Wo keine Erben, da erbt der Staat
VDI nachrichten, Düsseldorf, 19. 11. 04 -Jedes Jahr werden hierzulande 200 Mrd. € vererbt. Doch was passiert mit Vermögen, wenn es keine Angehörigen gibt, oder wenn in den Unterlagen des Erblassers derartiges Chaos herrscht, dass Vermögenswerte kaum auffindbar sind?
Klein und unscheinbar ist die Anzeige der Friedhofsverwaltung München. „Wir bitten um telefonische Mitteilung, wenn sie Angehörige folgender Verstorbener kennen.“ Es folgen vier Namen, Vornamen, ihr Alter und Sterbedatum. „Manchmal finden wir über diese Anzeigen Angehörige“, sagt eine Mitarbeiterin der Behörde. Meist melde sich aber niemand. Etwa 500 Bestattungen im Jahr müsse die Behörde von Amts wegen veranlassen.
Gerade in Städten sterben viele Menschen völlig vereinsamt. Doch nicht nur alte Menschen bescheren den Behörden Arbeit. Auch alleinstehende Singles werden dann und wann aus dem Leben gerissen, ohne sich je Gedanken gemacht zu haben, was im Todesfall mit ihrem Vermögen geschehen soll. Nur 29 % der Deutschen haben laut einer Emnid-Umfrage ein Testament hinterlegt. Selbst unter den über Sechzigjährigen hat fast die Hälfte ihre Erbangelegenheiten nicht geregelt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Commerzbank AG Privat Banking in einer Umfrage unter vermögenden Kunden. Nur 51 % hatten ihren Nachlass bereits geordnet, weitere 30 % dachten zumindest darüber nach. Doch was passiert, wenn plötzlich ein Erbe ohne Erben auftaucht?
Zunächst geht der Fall ans Nachlassgericht, angesiedelt beim zuständigen Amtsgericht. Dort kümmern sich Spezialisten darum. „Im günstigsten Fall finden wir ein Testament“, erklärt ein Rechtspfleger aus einer norddeutschen Großstadt. Doch meist sei das nicht der Fall. Auch aktuelle Adressen potenzieller Erben seien meist nicht hinterlegt. Dann setze das Gericht einen Nachlasspfleger ein, der die Suche nach den Erben veranlasst. Allerdings, so räumt der Rechtspfleger ein, wägt er ab, ob sich das lohnt. Wenn nach Begleichen der Beerdigungskosten kaum etwas übrig bleibe, gehe das Geld an den Staat. Der hinterlegt es 30 Jahre lang, für den Fall, dass sich doch noch Erben melden.
Bleibt ein größeres Erbe ohne Erben, beauftragen die Nachlasspfleger oft Erbenermittler. So etwa Dr. Hans-Jürgen Noczenski, der über die Hobbygenealogie zu diesem Beruf kam. Der Geraer sucht die Erben auf eigenes Risiko, wobei er den Stammbaum des Verstorbenen um zwei bis drei Generationen zurückverfolgt, um dann anderen Familienzweigen zu folgen. Nicht selten entspinnt sich dabei eine weltweite Suche. Findet er Erben, stellt Noczenski ihnen das branchenübliche Honorar von 20 % des Nachlasses in Rechnung. In acht von zehn Fällen verläuft die Suche erfolgreich. Noczenski nimmt allerdings nicht alle Aufträge an. Erscheint ihm die Chance zu gering, oder der Aufwand gemessen am Vermögen zu groß, lehnt er ab. Auch dann erbt der Staat, sofern kein Anderer den Auftrag übernimmt. „Gerade bei kleinen Vermögen wird kaum recherchiert“, weiß Noczenski. Die Erbeinnahmen für den Fiskus würden sich durchaus summieren.
Auskunft über die Höhe ihrer Erbeinnahmen machen weder das Bundesfinanzministerium noch die Finanzkassen der Länder, denen die Gelder zufließen. Ein wenig offener sind Sparkassen und Versicherer – wenn auch sie keine Beträge nennen. Bei der Gothaer Versicherung kommt es kaum öfter als einmal im Jahr vor, dass ein verstorbener Kunde eine Lebensversicherung ohne Begünstigte hinterlässt. Dann stelle man die Auszahlungssumme zehn Jahre und länger zurück, erklärt eine Mitarbeiterin. Es komme auch vor, dass Angehörige den Tod eines Versicherten erst Jahre nach dessen Tod melden, weil sie es schlicht vergessen. Die Berliner Sparkasse räumt ein, dass die Konten einfach weiter laufen, wenn sie nichts vom Tod ihrer Kunden erfährt. Bekomme man einen Hinweis und es melden sich keine Erben, hinterlege man Vermögenswerte von Konten, Depots und aus Safes beim zuständigen Nachlassgericht.
Dr. Daniel Rohloff, Geschäftsführer des Deutschen Forums Erbrecht, kennt auch Fälle, in denen zwar Erben vorhanden sind, das Erbe aber derart kompliziert verteilt ist, dass es kaum aufgefunden werden kann. Es gebe Nummernkonten, die nie abgeholt würden und die sich die Banken nach einer gewissen Schamfrist einfach einverleiben. Das sei aber naturgemäß selten. Erben, die sich im finanziellen Wirrwarr ihres Erblassers nicht zurecht finden, aber noch unbekannte Konten vermuten, können entweder Banken abklappern oder Erbenermittler einschalten.
Vorsicht ist laut Rohloff geboten, wenn man als Erbe auf Schwarzgeld stößt, ob im In- oder Ausland. „Wer dieses Geld gegenüber dem Finanzamt verschweigt, begeht in der Regel Steuerhinterziehung“, warnt der Experte. Generell rät er, Erbfragen frühzeitig zu regeln der Zeitpunkt dafür sei spätestens dann gekommen, wenn man etwas zu vererben habe. Nur wer sich aktiv mit dem Vererben beschäftige, könne seinen Erben eine böse Steuerüberraschung ersparen.
PETER TRECHOW
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