Wie wird man Umweltingenieur? „Kein Bienchen- und Blümchenfach“
Umweltingenieur ist ein Job mit Zukunft. Doch Interessentinnen und Interessenten sollten sich vor allem über eines im Klaren sein. Alle Infos zum Studiengang, Jobs und Gehalt.
Umweltingenieure stellen sich den globalen Herausforderungen unserer Zeit: Klimaschutz, Reduktion von Treibhausgasen und Schutz von natürlichen Ressourcen. Ingenieurwissenschaften werden dabei mit ökologischer Perspektive verbunden. Wir blicken auf den Beruf mit Zukunftsperspektive des Berufs. Technologischer Fortschritt und Umweltschutz sind keine Widersprüche. Umweltingenieurinnen und Umweltingenieure leisten einen wichtigen Beitrag, um Lebensraum von Menschen, Tieren und Pflanzen zu erhalten. Für Unternehmen werden Ingenieure der Umweltwissenschaften immer bedeutender, da sie ihnen einen Weg für eine nachhaltige und dennoch wirtschaftliche Produktion ebnen können. Wie wird man Umweltingenieur? Welche Berufschancen haben Umweltingenieurinnen? Und natürlich darf auch die Frage nach dem Gehalt nicht fehlen: Wie viel verdient man als Umweltingenieur?
Wir haben die die wichtigsten Fragen und Antworten.
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Was macht eine Umweltingenieurin oder ein Umweltingenieur?
Insgesamt ist das Umweltingenieurstudium noch recht neu. An der TH Lübeck gibt es ihn beispielsweise seit 2016, Norbert Reintjes hat den Studiengang mitentwickelt und leitet ihn heute. Er sagt: „Für rein technische Berufe habe ich vielleicht lieber einen Maschinenbauer oder eine Elektrotechnikerin. Bei uns geht es mehr um vernetztes Denken und Interdisziplinarität. Unsere Absolventinnen landen zum Beispiel in Unternehmen, die eine Umweltabteilung haben oder in Umweltbehörden, die gerade jetzt junge Leute brauchen.“
Umweltschutz – besonders vor Schadstoffen und Lärm – steht im Fokus der Tätigkeit. Ein Umweltingenieur nutzt technische Hilfsmittel, um eine nachhaltige Industrieproduktion zu schaffen. Die Lebensbedingungen für Mensch, Tier und Pflanzen stehen dabei im Zentrum. Umweltingenieure planen, entwickeln und überwachen dabei genauso wie Ingenieure aus anderen Disziplinen. Im Berufsalltag werden Sie als Umweltingenieurin oder Umweltingenieur …:
- … Schadstoffe messen (Luft, Wasser, Boden) und analysieren
- … Umweltschäden bewerten und Lösungen zur Behebung entwickeln
- … Konzepte für umweltfreundliche Produktionen erstellen
- … Systeme oder Anlagen zur Umweltanalyse entwickeln
- … Umwelttechnische Anlagen wie Kläranlagen, Biogasanlagen oder Luftreinhaltungstechnologien planen und warten
- … mit betrieblichen Umweltmanagementsystemen umgehen
Natürlich spielt der Bereich der Forschung hier eine besonders große Rolle, denn im Bereich der regenerativen Energien gibt es nach wie vor viele technische Herausforderungen. Wie kann durch Wind und Sonne gewonnene Energie gespeichert werden? Wie können Energieengpässe vermieden werden? Und welchen Anforderungen müssen Übertragungsnetze in Zukunft erfüllen? An solchen und ähnlichen Fragen arbeiten Umweltingenieure in wissenschaftlichen Berufen an Hochschulen und ähnlichen akademischen Einrichtungen.
Wie wird man Umweltingenieur?
Um Umweltingenieur zu werden, bedarf es eines Studiums. An vielen Fachhochschulen oder Universitäten können entsprechende Studiengänge belegt werden. Im Studium erhalten Studierende Grundlagen der Natur- und Ingenieurwissenschaften. Umweltrecht steht ebenfalls häufig auf dem Lehrplan. Kombiniert wird das Studium mit fachwissenschaftlichen Fächern wie Umweltmanagement oder erneuerbare Energiewirtschaft.
