Wann gibt es eigentlich Weihnachtsgeld?
Immer weniger Ingenieure bekommen Weihnachtsgeld, das zeigt unsere Gehaltsstudie. Das sogenannte 13. Monatsgehalt ist eben keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Ein Blick in Verträge und Gesetze zeigt, wer es bekommt und welche Ansprüche bei Kündigung und Krankheit bestehen.
Weihnachtszeit ist Geschenkezeit. Da kommt eine Sonderzahlung vom Arbeitgeber gerade recht. Laut Gehaltsstudie von ingenieur.de bekommen aktuell 46 % der Berufseinsteiger Urlaubs- oder Weihnachtsgeld und sogar zwei von drei berufserfahrenen Ingenieuren kann sich über die Sonderzahlung zu Weihnachten freuen. Doch in den Genuss kommt nur, wer das in seinem Arbeitsvertrag entsprechend geregelt hat. Oder wer sich in der Vergangenheit bereits daran gewöhnen durfte.
Eine Gruppe Arbeitnehmer wird dabei besonders häufig bedacht. Der Hans-Böckler-Stiftung zufolge erhalten nämlich 74 % aller Beschäftigten in Betrieben mit Tarifvertrag Weihnachtsgeld. Der Grund dafür ist, dass einige Tarifverträge eine Zahlung explizit vorschreiben. Die darf der tarifgebundene Arbeitgeber nicht kürzen. Anders sieht es bei übertariflichen Leistungen aus. Hier gilt das geschriebene Wort im Arbeitsvertrag.
Arbeitsrecht kennt keine freiwillige Zahlung
Verträge sind einzuhalten. „Wenn der Arbeitsvertrag festhält, dass Weihnachtsgeld gezahlt wird, dann muss der Arbeitgeber dafür einstehen. Und zwar dauerhaft“, erklärt Manuela Beck von der Kanzlei Hasselbach. Auch wenn es sich laut Vertrag um eine freiwillige Zahlung handelt, auf die der Arbeitnehmer keinen Anspruch hat. Ein solcher Passus ist nämlich ungültig. Selbst wenn es dem Betrieb schlecht geht, bleibt der Anspruch der Arbeitnehmre also bestehen.
„Um sich diesbezüglich abzusichern, fügen einige Arbeitgeber sogenannte Widerspruchsklauseln ein. In ihnen legt der Arbeitgeber fest, unter welchen Umständen der Anspruch eingeschränkt ist“, so die Fachanwältin für Arbeitsrecht. „Allerdings muss er dabei konkrete Gründe nennen.“ Allgemein schlechte Zeiten reichen als Argument nicht aus. Ein Grund wäre dagegen eine wirtschaftliche Notlage. In diesem Fall muss der Arbeitgeber auch nicht konkreter werden. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es angesichts der Vielzahl der möglichen wirtschaftlichen Entwicklungen nicht erforderlich sei, die „wirtschaftliche Notlage“ näher zu konkretisieren, etwa durch die Angabe eines Zeitraums, in dem Verluste vorliegen müssen (1 AZR 772/14).
Anspruch auf Weihnachtsgeld bei Kündigung und Krankheit
Auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt es auf die Klauseln im Arbeitsvertrag an. „Ein Unternehmen, das Treue belohnen möchte, kann festlegen, dass das Weihnachtsgeld nur an Mitarbeiter gezahlt wird, die bis Jahresende im Betrieb verbleiben. Oder es rückwirkend kürzen, wenn der Mitarbeiter vor bestimmten Stichtagen, wie z.B. dem 31.03. des Folgejahres ausscheidet“, kommentiert Beck.
Bei Zahlungen mit Mischcharakter, also solchen, die erbrachte Arbeitsleistung und künftige Betriebstreue vergüten, kann die Lage jedoch anders sein. So hat der zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts einem Controller Recht gegeben, der im September ausschied, und der 9/12 des Weihnachtsgeldes einforderte (10 AZR 848/12). Hier diente das Weihnachtsgeld auch einer Vergütung der im Laufe des Jahres geleisteten Arbeit. In derartigen Fällen seien Stichtagsregelungen wie die nach § 307 Abs.1 Satz 1 BGB unwirksam. „Das Weihnachtsgeld ist dann ein fester Teil der Vergütung, wenn der Tarif- oder Arbeitsvertrag eine Zahlung verbindlich und bedingungslos festgelegen“, erläutert Beck.
