Worauf müssen Freiberufler bei Aufträgen im Ausland achten?
Was gehört auf eine Rechnung innerhalb der EU? Müssen Freiberufler im Ausland Umsatz- oder Einkommensteuern zahlen oder gar mit einer Doppelbesteuerung rechnen? Hier finden selbstständige Ingenieure die wichtigsten Infos zu internationalen Aufträgen.
Bis vor einigen Jahren war das Thema Steuern für selbstständige Ingenieure, die auch im Ausland tätig werden möchten, kaum durchschaubar. Doch seit dem 1. Januar 2010 gibt es vereinfachte Regeln, zumindest innerhalb der Europäischen Union. Sie erleichtern es Freiberuflern erheblich, ihren Tätigkeitsradius auszuweiten. Trotzdem müssen Selbstständige einige Regeln beachten. Denn kleine Fehler können zu hohen Steuernachzahlungen führen.
Welche Voraussetzungen müssen Freiberufler für Aufträge in der EU erfüllen?
Selbstständige Ingenieure sind in der Regel Freiberufler. Das heißt, sie brauchen keinen Gewerbeschein und führen dementsprechend keine Gewerbesteuer ab. Das gilt allerdings nur, wenn sie klassische Ingenieur-Dienstleistungen anbieten, für die sie während ihres Studiums die nötige Qualifikation erworben haben. Als künftiger Freiberufler müssen Sie Ihre Selbstständigkeit anmelden und erhalten daraufhin eine Steuernummer. Mit dieser können Sie loslegen und innerhalb Deutschlands Rechnungen ausstellen. Zusätzlich können Sie die sogenannte Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen, falls Sie damit rechnen, dass Ihr Umsatz nicht über 17.500 Euro im Jahr liegen wird – das kann in der Aufbauphase durchaus zutreffen. In diesem Fall zahlen Sie keine Umsatzsteuer und weisen sie dementsprechend auch nicht auf Rechnungen aus.
Falls Sie planen, als Freiberufler auch im EU-Ausland Leistungen anzubieten, müssen Sie zusätzlich eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer beantragen (Ust-IdNr.). Sie ermöglicht es den Finanzämtern, Rechnungsstellungen ins Ausland nachzuvollziehen. Nur mit einer Umsatzsteueridentifikationsnummer können Sie die vereinfachten Verfahren bei der Berechnung der Umsatzsteuer nutzen. Für Rechnungen ins außereuropäische Ausland benötigen Sie die Ust-IdNr. zwar nicht, ein Antrag macht trotzdem Sinn, damit es bei eventuellen neuen Auftraggebern innerhalb der EU nicht zu Verzögerungen kommt.
Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für Rechnungen ins Ausland beantragen Sie als Freiberufler nicht bei Ihrem lokalen Finanzamt, sondern beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Den Antrag können Sie unkompliziert online auf den Seiten des BZSt ausfüllen. Das ist allerdings erst möglich, wenn Ihre Freiberuflichkeit vom Finanzamt erfasst wurde und Sie eine Steuernummer erhalten haben.
Wo zahlen Freiberufler Umsatzsteuer bei Leistungen im EU-Ausland?
Umsatzsteuer wird grundsätzlich dort fällig, wo die Leistung erbracht wird. Das klingt einfach, in der Praxis wird das für Freiberufler jedoch anders ausgelegt als viele denken. Mit dem Ort der Leistung ist nämlich die Betriebsstätte des Leistungsempfängers gemeint. Ein Beispiel: Ein freiberuflicher Ingenieur aus Deutschland berät ein Unternehmen in Frankreich, also im EU-Ausland, zu einem Bauvorhaben. Das Unternehmen hat dort auch seinen Sitz. Dann ist der Ort der Leistungserbringung für den Ingenieur Frankreich, auch wenn er als Freiberufler die Unterlagen in seinem Büro in Aachen zusammengestellt hat.
Reverse-charge-Regelung = Umkehr der Steuerschuld
Trotzdem muss der Freiberufler sich mit seiner Tätigkeit nicht im jeweiligen Ausland anmelden. Dazu hat die vereinfachte Steuergesetzgebung der EU geführt. Es gilt nämlich das Prinzip der sogenannten Reverse-charge-Regelung. Sie besagt, dass der Leistungserbringer die Umsatzsteuer selbst übernimmt und als Freiberufler in seinem Heimatland abführt. Umgekehrt ist es selbstverständlich genauso: Wenn sich der freiberufliche Ingenieur von einem Kollegen aus dem EU-Ausland unterstützen lässt, der als Subunternehmer eine Rechnung stellt, wird auf dieser keine Umsatzsteuer ausgewiesen.
