen.
Als Hinzuverdienst gelten
- der Bruttoverdienst aus abhängiger Beschäftigung (Angestelltenverhältnis)
- der steuerrechtliche Gewinn (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbe und aus selbständiger Arbeit)
- vergleichbares Einkommen (etwa Abgeordnetenbezüge)
- bestimmte Sozialleistungen (Krankengeld, Übergangsgeld)
Nicht als Hinzuverdienst gerechnet werden Leistungen für Pflegetätigkeiten bis zur Höhe des Pflegegeldes der Pflegeversicherung sowie Einkünfte, die für eine Arbeit in einer Behindertenwerkstatt oder in einer ähnlichen Einrichtung anfallen. Auch Mieteinnahmen und Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Betriebsrenten gelten nicht als Hinzuverdienst und dürfen nicht auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet werden.
Hinzuverdienstgrenze bei teilweiser Erwerbsminderung
Wer eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhält, hat keine feste Hinzuverdienstgrenze. Diese wird stattdessen individuell ausgerechnet. Sie orientiert sich am höchsten beitragspflichtigen Jahreseinkommen der vergangenen 15 Jahre. Die Mindestgrenze liegt 2019 bei 15.138 Euro. Im Jahr 2018 waren es mindestens 14.798 Euro – also 340 Euro weniger. Wer nur teilweise erwerbsunfähig ist, sollte sich daher unbedingt die Hinzuverdienstgrenze von seinem Rentenversicherungsträger ausrechnen lassen. Und, eben weil sich die Höhe der Grenze immer ändert, regelmäßig bei der Deutschen Rentenversicherung nachfragen, wie es um die Höhe der Hinzuverdienstgrenze bestellt ist.
Am Ende des Jahres wird der Hinzuverdienst mit der Grenze verglichen. Alles was darüber liegt, wird durch 12 geteilt und dieser Betrag zu 40 % auf die Rente angerechnet. Das bedeutet, die monatliche Rentenzahlung wird um genau diesen Betrag gekürzt. Der sogenannte Hinzuverdienstdeckel wird ebenfalls individuell berechnet. Wenn die gekürzte Rente zusammen mit dem Zwölftel des jährlichen Hinzuverdienstes höher ist als der Deckel, wird der darüber liegende Betrag zu 100 % auf die Rente angerechnet. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass das Einkommen aus Rente und Hinzuverdienst höher ist als das Gehalt, das man vor Beginn der Rente bekommen hat.
Hinzuverdienstgrenze bei voller Erwerbsminderung
Wer die volle Erwerbsminderungsrente bekommt, muss sich die Hinzuverdienstgrenze nicht individuell errechnen lassen. Der Rentenversicherungsträger geht davon aus, dass der Betroffene maximal 3 Stunden täglich arbeiten kann. Deshalb gibt es bei dieser Rentenform eine feststehende Hinzuverdienstgrenze. Diese beträgt 6.300 Euro und gilt ebenfalls für das Kalenderjahr. Wird dieser Betrag überschritten, wird mit dem Mehrbetrag genauso verfahren wie bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit.
Individuell berechnet wird hingegen auch bei der vollen Erwerbsminderungsrente der Hinzuverdienstdeckel. Auch dabei gilt: Bei Überschreiten wird wie im Falle der halben Erwerbsminderungsrente verfahren.
Was muss ich bei der Aufnahme einer Arbeit beachten?
Ingenieure und Informatiker, die erwerbsunfähig sind und eine Erwerbsminderungsrente erhalten, sollten vor der Aufnahme einer Tätigkeit einiges beachten. Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt, sich grundsätzlich vor Beginn der Arbeit vom Rentenversicherungsträger beraten zu lassen. Darüber hinaus muss diesem Träger auch jede Erwerbstätigkeit gemeldet werden. Denn sowohl die Art der Arbeit als auch die Bedingungen, zu denen ein Erwerbsverminderter seine zusätzliche Stelle antritt, können Einfluss auf die Erwerbsminderungsrente haben. Gleiches gilt für die Bedingungen, die vor dem Eintritt der Rente bestanden.
