Bewerbung: Sind Referenzen das neue Arbeitszeugnis?
Hat das klassische Arbeitszeugnis ausgedient? Referenzen gewinnen an Bedeutung – vor allem in technischen Berufen. Ein Karriereexperte verrät, was wirklich in die Bewerbung gehört.
Referenzen werden wichtiger. Nur: Wie holt man diese ein, damit sie einem auch wirklich weiterhelfen? Welche Anforderungen sollte der Referenzgeber erfüllen? Wer bietet sich dafür an? Was sollten Ingenieure und Ingenieurinnen besonders beachten? Fragen über Fragen. Gunnar Szymaniak, Experte auf diesem Gebiet, gibt Antworten.
ingenieur.de: Gewinnen Referenzen gegenüber dem Arbeitszeugnis an Relevanz?
Gunnar Szymaniak: Diese Frage setzt voraus, dass man Referenz und Arbeitszeugnis klar unterscheidet. Der entscheidende Unterschied ist, dass die Referenz freiwillig ausgestellt wird, während Arbeitgeber in Deutschland zur Ausstellung von Arbeitszeugnissen verpflichtet sind.
Als ich vor fast 20 Jahren anfing, mich intensiv mit dem Thema zu befassen, habe ich erwartet, dass Referenzen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dafür würde es gute Gründe geben, insbesondere:
- Ein großer Anteil der Arbeitszeugnisse wird inzwischen mittels Software formuliert, als relativ simple und unpersönliche Aneinanderreihung von Phrasen. Also könnte man annehmen, dass Arbeitnehmer verstärkt nach zusätzlichen Referenzen fragen.
- Die Bedeutung von selbständiger Arbeit hat zugenommen und Selbständige haben in der Regel keinen Zeugnisanspruch. Für Angestellte von Zeitarbeitsfirmen können Referenzen der Entleihbetriebe – zusätzlich zum Arbeitszeugnis der Zeitarbeitsfirma – ebenfalls hilfreich sein. Auch Spezialisten, die hauptsächlich außerhalb des eigenen Unternehmens beim Kunden eingesetzt sind, können oft durch den Kunden glaubwürdiger beurteilt werden.
- Die Internationalisierung und die Bedeutung der englischen Sprache haben zugenommen, damit auch der Einfluss der Beurteilungspraxis im angloamerikanischen Sprachraum. Dort wird ja traditionell die freiwillige Ausstellung von Referenzen praktiziert.
Trotz dieser Gründe habe ich in meinem Umfeld keinen deutlichen Anstieg des Interesses an Referenzen festgestellt. Abhängig Beschäftigte haben nach wie vor den Rechtsanspruch auf das Arbeitszeugnis, welcher durch eine Referenz nicht erfüllt wird (es sei denn, die Referenz erfüllt alle rechtlichen Anforderungen, die an ein Arbeitszeugnis gestellt werden). Außerdem kann es genügen, bei Bewerbungen geeignete Personen als Referenzen anzugeben anstatt sich von diesen schriftliche Referenzen ausstellen zu lassen. Und Selbständige haben durch die neuen Medien vielfältige Möglichkeiten, auf zufriedene Kunden hinzuweisen.
Referenzen: Zeugnisse vor allem in englischer Sprache
Es gibt also keinen Trend zu Referenzen?
Schon. Ich sehe vermehrt Zeugnisse in englischer Sprache, die von Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz für einheimische Arbeitnehmer ausgestellt werden. Und weil sich das sprachlich stark systematisierte deutsche Arbeitszeugnis nicht direkt ins Englische übertragen lässt, sind diese englischen Zeugnisse von der angloamerikanischen Praxis beeinflusst, also tendenziell individueller, persönlicher und lobender formuliert. Von einzelnen Arbeitnehmern habe ich gehört, dass diese ein englisches Zeugnis angefordert haben, weil dieses dann nicht von der Zeugnissoftware der Personalabteilung formuliert wird, sondern tatsächlich vom Vorgesetzten. Das geschieht allerdings nur in Unternehmen, in denen Englisch die Geschäftssprache ist, in der Regel in Tochtergesellschaften internationaler Konzerne.
Was sollte im Arbeitszeugnis stehen? Welche Formulierung ist wichtig? Erfahren Sie es hier: Muster: Formulierungen für Ihr Arbeitszeugnis
Welche Anforderungen sollte der Referenzgeber erfüllen? Wer bietet sich dafür an?
Wer eine Referenz ausstellt, sollte erstens unabhängig vom Empfänger sein, sodass er frei urteilen kann. Zweitens sollte er die fachliche Kompetenz haben, um die Arbeit des Empfängers zu beurteilen. Drittens sollte er den Empfänger und dessen Arbeit gut kennen. Wenn der Aussteller einer Referenz hinsichtlich Fachwissen, Bekanntheitsgrad beziehungsweise Macht weit über dem Empfänger steht, kann eventuell schon ein kurzes Referenzschreiben hilfreich sein. Ein langer und detaillierter Text könnte in so einem Fall weniger glaubwürdig wirken, wenn man davon ausgeht, dass der Aussteller dafür keine Zeit hat. Falls Aussteller und Empfänger der Referenz sich eher auf Augenhöhe befinden, kann die Referenz weniger glaubwürdig wirken. In diesen Fällen kann es sinnvoll sein, im Text anhand von Fakten klar und deutlich zu zeigen, wie und warum die Arbeit des Empfängers für den Aussteller von Nutzen war.
