Beruf mit Zukunft: So wird man Meerestechniker
Für viele Menschen ist das Meer ein Sehnsuchtsort. Wer seiner Faszination für das große Nass nicht nur in der Freizeit nachgeben möchte, dem bietet dieser Lebens- und Wirtschaftsraum berufliche Perspektiven. Für Ingenieure hält etwa die Meerestechnik ein spannendes Berufsspektrum bereit.
Unsere Weltmeere machen über 70 Prozent der Erdoberfläche aus, die Tiefen der Ozeane beherbergen 95 Prozent des Lebensraums für Organismen auf unserem Planeten. Sie sind in vielerlei Hinsicht noch immer unerforscht – ein Grund, warum das Meer und das Leben darin eine enorme Anziehungskraft auf viele von uns ausübt. Als Luftatmer haben wir Menschen in diesem Habitat von Natur aus eigentlich keine Chance. Diesen biologischen Nachteil gleichen Meerestechniker mit technologischem Fortschritt aus.
Was macht ein Meerestechniker?
Vorweg: DEN Meerestechniker vorzustellen, fällt schwer, denn das Betätigungsfeld ist beinahe so weit wie das Meer selbst. Darin liegt aber auch der Reiz dieser Disziplin. „Die Meerestechnik gliedert sich in ganz viele Bereiche“, weiß auch Dr. Jan Schulz.
Und jeder dieser Bereiche schließe wiederum eine Fülle an Spezialisierungen mit ein. Weswegen der Professor für Maritime Technologien an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven, Fachbereich Ingenieurwissenschaften, für eine erste Annäherung auf die Definition der Gesellschaft für Maritime Technik (GMT) verweist:
„Die Meerestechnik entwickelt, produziert und verwendet Technologien für die Erforschung, den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Meere.“
In welchen Tätigkeitsfeldern kommt Meerestechnik zum Einsatz?
Ob Warenverkehr, Ressourcen wie Nahrungsmittel oder Rohstoffe – längst kommt dem Meer eine immense wirtschaftliche Bedeutung zu, und das internationale Interesse steigt. Gleichzeitig gilt es, die Ozeane zu schützen, schließlich stellen sie sensible Ökosysteme mit elementaren Funktionen für unsere Erde dar: Sie liefern die Hälfte des Sauerstoffs, den wir atmen, und regulieren unser Klima.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Meerestechnik als „Branche mit großem Zukunftspotenzial“ identifiziert und bereits 2011 den Nationalen Masterplan Maritime Technologien vorgestellt. Dieser konzentriert sich auf zehn Anwendungsfelder, in denen Expertise und Innovationen gefragt sind:
Unterwassertechnik:
Gerade mal 5 Prozent der Tiefsee gelten als erforscht. Was daran liegt, dass seegehende Expeditionen unter hohem Wasserdruck und in völliger Düsternis kostspielig und beschwerlich sind. Die Unterwassertechnik widmet sich der Entwicklung und Produktion von Unterwasserfahrzeugen und Tauchrobotern sowie ihrer Ausstattung mit beispielsweise Sensor-, Sonar- oder Batteriesystemen. Auch die Fertigung, Verlegung und Wartung von Seekabeln fallen in dieses Feld.
Offshore-Technik Öl & Gas:
Etwa ein Drittel der weltweiten Öl- und Gasmengen wird im Meer gewonnen – trotz des Ausbaus von erneuerbarer Energien ist davon auszugehen, dass künftig noch etliche fossile Lagerstätten im Ozean erschlossen werden. Mit dem global wachsenden Energiehunger steigen die Herausforderungen an die Technik, aber auch an die Sicherheit, da die Konzerne in immer tiefere Meeresregionen vorstoßen.
Offshore-Technik Wind:
Dem Bund nach soll der Anteil erneuerbarer Energien in der Stromversorgung bis zum Jahr 2030 auf 80 Prozent steigen. Eine Schlüsselrolle nehmen Windkraftanlagen im Meer ein – der deutsche Ausbau findet dabei 30 bis 40 Kilometer vor der Küste in einer Wassertiefe von rund 40 Metern statt. Diese Anlagen müssen unter Wasser ans Netz angeschlossen werden.
Meeresenergien:
Ob das Meer selbst einen signifikanten Beitrag zur Energiewende leisten kann, daran wird geforscht. Aus Wellen-, Strömungs- und Gezeitenkraftanlagen erzeugter Strom gilt zwar als Zukunftsmarkt, ist allerdings noch mit hohen Investitionen verbunden.
Berufsprofil Maschinenbau in Deutschland
Maritime Mess- und Umwelttechnik:
Unter diesem Sammelbegriff werden unter anderem Forschungs- und Anwendungsgebiete in der Ozeanografie, Hydrografie oder Meeresbiologie zusammengefasst, die dem Gesamtverständnis des „Ökosystems Meer“ dienen. „Hierfür braucht es Messgeräte und Datenprogramme, die sichtbar machen, was im Meer eigentlich passiert. Wir können ja nur bis zur Wasserlinie schauen“, erklärt Dr. Jan Schulz. Ein Forschungsziel ist in diesem Bereich die Prävention und Bekämpfung von Meeresverschmutzung.
Marine Verkehrsleit- und Sicherheitstechnik:
Ein Großteil des Welthandels wird über das Meer abgewickelt. Für die Verkehrssicherheit auf offener See, in Häfen und Offshore-Anlagen braucht es intelligente Monitoring- und Kommunikationssysteme.