Zusammengefasst: Sie stellen als Freiberufler an Auftraggeber im EU-Ausland nur Netto-Rechnungen. Trotzdem müssen Sie diese Einkünfte berücksichtigen, wenn Sie die Umsatzsteuer berechnen, die Sie ans Finanzamt zahlen. Selbstverständlich können Sie diese Umsatzsteuer dann auch für den Vorsteuerabzug nutzen.
Was schreiben Freiberufler auf eine Rechnung ins EU-Ausland?
Auf Ihren Rechnungen müssen Sie als Freiberufler zum einen anzeigen, dass Sie von dieser vereinfachten Regelung Gebrauch machen. Zum anderen ist es für das Finanzamt wichtig, dass es nachvollziehen kann, ob alle Angaben korrekt sind, der Leistungsempfänger also tatsächlich seinen Sitz im Ausland hat und so weiter. Deswegen sind folgende Angaben auf jeder Rechnung eines Freiberuflers ins EU-Ausland verpflichtend:
- Ihre eigene Umsatzsteueridentifikationsnummer
- die Ust-IdNr. des Leistungsempfängers, also Ihres Auftraggebers im Ausland
- ein Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuld in der Rechnung, wörtlich muss es heißen: „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“.
Was müssen Freiberufler bei Rechnungen ins nicht-europäische Ausland berücksichtigen?
Eine allgemeingültige Aussage ist hier leider nicht möglich. Welche Angaben Freiberufler auf ihrer Rechnung in Drittländer ausweisen müssen, hängt von der nationalen Steuergesetzgebung im jeweiligen Ausland ab. Manche Staaten, dazu gehört auch die Schweiz, haben eine ähnliche Regelung wie das Reverse-charge-Prinzip eingeführt. Wer in Deutschland wohnt und freiberuflich Aufträge für einen Kunden in der Schweiz leistet, stellt ebenfalls eine Netto-Rechnung aus. Auf die Angabe der Umsatzsteueridentifikationsnummer kann natürlich verzichtet werden. Sie gilt nur innerhalb der EU.
In manchen Ländern weicht das Steuerrecht zudem so stark von unserem ab, dass unter Umständen gar keine Umsatzsteuer fällig wird. Der Freiberufler muss sich also im individuellen Fall danach erkundigen, welche Regelungen im entsprechenden Ausland gelten. Ein guter Ansprechpartner für Informationen sind die Handelskammern vor Ort. Sinnvoll ist es für Freiberufler immer, entsprechende Rechnungen mit einem Zusatz zu versehen: „Nicht im Inland steuerbare Leistung“. So lassen sich Missverständnisse mit dem deutschen Finanzamt vermeiden.
Mit Ihrem Steuerberater sollten Sie besprechen, wie Sie Auslandseinkünfte in Ihrer Umsatzsteuervoranmeldung korrekt angeben. Auch dort wird bei Freiberuflern zwischen Aufträgen im EU-Ausland und in Drittländern unterschieden.
Welche Sonderregelungen gelten für freiberufliche Bauingenieure im Ausland?
Keine Regel ohne Ausnahme. In diesem Fall betrifft sie freiberufliche Ingenieure, die Leistungen anbieten, die sich im weiteren Sinne auf Grundstücke beziehen. Neben Bauingenieuren können davon beispielsweise auch Fachkräfte betroffen sein, die freiberuflich Energieberatungen anbieten. Was Bauingenieure verdienen, lesen Sie hier.
Grundsätzlich werden nämlich Leistungen, die im Zusammenhang mit einem Grundstück stehen, in dem Land erfasst, wo sich das Grundstück befindet. Freiberufliche Ingenieure, die im Ausland etwa ein Grundstück begutachten, einen Bauplan erstellen oder den Bau überwachen, sind also betroffen. Praktisch heißt das: Ihre Leistungen müssen die Freiberufler ausnahmslos ohne deutsche Umsatzsteuer abrechnen. Das klingt zunächst einmal einfach, es bezieht sich aber auch auf Rechnungen an Subunternehmer. Ein Beispiel: Ein deutscher Bauingenieur plant ein Projekt in den Niederlanden und lässt sich dabei von einem deutschen Kollegen unterstützen, der ebenfalls freiberuflich tätig ist. Der Kollege darf nun auf seiner Rechnung keine Umsatzsteuer ausweisen, obwohl beide unter das deutsche Steuerrecht fallen. Denn bei dem Projekt handelt es sich um eine Grundstücksleistung im Ausland.