Zu beachten ist vor allem, dass Personen, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen – egal ob voll oder halb –, nicht mehr arbeiten dürfen als ihr Restleistungsvermögen zulässt. Dieses Restleistungsvermögen bezeichnet die Zeit, die ein ganz oder teilweise erwerbsunfähiger Ingenieur oder Informatiker noch arbeiten kann. Bei voller Erwerbsunfähigkeit sind das die genannten 3 Stunden, bei teilweiser Erwerbsunfähigkeit maximal 6 Stunden täglich. Bei diesen Grenzen wird von einer 5-Tage-Woche ausgegangen. Das bedeutet, wer die volle Rente bekommt, darf maximal 15 Stunden in der Woche arbeiten, bei halber Rente sind es 30 Stunden in der Woche. Wer trotz Erwerbsminderungsrente eine Arbeit annimmt und dabei diese Grenzen überschreitet, riskiert, seinen Rentenanspruch zu verlieren.
Unbedingt zu beachten ist, dass sich ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen nicht nur auf die Rente selbst auswirkt, sondern auch auf die versicherungsrechtliche Beurteilung in der Kranken- und Pflegeversicherung. Denn normalerweise zahlen Erwerbsminderungsrentner bei voller Rente einen ermäßigten Beitragssatz für die Krankenkasse, den vollen Beitragssatz für die Renten- und Pflegeversicherung und keinen Beitrag für die Arbeitslosenversicherung. Bei halber Rente fällt für die Krankenkasse der allgemeine Beitragssatz und für alle anderen Bereiche der volle Beitragssatz an. Riskant kann eine Überschreitung des Hinzuverdienstes also vor allem für Rentner mit voller Erwerbsminderungsrente werden, die dann gegebenenfalls auch den allgemeinen Beitragssatz für die Krankenkasse zahlen sowie wieder in die Arbeitslosenversicherung einzahlen müssen. Dieses Beispiel gilt, wenn der Rentner in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist.
Erwerbsvermindert und Ehrenamt
Genauso wie sie eine Arbeit aufnehmen dürfen, dürfen Erwerbsverminderte auch ein Ehrenamt ausüben. Vor allem für Erwerbsminderungsrentner, die keinem Beruf mehr nachgehen können, kann das Ehrenamt eine sinnvolle Beschäftigung sein. Insbesondere Rentner wollen häufig ihre berufliche Erfahrung weitergeben. Auch dafür bietet sich ein Ehrenamt an. Dabei sind jedoch, genau wie bei einer Arbeit, zwei Dinge zu beachten:
- Wie viel Zeit nimmt das Ehrenamt in Anspruch?
- Gibt es eine Form der Vergütung, zum Beispiel einer Aufwandsentschädigung oder eine Ehrenamtspauschale?
Werden diese Fragen mit Ja beantwortet, sollten sich die erwerbsverminderten Ehrenamtler bei der Deutschen Rentenversicherung beraten lassen. Denn auch wenn die Tätigkeit nicht beruflich, sondern ehrenamtlich ist, müssen die Grenzen des Restleistungsvermögens eingehalten werden. Das bedeutet, auch Ehrenamtler dürfen nur so viel arbeiten, wie es ihre volle oder teilweise Erwerbsminderung zulässt. Werden diese Zeiten nicht eingehalten, müssen ehrenamtlich tätige Erwerbsminderungsrentner damit rechnen, den Anspruch auf ihre Rente zu verlieren.
Erhalten ehrenamtlich tätige Rentner mit Erwerbsminderungsrente eine Aufwandsentschädigung oder eine Pauschale, sollten sie dies auf jeden Fall der Deutschen Rentenversicherung melden. Denn auch diese Einnahmen werden in die Hinzuverdienstgrenze eingerechnet. Eine Übergangsregelung gibt es bis zum 30. September 2020: Noch so lange werden Aufwandsentschädigungen für Ehrenämter in der Kommunalpolitik (Beigeordneter, Stadtrat, Ortsvorsteher) oder der Sozialversicherung (Versichertenältester, Vertrauensperson) nicht auf die Verdienstgrenze angerechnet.
Wer zusätzlich zu seiner Erwerbsminderungsrente eine Grundsicherung erhält, hat einen Freibetrag von 200 Euro monatlich für Einnahmen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Diese sind anrechnungsfrei. Erst was darüber hinausgeht, wird angerechnet – dann allerdings auf die Grundsicherung.
Übrigens: Bekommen Ingenieure und Informatiker mit Erwerbsminderungsrente für ihre ehrenamtliche Arbeit keine Aufwandsentschädigung, müssen Sie diese nicht zwingend bei der Rentenversicherung melden. Doch auch dann ist darauf zu achten, dass tägliche Restleistungsvermögen nicht zu überschreiten.
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