Küsteningenieurwesen:
Das Meer ist kein abgeschlossener Raum, was man vor allem dann spürt, wenn es über die Ufer tritt. Der Anstieg des Meeresspiegels macht den Schutz von Küsten unweigerlich zu einem Zukunftsthema: Ingenieure bauen Deiche, Siele und andere Anlagen, schaffen Rückzugsflächen und bewerten Umwelteinflüsse.
Marikulturen:
Fisch- und andere Aufzuchten maritimer Organismen spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln – genießen aber unter ökologischen Gesichtspunkten nicht den besten Ruf.
Marine minerale Rohstoffe:
Neben Öl- und Gas werden weitere Rohstoffe aus dem Meer gefördert. Bislang findet Meeresbergbau vornehmlich im flachen Wasser statt, vor allem die Gewinnung von Sand ist hier zu nennen. Welches Rohstoffpotenzial in den Manganknollen und -krusten sowie Massivsulfidlagerstätten der Tiefsee schlummert, ist eine der relevanten Fragen in diesem Bereich.
Eis- und Polartechnik:
Extreme Bedingungen in arktischen Regionen stellen nochmal eigene Anforderungen an Schiffe und Geräte.
Wie und wo wird man Meerestechniker?
Die Meerestechnik ist eine studientechnisch vergleichsweise junge Disziplin, nicht zuletzt, weil viele der oben genannten Themenkomplexe, die ein breit aufgestelltes Systemverständnis erfordern, erst in den vergangenen Jahrzehnten in den öffentlichen Fokus gerückt sind. „Der Bekanntheitsgrad dieser hochspezialisierten Studiengänge mit weit gefächertem Einsatzfeld ist noch nicht so hoch“, gibt auch Dr. Jan Schulz zu. „Klassisch kommen viele Leute etwa über den Maschinenbau und andere Ingenieursdisziplinen in die Meerestechnik und stellen dann fest: Mehr marines Hintergrundwissen wäre wichtig und würde beim Verständnis helfen.“
Arbeitsplatz der Zukunft: Warum der Hafen immer wichtiger wird
Hier setzen Bachelor- und Master-Studiengänge wie Meerestechnik, Maritime Technologien oder Marine Engineering an, die je nach Standort unterschiedliche thematische Schwerpunkte in den Blick nehmen. Nicht selten gibt es Überschneidungen zur Schiffstechnik. Entsprechende Studienangebote stellen – wenig überraschend – die (Fach-)Hochschulen des Nordens wie in Bremen, Hamburg, Kiel, Oldenburg, Rostock, Wismar und eben Wilhelmshaven. Der älteste deutsche Lehrstuhl wurde 1973 an der TU Berlin gegründet.
Wie ist ein solches Studium organisiert?
„Der Unterbau des Bachelor-Studiums ist eine klassisch fundierte Ingenieurausbildung, dazu gehören Kenntnisse in Materialkunde, Konstruktion, Elektrotechnik, Mathematik und Physik“, erklärt Schulz. Parallel hierzu führen die Universitäten praxisorientiert über Projektmitarbeit an potenzielle Berufsfelder heran. In der Regel existieren Kooperationen mit Forschungseinrichtungen und -schiffen, die es den Studierenden ermöglichen, sich „die Hände nass zu machen.“
In späteren Semestern des Bachelor-Studiums und endgültig im Master schlagen die Studierenden die bevorzugte Fachrichtung ein. Die Jade Hochschule in Wilhelmshaven kooperiert beispielsweise eng mit der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, an der Absolventen den weiterführenden Studiengang Marine Sensorik belegen können.
Was sollten angehende Meerestechniker mitbringen?
Für Dr. Jan Schulz sind „ein gesundes Interesse am MINT-Bereich“ sowie an „rechnergestützten Methoden, einschließlich Programmierung und Datenauswertung“, gute Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium. An vorderster Stelle stehe natürlich die (Vor-)Liebe zum Meer, die idealerweise auch eine Fassungsgabe für ökologische und biologische Zusammenhänge einschließe: „Wenn ich später einmal für die Offshore-Industrie arbeite, ist es durchaus hilfreich zu wissen, welche Organismen mir gerade die Anlage bewachsen, warum sie das tun, was man dagegen machen kann und wie ich eine Anlage so plane, dass sich Probleme in Grenzen halten“, weiß der Professor für Maritime Technologien.
Wie sind die beruflichen Perspektiven für Meerestechniker?
„Ich kenne keinen, der arbeitslos ist“, leitet Schulz seinen Hinweis auf die guten Marktaussichten ein. Ob national oder international, in Forschung oder Industrie: Durch die enge Vernetzung habe man in Wilhelmshaven einen guten Überblick, wo und wie Alumni tätig seien.
Wirtschaftlich befindet sich die Meerestechnik auf Wachstumskurs: Laut einer Studie von Bundeswirtschaftsministerium und GMT aus dem Jahre 2021 arbeiten bundesweit 180.000 Menschen in dieser „Querschnittsbranche“, die einen Umsatz von 34,2 Milliarden Euro generiert. Im Strategieplan Maritime Agenda 2025 attestiert das Ministerium den deutschen Unternehmen und Forschungseinrichtungen aussichtsreiche Chancen, bei der „Entwicklung innovativer maritimer Technologien“ „international hohe Standards zu setzen“.
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