Arbeitszeugnis: Floskeln sind nicht alles
Zum Entstehungsprozess eines Arbeitszeugnis‘ in Deutschalnd kann man sehr unterschiedlicher Meinung sein. Vermutlich in keinem anderen Land der Welt wird so viel Energie verwendet, dem ausscheidenden Mitarbeiter ein oder kein Gütesiegel für seine weitere berufliche Zukunft aufzudrücken.
Grotesk wird es, wenn ein Personalreferent, der mit dem zu Beurteilenden niemals zusammengearbeitet hat, letztlich den Stab über ihn bricht. Natürlich läuft alles in Abstimmung mit dem Vorgesetzten des Mitarbeiters, aber bei welcher Führungskraft steht schon das Thema Arbeitszeugnis auf der Prioritätenliste ganz oben? Als Resultat zeigt sich, vorsichtig ausgedrückt, ein unzutreffendes Zeugnis, gegen das sich der be- oder verurteilte Mitarbeiter häufig zur Wehr setzt.
Um von vornherein aufwendige Verbesserungsaktionen am Arbeitszeugnis und große Streitigkeiten, möglicherweise mit Arbeitsgerichtsprozess, zu vermeiden, bürgert sich in vielen Unternehmen eine andere Praxis ein. Das Arbeitszeugnis wird unter starker Einbindung des ausscheidenden Mitarbeiters geschrieben oder dieser schreibt sein Arbeitszeugnis gleich selbst. Letztlich gilt für jeden Vorgesetzten: Nichts ist unwichtiger als der ausscheidende Mitarbeiter! Warum also Zeit und Nerven investieren?
Im Arbeitszeugnis auf fachliche Inhalte konzentrieren
Schreibt die ausscheidende Fach- oder Führungskraft das Arbeitszeugnis selbst oder wirkt sie maßgeblich daran mit, kann es zu folgeschweren Fehlern kommen, gerade was die fachlichen Inhalte des Zeugnisses angeht. Die meisten Schreiber konzentrieren sich auf die vermeintlich entscheidenden Floskeln, die unbedingt im Zeugnis auftauchen sollten, z.B. Arbeitsleistungen, die stets zur vollsten Zufriedenheit erbracht wurden, die immer einwandfreie Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen, das außerordentliche Bedauern des Ausscheidens usw.
Ohne Zweifel, dies sind alles wichtige Punkte in einem guten oder sehr guten Arbeitszeugnis – oft werden die dokumentierten Aufgaben, Projekte, Verantwortlichkeiten, Arbeitsergebnisse fälschlicherweise als sekundär betrachtet. Das selbst geschriebene Arbeitszeugnis wird zum Produkt, bei dem die Verpackung stimmt, der Inhalt aber nicht überzeugt!
Strategische Überlegungen zum Arbeitszeugnis anstellen
Wenn schon einmal die Chance besteht, das Arbeitszeugnis maßgeblich (mit) zu gestalten, sollte der Inhalt genau überlegt werden. Er kann dabei unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden. Zum einen kann der lückenlose Nachweis der Vergangenheit im Mittelpunkt stehen, zum anderen strategische Überlegungen.
Der Vergangenheitsnachweis im Arbeitszeugnis ist zwar schön, bringt aber für die Zukunft wenig. Vielleicht kann man sich das Zeugnis als Urkunde an die Wand hängen und mit stolz geschwellter Brust auf die Vergangenheit zurückblicken. Karrieretechnisch ist das aber nicht klug. Die Frage muss sein: Wie kann mir das Zeugnis in Zukunft weiterhelfen, d.h. bei einem nächsten Karriereschritt bzw. Stellenwechsel?
Inhalte im Arbeitszeugnis sauber selektieren
Es ist ja kaum möglich, alle Aufgaben und Projekte, an denen der Ingenieur mitgearbeitet hat, im Detail im Arbeitszeugnis zu dokumentieren. Daher ist Selektion angesagt, d.h. nur solche Dinge sollten dokumentiert werden, die bei zukünftigen Stellenwechseln Vorteile bringen könnten: Aufgaben, Projekte, Verantwortlichkeiten, Arbeitsergebnisse! Was das heißt, soll beispielhaft demonstriert werden. Ein erfolgreicher Vertriebsingenieur wird zum stellvertretenden Geschäftsfeldleiter ernannt, d.h. in Abwesenheit des Leiters übernimmt er die Führung des Vertriebsteams mit 10 Mitarbeitern. Irgendwann kommt es zur Umstrukturierung – ein willkommener Anlass, um ein Zwischenzeugnis zu fordern. Der Ingenieur darf dies selbst schreiben. Sein Entwurf wird im Grunde dann nur noch vom Vorgesetzten und der Personalabteilung unterschrieben.
Da sich der Verkaufsingenieur im Unternehmen nicht weiterentwickeln kann, bewirbt er sich anderweitig um eine Führungsposition. Im Lebenslauf und im Anschreiben erwähnt er, dass er Führungserfahrung als stellvertretender Geschäftsfeldleiter gesammelt hat. Dummerweise taucht diese Funktion im sonst sehr guten Arbeitszeugnis nicht auf – ein wichtiger Nachweis der Führungserfahrung fehlt
Arbeitszeugnis: Fachlicher Inhalt ist wichtig
Den gleichen Fall einmal anders betrachtet. Der besagte Ingenieur hat Führungsluft geschnuppert und keinen Spaß daran gefunden. Zukünftig möchte er seine Karriere fachlich fortsetzen. Richtigerweise bleibt die stellvertretende Geschäftsfeldleitung im Arbeitszeugnis unerwähnt. Ansonsten könnten sich viele Personaler fragen, weshalb jemand mit erster Führungserfahrung plötzlich wieder den reinen Sachbearbeiterjob anstrebt und den Karriereknick in das Zeugnis hineininterpretieren.
Der fachliche Inhalt im Arbeitszeugnis ist genauso wichtig wie die Bewertungsfloskeln. Aufgaben, Projekte, Techniken, Arbeitsmethoden, IT-Programme, die bei zukünftigen Stellenwechseln Vorteile bringen könnten, sollten auf jeden Fall dokumentiert werden. Im Sinne der eigenen Karriereplanung wenig zielführende Fakten und historische Schätzchen sollten dagegen am besten unerwähnt bleiben.
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