Die Ingenieurwissenschaft des Genusses: Wie werde ich Bierbrauer?
Ein Prosit aufs Studium! Bier brauen und damit den Grundstein für die Karriere legen – eine Traumvorstellung für viele junge Menschen. Aber muss man sich dafür wirklich an einer Uni einschreiben?
Am 6. August ist der Internationale Tag des Bieres. Bier ist das beliebteste Getränk der Deutschen. Doch haben Bierbrauer das Rezept für den Gerstensaft auch erfunden? Wir liefern Fakten und haben einem waschechten Bierbrauer über die Schulter geschaut.
Morgens wirft der Brauer etwas Hopfen und Malz in seinen Kessel, ein paar Stunden – „Oans, zwoa, g’suffa!“ – später öffnet er dann das erste Fläschchen. Nein, ganz so einfach ist es nicht. Bierbrauen ist Handwerk, eine Wissenschaft für sich, manche sagen gar, es handle sich dabei um eine Kunstform.
Wer als Brauer sein Geld verdienen möchte, hat viele Möglichkeiten, in den Beruf zu kommen: eine Ausbildung in einem Betrieb, ein Studium an einer Hochschule oder – die Option für Abenteuerlustige und Quereinsteiger – einfach mal machen.
Bierbrauer werden: „Viele Wege führen zum Bier“
So wie Ferdinand Laudage. Der 38 Jahre alte Dortmunder ist Autor von Büchern wie „Craft-Bier einfach selber brauen“ oder „50 Craft-Bier-Rezepte“. Er sagt: „Viele Wege führen zum Bier – und jeder kann brauen.“ Sein Wissen hat er sich am heimischen Herd rangeschafft. 2013 hat Laudage damit angefangen. Unzählige Biere hat er kreiert und seinen Freunden zum Probieren angeboten.
Seit 2015 beschäftigt sich Ferdinand Laudage hauptberuflich mit dem Thema Bier. Er schreibt für Fachmagazine, bietet Brau-Seminare an und lädt zu Verkostungen. Momentan, wegen der Corona-Pandemie, jedoch nur via Webcam. Was nun der Königsweg in den Brauer-Beruf ist, da möchte sich Ferdinand Laudage nicht festlegen. Von einer Sache ist er jedoch überzeugt: „Die Brau-Basics kann sich zwar jeder selbst aneignen. Wenn man aber über viele Jahre kommerziellen Erfolg haben will, muss man jemanden haben, der sich mit dem Thema noch besser auskennt und einem die Feinheiten beibringt.“
Die 10 größten Brauereien der Welt
B.A. Bierbrauer: Brautechnologie studieren
Volker Müller-Schollenberger ist so jemand. Der 55-Jährige ist Professor an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Er sagt: „Wer sich für die Getränketechnologie interessiert oder das Brauen lernen will, bekommt in unserem Studiengang eine breit gefächerte Ausbildung, die ihm viele Wege in die Branche ermöglicht“. Mit seinen Kollegen ist Volker Müller-Schollenberger verantwortlich für rund 300 junge Menschen, die sich für den Bachelor-Studiengang „Brau- und Getränketechnologie“ eingeschrieben haben. Jedes Jahr bewerben sich rund 200 Brau-Interessenten bei der bayrischen Hochschule. Jeweils zum Wintersemester werden maximal 90 Plätze vergeben.
Wenn Volker Müller-Schollenberger den Studiengang vorstellt, räumt er gleich zu Beginn mit einem Vorurteil auf: „Brau- und Getränketechnologie – das ist nicht nur Biertrinken und Feste feiern, sondern auch Mathematik, Chemie und Physik“. Abschrecken möchte er mit diesen Worten niemanden.
„Unser Studiengang ist sehr praxisnah ausgerichtet. Aber der ,deutsche Ingenieur’ ist nun mal ein Qualitätsbegriff. Da gehört eine solide naturwissenschaftliche Ausbildung unbedingt dazu.“
Der Blick auf den Studienplan zeigt, welche Inhalte in den sechs Semestern an der Hochschule vermittelt werden. Natürlich brauen die Studierenden ihr eigenes Bier. Sie beschäftigen sich aber auch mit den Rohstoffen und sämtlichen Prozessen in der Brauerei, und sie lernen andere Bereiche der Getränkeindustrie kennen, etwa Mineralwässer, Erfrischungsgetränke oder Säfte. Im Labor experimentiert der Brauer-Nachwuchs mit Mikroskop, Pipette, Petri-Schale und modernen Analysegeräten, damit er chemisch-technische oder mikrobiologische Untersuchungen durchführen kann. Hinzu kommen Fächer wie Statistik und BWL. Und in Sensorik-Seminaren werden die Geschmacksnerven geschult.