Derartige Umsätze bleiben aber nicht einfach steuerfrei. Stattdessen gilt die Umsatzsteuer, die im jeweiligen Ausland fällig wird. Der freiberufliche Ingenieur wird sich daher in den meisten Fällen in dem entsprechenden Land steuerlich registrieren müssen, damit er diesen Steuersatz später auch abführen kann. Teilweise gibt es in diesem Bereich Reverse-charge-Vereinbarungen. Die sind aber selbst im EU-Ausland nicht durchgängig vorhanden. Deswegen ist es für Freiberufler im Grundstücksgeschäft unerlässlich, sich mit den zuständigen ausländischen Steuerbehörden in Verbindung zu setzen, um die Bedingungen zu klären. Zudem gibt es deutsche Steuerberater, die darauf spezialisiert sind, deutsche Freiberufler zu betreuen, die auch im Ausland tätig sind.
Wie vermeidet ein Freiberufler eine Doppelbesteuerung für seine Auslandseinkünfte?
Es gibt für Freiberufler verschiedene Modelle für die Arbeit im Ausland. Selbstständige Ingenieure sollten sich daher unbedingt an einen Steuerberater wenden, der Erfahrung mit der Versteuerung von Auslandseinkünften hat.
Wenn Sie als Freiberufler in Deutschland leben, werden Sie in der Regel Ihre Auslandseinkünfte auch hier versteuern. Die Definition für den Wohnsitz ist dabei klar geregelt. Der ist dort, wo Sie sich mehr als 183 Tage im Jahr aufhalten. Selbst eine kleine Wohnung im Ausland wäre für Sie als freiberuflicher Ingenieur also kein Problem, um beispielsweise Hotelkosten zu sparen. Sie müssen allerdings darauf achten, dass Sie die Wohnung insgesamt nicht länger als ein halbes Jahr, gerechnet auf zwölf Monate, nutzen. Sonst müssen Sie Ihre Auslandseinkünfte in dem Land versteuern, wo Sie sich hauptsächlich aufhalten. Falls dort die Steuersätze niedriger sein sollten, könnte das natürlich auch ein Vorteil sein. Dann müssten Sie jedoch tatsächlich Ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt als Freiberufler deutlich ins Ausland verlegen. Gegebenenfalls zweifelt das deutsche Finanzamt an, dass Sie sich hauptsächlich im Ausland aufhalten. Daher müssten Sie Nachweise bereithalten wie Flugtickets, Tankquittungen aus dem Ausland und so weiter.
Diese Regelungen gelten nicht nur für das EU-Ausland, sondern für die insgesamt über 70 Staaten, mit denen Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen hat. Es legt fest, dass Steuern jeweils nur in einem Land gezahlt werden. Eine Doppelbesteuerung lässt sich so vermeiden. Falls Sie eindeutig in Deutschland leben, zahlen Sie die Steuern auf Ihre Auslandseinkünfte auch definitiv ans deutsche Finanzamt.
Was gilt für Länder ohne Doppelbesteuerungsabkommen?
Ein Doppelbesteuerungsabkommen hat Deutschland nicht mit jedem Land abgeschlossen. Für die meisten freiberuflichen Ingenieure ist das nicht relevant, weil es sich eher um entfernt gelegene Staaten handelt. Die Akquise neuer Aufträge wäre entsprechend schwierig und findet daher oftmals nicht statt. Andererseits werden hoch spezialisierte Fachkräfte unter Umständen durchaus weltweit angefragt.
Sobald Sie freiberufliche Tätigkeiten in einem Land durchführen, das vom Doppelbesteuerungsabkommen ausgenommen ist, sollten Sie sich an einen spezialisierten Steuerberater wenden. Außerdem müssen Sie sich mit den Finanzbehörden vor Ort auseinandersetzen. Im Idealfall finden Sie einen Steuerberater, der sich mit den Gegebenheiten in dem entsprechenden Staat gut auskennt. Vermutlich kommt eine Doppelbesteuerung auf Sie zu. Das heißt: Die Auslandseinkünfte versteuern Sie in dem Land, wo die Leistung erbracht wurde. Die Inlandseinkünfte versteuern Sie in Deutschland. In den meisten Fällen ist es möglich, Ihr im Ausland bereits versteuertes Einkommen aus der Berechnung für die deutsche Steuerschuld herauszunehmen. Einbezogen werden diese Auslandseinkünfte dann allerdings trotzdem für die Steuerprogression. Das Finanzamt betrachtet also das gesamte Einkommen, um die Höhe des Steuersatzes festzulegen.
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