Recht 20.06.2008, 19:35 Uhr

Was sind die eigenen Patente wert?  

VDI nachrichten, Düsseldorf, 20. 6. 08, sta – Noch vor 30 Jahren bestimmten vor allem Immobilien und Maschinen den Wert einer Firma. Heute sind die immateriellen Vermögensgegenstände die maßgeblichen Determinanten. Unter ihnen spielen gewerbliche Schutzrechte die Hauptrolle. Was aber sind Patente & Co wert? Wie kann ein konkreter Betrag nachvollziehbar ermittelt werden? Eine aktuelle Studie hat gängige Methoden untersucht und zeigt deren Vor- und Nachteile auf.

Patente gelten vielen Unternehmenslenkern als die wichtigsten Erfolgstreiber. Das ist das Ergebnis einer Studie der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC). Befragt wurden dafür 142 der 500 größten Patentanmelder vor dem Europäischen Patentamt. Die Rücklaufquote betrug 43 %. Das Gros der Teilnehmer stammte aus den Branchen Industriegüter (32 %) und Chemie/Pharma (22 %).

Die Wertschätzung von Patenten kann als Indiz für den Übergang von der Produktions- zur Wissensgesellschaft gewertet werden. Mit diesem rasanten Wandel hat das deutsche Bilanzierungsrecht allerdings nicht Schritt halten können: Es gibt für die meisten Unternehmen keine Verpflichtung zur bilanziellen Bewertung des Patentportfolios. Gemäß der deutschen Bilanzierungstradition gemäß Handelsgesetzbuch (HGB) besteht für selbsterstellte Patente sogar ein Aktivierungsverbot. Lediglich erworbene Patente sind in Höhe der Anschaffungskosten bilanzierungs- und abschreibungspflichtig.

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Eine Ausnahme gilt für kapitalmarktorientierte Firmen. Sie müssen seit dem Geschäftsjahr 2005 gemäß der International Financial Reporting Standards (IFRS) bilanzieren. Demzufolge sind sie verpflichtet, ihre immateriellen Vermögenswerte regelmäßig zu bewerten, etwa bei Firmenzusammenschlüssen.

Doch zum 1. Januar 2009 könnte die Ausnahme zur Regel werden. Dann nämlich soll das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) inkrafttreten. Es sieht eine Angleichung des HGB an die IFRS-Grundsätze vor. Dementsprechend müssten ausnahmslos alle Firmen in Deutschland ihre immateriellen Vermögenswerte bilanzieren.

Was zunächst vor allem nach einem bürokratischen Mehraufwand klingt, hat durchaus auch Vorteile. Laut PWC-Studie wird in patentstarken Unternehmen nur einen Bruchteil der vorhandenen Patente wirklich genutzt. Das gilt sogar dann noch, wenn Sperrpatente ins Kalkül miteinbezogen werden. Nun kann die Nicht-Nutzung eines Patentes durchaus eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Entscheidung sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Unternehmen dadurch kein ausreichender Wertbeitrag erwächst, wenn also die zusätzlichen Erträge, die bei Nutzung des Patents zu erwarten wären, in keinem angemessenen Verhältnis zu den dafür anfallenden zusätzlichen Aufwendungen stehen. Wenn das Patent aber nicht bewertet wurde, ist eine rationale Entscheidung hinsichtlich Nutzung oder Nicht-Nutzung schlicht unmöglich.

Die Frage ist nun, wie können Firmen ihre Patente bewerten? PWC unterscheidet zwischen monetären und nicht-monetären Verfahren. Bei den nicht-monetären Verfahren wird der Einfluss des jeweiligen Patents auf wichtige Kriterien (z.B. Umsatzentwicklung, Imagegewinn oder Innovationsgrad) mit einer Wertzahl gewichtet. Diese soll dann den Wert des Patents für das Unternehmen ausdrücken. Problematisch an diesen Verfahren: Sie sind für kapitalmarktorientierte bzw. Bilanzierungszwecke nicht geeignet.