Bewerbung: Was schreibt man bei Referenzen?
Was gehört – inhaltlich und formal – in eine Empfehlung, die Teil der Bewerbungsunterlagen ist?
Es gibt hier keine festen Regeln. Außer vielleicht die eine, dass man es den Lesern möglichst leicht und angenehm machen sollte. Der Text sollte schon auf den ersten Blick übersichtlich und strukturiert wirken, ordentlich formatiert sein und nicht durch seinen Umfang abschrecken. Und er sollte die Informationen enthalten, die den Lesern eine Einschätzung des Empfängers ermöglichen. Also insbesondere:
1. Voller Name des Empfängers
2. Grund für die Ausstellung der Referenz
3. Zeitraum, in welchem der Aussteller den Empfänger beobachtet bzw. mit diesem zusammengearbeitet hat
4. Art der Zusammenarbeit bzw. Abhängigkeitsverhältnis des Empfängers vom Aussteller
5. Arbeitsresultate bzw. besondere Erfolge des Empfängers aus Sicht des Ausstellers
6. Ausdruck des Dankes bzw. der Freude über die Zusammenarbeit
7. Eine klare Empfehlung des Empfängers
8. Datum der Ausstellung
9. Unterschrift des Ausstellers und Angabe von dessen vollem Namen und dessen Position im Unternehmen
Bei Bedarf kann eine Referenz unter anderem folgende weitere Informationen enthalten:
1. Wesentliche Aufgaben bzw. Tätigkeitsbereiche sowie Einbindung des Empfängers in die Organisation des Ausstellers
2. Fähigkeiten und Kenntnisse des Empfängers bezogen auf sein Aufgabengebiet
3. Typische Charaktereigenschaften des Empfängers
4. Potenzialaussage: Was traut der Aussteller dem Empfänger in Zukunft zu?
5. Eine Zufriedenheitsaussage, ähnlich wie im Arbeitszeugnis
6. Aufforderung zur telefonischen Kontaktaufnahme sowie Telefonnummer des Ausstellers
7. Zukunftswünsche
Was sollten Ingenieurinnen und Ingenieure besonders beachten?
Ingenieure sollten an die Zielgruppe der Referenz denken und dementsprechend bei Bedarf technische Sachverhalte allgemein verständlich darstellen. Es sollte auch vermieden werden, den Text durch unternehmensinterne Abkürzungen oder Namen für Außenstehende schwer verständlich zu machen. Es kann allerdings helfen, die Namen von Kunden, Produkten und Technologien zu nennen, sofern rechtlich zulässig, denn solche Namen wecken eher die Aufmerksamkeit der Leser als allgemeine Beschreibungen und bleiben eher im Gedächtnis. Auch wirkt eine Referenz mit Bezügen zu tatsächlich und nachprüfbar existierenden Kunden, Produkten etc. glaubwürdiger.
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„In manchen Unternehmen ist das Ausstellen auch verboten“
Worin bestehen die Hauptfehler, die beim Einholen von Referenzen gemacht werden?
Wenn man jemanden mit der Frage nach einer Referenz überrumpelt, zum Beispiel, weil die Zusammenarbeit nicht so eng, angenehm und erfolgreich war, ist das sicher keine gute Grundlage. Ich würde vorsichtig vorgehen und im Bewusstsein, dass die Referenz eine rein freiwillige Gefälligkeit des Referenzgebers ist. In manchen Unternehmen ist das Ausstellen von Referenzen auch verboten. Das Thema sollte also frühzeitig angesprochen werden, möglichst noch während der aktiven Zusammenarbeit mit dem möglichen Aussteller.
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Was noch?
Man sollte auch nicht vergessen, dass das Ausstellen einer Referenz für viele eine zeitraubende und unangenehme Arbeit ist. Es kann hilfreich sein, dem Aussteller der Referenz eine Textvorlage mit den (wesentlichen) Inhalten der Referenz als Hilfestellung zu geben. Manche freuen sich über ein bereits ausformuliertes Referenzschreiben, welches sie dann anpassen können. Hier sollte man nicht den Fehler machen, den Text aus der eigenen Perspektive zu formulieren, sondern versuchen, die eigene Arbeit aus der Perspektive des Ausstellers zu betrachten. Lob ist dabei sicherlich wichtig, aber das Lob sollte durch Fakten (Arbeitserfolge, Nutzen für den Aussteller beziehungsweise. das Unternehmen) untermauert sein. Wortwahl und Stil sollten zum Aussteller der Referenz passen.
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