„Wir haben sehr engagierte Studierende. Ich nehme es durchaus wahr, dass viele der jungen Frauen und Männer von der Sorge um das Klima getrieben sind, wenn sie sich für das Studium einschreiben”, erzählt Norbert Reintjes von der TH Lübeck. Das Umweltingenieurwesen versteht sich als fächerübergreifend. Reintjes selbst ist Biologe, hat aber unter anderem auch in der Entwicklungszusammenarbeit und für eine NGO gearbeitet. “Mir ist in meiner Laufbahn immer klarer geworden, dass wir eine Interdisziplinarität brauchen, dass Menschen zusammenarbeiten müssen, die von sich aus vielleicht nicht unbedingt aufeinander zugehen würden. Es geht nur zusammen, wenn man etwas voranbringen will”, sagt er.
Umweltingenieurwesen: „Kein Bienchen- und Blümchenstudiengang“
„Wenn man zum Beispiel die Mindestanforderungen an die Energieeffizienz eines Kühlschranks definieren will, dann reicht es nicht, nur die Technik zu verstehen. Sondern man muss auch wissen: Wo sind die Märkte, wo die Arbeitsplätze, wie kann die Marktüberwachung funktionieren.“ Vor allem in den höheren Semestern würden die Studierenden deshalb sehr projektorientiert und an aktuellen Themen arbeiten. “Zum Beispiel könnten sie sich Gedanken über die neuen Energieverbrauchskennzeichnungs-Vorgaben der EU machen“, erklärt der Studiengangsleiter.
Zu Beginn geht es beim Studium in der Regel aber um klassische Ingenieurwissenschaften. “Dazu kommt Biologie und später dann immer mehr Umwelttechnik und Umweltmanagement“, sagt Reintjes. Das gilt für die allermeisten anderen Hochschulen auch. Wer Umweltingenieurin oder Umweltingenieur werden will, sollte also Spaß an Mathematik, Physik und Technik haben.
„Ich versuche schon, Interessierten den Zahn zu ziehen, dass das ein Bienchen- und Blümchenstudiengang ist. Das ist es nicht. Das ist vor allem am Anfang echtes Ingenieurwesen. Wenn man sowas wie Physik oder Strömungslehre nicht mag, hat man es schwer“, stellt Norbert Reintjes klar.
„Wenn es dann später um Ökobilanz und Umweltbewertung geht, lege ich Wert darauf, dass das keine Schwafelfächer sind. Das sind genau zu definierende Analysen mit entsprechenden Instrumenten. Das ist nicht Wir-sollten-mal-was-tun-Gerede.“
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30 Creditpoints gilt es an der TH Lübeck pro Semester zu erzielen. “Das ist schon was”, sagt Reintjes. Es gebe immer auch einige Abbrecher, aber das sei in Ordnung. “Letztes Semester haben wir 53 Studierende aufgenommen, von denen sind fast 50 noch aktiv dabei. Das ist eine gute Quote.“
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Auch weil der Studiengang noch relativ neu ist, sind die Gruppen an vielen Hochschulen relativ klein. So auch in Lübeck. „Ich habe einige Studierende vor Augen, die das in Regelstudienzeit geschafft haben und jetzt in guten Jobs sind. Das Schöne bei uns ist, dass wir in kleinen Gruppen arbeiten. In der Regel kenne ich alle Studierenden spätestens ab dem dritten Semester mit Namen und weiß, wer wie tickt. Auch wenn Corona gerade leider ein wenig den Kontakt nimmt”, sagt Norbert Reintjes.
Es würden etwa gleich viele Frauen wie Männer Umweltingenieurwesen und -management an der TH studieren. “Und um das direkt zu sagen: Es ist entgegen dem Vorurteil absolut nicht so, dass Frauen sich eher für weichere Themen und Männer für technische interessieren.“
Wo kann man Umweltingenieurwesen studieren?
In Deutschland gibt es insgesamt 34 Studiengänge (z.B. Umweltingenieurwesen, Umweltingenieurwissenschaften, Wasser- und Bodenmanagement, Umweltmanagement) an 22 Hochschulen:
- RWTH Aachen
- Beuth Hochschule für Technik Berlin
- Uni Bochum
- TU Braunschweig
- TU Hamburg
- Uni Hannover
- Hochschule Karlsruhe
- HTWG Konstanz
- TH Lübeck
- TU München
- Uni Rostock
- BTU Cottbus
- TU Darmstadt (und Hochschule Darmstadt)
- THD Deggendorf
- Hochschule Hof
Uni Stuttgart - TH OWL Höxter
- Uni Magdeburg
- Ostfalia Hochschule Suderberg (und Wolfenbüttel)
- Hochschule Weihenstephan-Triesdorf Weidenbach
- Uni Weimar
Wo können Umweltingenieure arbeiten?