Dieses Bier wird von Künstlicher Intelligenz gebraut
Prost: Bierverkostung in der Uni
„Gerade die Sensorik-Kurse sind bei den Studierenden sehr beliebt“, berichtet Volker Müller-Schollenberger. Pro Sitzung werden neben verschiedenen Getränken auch schon mal bis zu 20 verschiedene Biere verkostet. „Das geht dann aber nicht zu wie am Stammtisch“, sagt der Professor. Die Studenten machen sich Notizen, und sie diskutieren die Stärken, Schwächen und Besonderheiten der Biere. „Die Teilnahme ist natürlich freiwillig. Niemand wird gezwungen, im Sensorik-Kurs Bier zu trinken. Die Studierenden können das Bier auch jederzeit einfach ausspucken. Aber das macht ja keiner.“
Gestartet ist der Bachelor-Studiengang „Brau- und Getränketechnologie“ in Weihenstephan-Triesdorf im Jahr 2011. Heute ist er ein Teil der Bioingenieurwissenschaften. Im Angebot sind auch duale Varianten, bei denen die Studierenden unter anderem im sogenannten Verbundstudium eine zusätzliche Ausbildung in Brauereien oder Betrieben absolvieren können. „Brauereien brauchen Leute, die praxisnah ausgebildet werden – und genau das machen wir hier“, ergänzt Volker Müller-Schollenberger.
Wann wurde das erste Bier gebraut?
Seit Menschen Getreide anbauen, gibt es auch Bier. Vor Tausenden Jahren war das Gebräu in Mesopotamien, dem Land zwischen Euphrat und Tigris, beliebt. Neun Bier-Sorten soll es bereits gegeben haben, die vor allem aus Gerste und Emmer, einer Weizenart, produziert wurden. Das Handwerk des Bierbrauens gelangte über die Babylonier nach Ägypten. 3.000 vor Christus soll es die ersten Gemeinschaften gegeben haben, die zusammen Bier tranken – wie in einer heutigen Kneipe. Ab wann brauten die Germanen den Gerstensaft?
Der älteste Hinweis stammt aus Kulmbach in Bayern. Bierkrüge aus der Zeit um 800 vor Christus wurden dort von Archäologen gefunden. Heute gibt es in Deutschland mehr als 1.500 Brauereien mit circa 6.000 Marken.
Vielfältige Karrierechancen als Biertechnologe
Welchen Berufsweg die Absolventen des Studiengangs „Brau- und Getränketechnologie“ einschlagen, hänge von ihren Interessen ab. Die Arbeit in einer Brauerei sei natürlich der Klassiker, aber auch in der gesamten Getränkeindustrie, in Zulieferbetrieben, bei Maschinenherstellern, in Mälzereien und bei Hopfenbetrieben kommen sie unter. „Einer unserer Absolventen arbeitet als Braumeister auf einem Kreuzfahrtschiff, ein anderer in einer Brauerei in Australien – als Brau- und Getränketechnologe, der in Deutschland ausgebildet wurde, kann man auf der ganzen Welt arbeiten“, sagt der Professor.
Aber braucht es dafür wirklich ein Studium? „Wer studiert hat, schaut über den eigenen Tellerrand hinaus und profitiert von seinem vertieften Wissen“, sagt Volker Müller-Schollenberger. Zudem könne das universitäre Abschlusszeugnis die Eintrittskarte sein für die eigene Karriere bis hin zu einer Führungsposition. „Aber, Achtung, wir bilden hier in erster Linie Fachleute aus – und keine. Nur weil man studiert hat, wird man nicht automatisch der Chef von morgen.“
Brauwesen studieren
Das Brauwesen-Studium wird nur von wenigen Hochschulen in Deutschland angeboten. An der TU München können Studenten zum Diplom-Braumeister werden – es ist der einzige Studiengang, der sich ausschließlich auf das Bierbrauen konzentriert. Neben der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ist auch die TU Berlin eine Option für angehende Brauer.
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