Anders die im Folgenden erläuterten monetäre Verfahren. Am einfachsten zu handhaben sind solche, die allein auf die Kosten eines Patents abstellen. Die Reproduktionskostenmethode beispielsweise weist die Kosten aus, die dem Unternehmen entstehen würden, wenn es ein exaktes Duplikat des Vermögenswertes bzw. eine nutzenäquivalente Variante herstellen müsste. Nachteil: Aktuelle und künftige Erträge bleiben unberücksichtigt.

Die marktpreisorientierten Bewertungsverfahren beziehen künftige Erträge zumindest indirekt mit ein. Bei ihnen wird ermittelt, welchen Wert ein vergleichbarer Vermögenswert auf dem Markt aktuell hat. Die Schwierigkeit: Kein Patent gleicht dem anderen. Außerdem ist der Markt intransparent und illiquide.

Aussagekräftiger sind kapitalwertorientierte Verfahren. Sie gehen davon aus, dass sich der Wert eines Patents vor allem aus dessen künftigen Erfolgsbeiträgen ermittelt. Die gesuchte Summe entspricht also den Barwerten der künftig erzielbaren Cashflows. Zur Diskontierung wird dabei ein risikoadjustierter Zinssatz herangezogen. Nutzungsvoraussetzung ist allerdings, dass dem einzelnen Patent direkt Cashflows zurechenbar sind. Das dürfte nur selten der Fall sein.

Dieses Problem löst die Residualwertmethode. Hier wird berücksichtigt, dass einzelne Vermögenswerte erst im Verbund mit anderen Vermögenswerten Cashflows generieren. Der Beitrag des einzelnen Patents ergibt sich aus der Differenz von Gesamt-Cashflow und Kosten für alle übrigen Vermögenswerte.

Bei der Mehrgewinnmethode werden alle zukünftigen Cashflows mit den Cashflows eines fiktiven Unternehmens verglichen, welches diesen Vermögenswert nicht besitzt oder nicht nutzt.

Zu den kapitalwertorientierten Verfahren zählt außerdem die Lizenzpreisanalogie. Dabei wird ermittelt, welche Lizenzzahlungen das Unternehmen fiktiv zu entrichten hätte, wenn sich der betreffende Vermögensgegenstand im Eigentum eines Dritten befinden würde. Dies ist die laut PWC am häufigsten genutzte Methode. Hintergrund: Sie ist einfach in der Anwendung. Das liegt vor allem daran, dass die benötigten Daten – etwa Lizenzsätze – schnell in einschlägigen Datenbanken gefunden werden können.

64 % der für die Studie befragten Unternehmen halten die monetäre Innovationsbewertung für (sehr) hilfreich beim internen Management von Technologien und Patenten. Bei der Einschätzung, ob die monetäre Bewertung die externe Berichterstattung sinnvoll ergänzen kann, waren die Meinungen geteilter. 47 % votierten dafür, 24 % waren unentschieden und 35 % ablehnend.

Mit deutlichen Worten richtet sich Heiner Flocke, Vorstandsvorsitzender vom Patentverein e.V., gegen eine weitreichende Patentbewertung für bilanzielle Zwecke. „Das öffnet dem Betrug an allen Stakeholdern Tür und Tor. Die Firmen können sich je nach Zielsetzung beliebig arm oder reich rechnen.“ Der Patentverein.de arbeitet als Selbsthilfeorganisation der Industrie und will das Patentwesen dabei unterstützen, seinem Qualitätsanspruch gerecht zu werden. Die Bodenheimer kämpfen vor allem gegen die wachsende Flut von Trivialpatenten. S. ASCHE

Ein Beitrag von:

  • Stefan Asche

    Stefan Asche

    Redakteur VDI nachrichten
    Fachthemen: 3-D-Druck/Additive Fertigung, Konstruktion/Engineering, Logistik, Werkzeugmaschinen, Laser

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