Das Spektrum an Branchen und Unternehmen, in denen Umweltingenieure Karriere machen können, ist groß. Zum Beispiel kann ein Umweltingenieur in der Energiebranche Karriere machen. Regenerative Energietechnik gewinnt immer mehr an Bedeutung. Als angehende Umweltingenieurin oder angehender Umweltingenieur können Sie sich im Laufe Ihres Studiums entsprechend spezialisieren. Jobs gibt es weltweit: Zahlreiche Unternehmen und auch Energieriesen steigen in den Markt ein.
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Als Umweltingenieur entwickeln und bauen Sie die Anlagen, die für die Erzeugung und Weiterleitung erneuerbarer Energien notwendig sind. Andere Bereiche liegen in der Beratung: Gute Karrierechance gibt es im Energiebereich deshalb nicht nur bei Produzenten und Betreibern von Energieanlagen, sondern auch in Behörden und Regierungsstellen oder bei Umweltschutzeinrichtungen. Wer nach dem Studium lieber in der Forschung bleiben möchte, entwickelt im Berufsalltag neue Umwelttechnologien oder analysiert Verfahren in universitären Einrichtungen.
Grundsätzlich gilt: Ob im Bereich Windenergie, bei Solarunternehmen oder Dienstleistern, die Berufschancen sind vielfältig. In diesen Aufgabengebieten können Umweltingenieure zum Beispiel tätig sein:
- Gewässerschutz
- Recycling
- Luftreinhaltung
- Energienutzung
- Klimaschutz
- Ver- und Entsorgungswesen
- Prozessoptimierung im Maschinen- und Anlagenbau
- Konzeption von energieeffizienten Gebäuden
Aktuell werden immer mehr Stellen im Bereich Umweltingenieurwesen ausgeschrieben – aber auch mit einer Initiativbewerbung können Sie Erfolg haben.
Welche Skills sollte ein Umweltingenieur haben?
Jakob Hildebrandt, der eine Professur für betrieblichen Umweltschutz und Nachhaltigkeit an der Hochschule Zittau/Görlitz innehat, sagt gegenüber ingenieur.de, dass Umweltingenieure umfassende Kenntnisse im Umweltrecht haben sollten. Begleitet wird dies durch “sehr gute Fähigkeiten” im Projektmanagement.
“Für einen Umweltingenieur ist es unerlässlich, sich schnell in komplexe Sachverhalte einarbeiten zu können”, sagt Hildebrandt.
Nur so können Lösungen in interdisziplinären Teams erarbeitet werden. Umweltingenieure sollten technikaffin sein, aber auch gute Kommunikatoren. Ein ausgeprägtes Prozessverständnis von thermischen, biologischen, chemischen, mechanischen und ökologischen Prozessen stellt die Basis dar.
Was verdient man als Umweltingenieur?
Berufseinsteiger können mit einem jährlichen Bruttogehalt zwischen 34.000 und 45.000 Euro rechnen. Je nach Branche, Unternehmensgröße und Standort kann das Gehalt variieren. Unsere ingenieur.de Gehaltsstudie verrät, wieviel Geld drin ist.
Entwicklungschancen für Umweltingenieure: Wie zukunftsträchtig ist der Job?
Umweltingenieure blicken auf gute Karriereaussichten, da sie zu den “grünen” Jobs – also zu den begehrtesten Fachkräften – zählen. Umweltproblematiken gibt es weltweit, sodass Umweltingenieure durchaus eine steile Karriere im Ausland starten können.
“Der Job erfordert lebenslanges Lernen, zum Beispiel in den Bereichen Produktinnovationen, Prozessautomatisierung und Biodiversität”, erklärt Professor Jakob Hildebrandt.
Der Job als Umweltingenieur eröffne die Möglichkeiten, sich eigenständige berufliche Nischen zu erschließen und gleichzeitig sehr generalistisch als Systemingenieur verschiedenste Berufsprofile abzudecken.
“Daher handelt es sich um ein sehr zukunftsträchtiges Berufsfeld, insofern die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen bei Absolventen ausgeprägt und selbstverständlich ist”, schließt Hildebrandt ab.
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