Wenn der Mitarbeiter über eine längere Zeit krankgeschrieben wurde, kommt § 4a des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) ins Spiel. Arbeitgeber dürfen demnach im Vertrag eine Kürzung der Leistungen für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit festlegen – wenn es sich dabei um Leistungen handelt, die sie zusätzlich zum Arbeitsentgelt erbringen. „Aber auch hier kann der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld nicht anteilig kürzen, wenn es ein fester Bestandteil der Vergütung ist“, so Beck.
Betriebliche Übung und Freiwilligkeitsvorbehalt
Auch ohne entsprechende Regelungen im eigenen Arbeitsvertrag können Arbeitnehmer in den Genuss von verlässlichen Zahlungen kommen. Nämlich dann, wenn sie das Weihnachtsgeld dreimal hintereinander ohne Vorbehalt und bedingungslos erhalten. Dann wird es zur sogenannten betrieblichen Übung. Und der Arbeitgeber muss weiterzahlen. Das Bundesarbeitsgericht spricht hier von einem Vertrauenstatbestand (10 AZR 281/08). Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber jedes Mal explizit darauf hinweist, dass es sich um eine Sonderzahlung handelt, und dass auch bei mehrmaliger Zahlung kein Anspruch besteht. Das wird z.B. so gemacht: „Die Zahlung von Gratifikationen oder sonstigen zusätzlichen Leistungen erfolgt freiwillig. Der Arbeitgeber entscheidet nach freiem Ermessen über die Zahlung. Auch bei wiederholter Zahlung entsteht kein Rechtsanspruch für die Zukunft.“
Diesen oder einen ähnlichen Freiwilligkeitsvorbehalt für Sonderzahlungen nutzen viele Arbeitgeber. Sobald die betriebliche Übung nämlich eingetreten ist, wirkt der Vorbehalt nicht mehr. Und auch Änderungskündigungen zur Kürzung von Entgeltansprüchen kommen für den Arbeitgeber nicht in Betracht.
Gleiches Recht auf Weihnachtsgeld für alle Mitarbeiter
Übrigens ist es nicht möglich, dass der Arbeitgeber nur bestimmte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen bedenkt. Für alle Mitarbeiter müssen die gleichen Bedingungen herrschen. „Wenn Vollzeitkräfte Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatslohns erhalten, haben Teilzeitkräfte ihrem Lohn und ihrer Stundenzahl entsprechend, denselben Anspruch. Es sei denn, es gibt sachliche Kriterien für die Besserstellung bestimmter Gruppen“, meint Beck. Die Beweisführung dürfte allerdings schwierig sein. So hatte eine Leichtmetallgießerei Angestellte gegenüber gewerblichen Arbeitnehmern bevorzugt. Und argumentierte, dass Angestellte in der Regel einen weitaus höheren Ausbildungs- und Qualifikationsstand sowie größeren Verantwortungsbereich haben, der sie auf dem Arbeitsmarkt begehrlich mache. Und dass es daher beschwerlich sei, sie zu ersetzen. Vor dem Bundesarbeitsgericht hat dieses Argument jedoch nicht gezogen (10 AZR 640/04).
Eine andere Form der Ungleichbehandlung gab es in einem niedersächsischen Betrieb: „Einige Tarifverträge staffeln die Höhe des Weihnachtsgeldes nach Betriebszugehörigkeit. Die Ausbildungszeit gehört dabei selbstverständlich dazu“, stellt Beck klar. Der beklagte Betrieb sah das anders, und hat sie einfach nicht auf die Betriebsdauer angerechnet. Das Arbeitsgericht Bielefeld hat dem heftig widersprochen (4 Ca 494/16). Der Arbeitgeber musste nachzahlen.
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