Recruiting Tag Blog 14.07.2015, 00:00 Uhr

Höher, schneller, weiter, was bei einem Karriereweg zu beachten ist.

Der erste Job 150 km entfernt: Egal. Wird schon gehen. Grenzenlose Leistungsbereitschaft. Anfängliche Euphorie kann jedoch auch schnell umschlagen.

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Foto: panthermedia.net/maxkabakov

Damit der Traumjob nicht zum Albtraum wird, sollte man einige Aspekte im Vorfeld kritisch betrachten.

Guten Tag Frau Boenig, wenn man Ihren Vortragstitel auf unseren Recruiting Tagen liest: „Höher, schneller, weiter“, geht man zuerst einmal davon aus, dass Sie den Besuchern grenzenlose Leistungsbereitschaft schmackhaft machen möchten, aber Sie hinterfragen diesen Drang ganz kritisch. Würden Sie uns das bitte erläutern.

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Jutta Boenig

Jutta Boenig

Jutta Boenig: Diese oben genannte Maxime verändert sich gerade, langsam und doch stetig. Menschen entdecken, dass eine grenzenlose Leistungsbereitschaft nicht mehr alles im Leben ist. Die Begriffe Work-Life-Balance oder Burnout sind ja keine Fremdwörter mehr, und fast jeder Arbeitnehmer kennt jemanden, bei dem Arbeitsüber- oder auch unterlastung schwerwiegende Folgen hatte oder hat. Der Begriff „Karriere“ sollte im Gesamtzusammenhang von Arbeit und persönlichem Leben gesehen werden. Die Frage nach dem Lebensentwurf wird in der Regel am Anfang des Berufslebens auf die Frage nach Erfolg konzentriert. Für den einen oder anderen Menschen kann es sein, dass Erfolg die einzig wichtige Komponente bleibt und auch der am stärksten ausgebildete Antreiber im Leben ist. Die Lebenspraxis zeigt allerdings auch, dass ebenso andere Aspekte zum Leben gehören: z. B. Freude an der Arbeit, sinnvolle Aufgaben, Familie, Partnerschaft, Freunde etc. Also stellt sich doch die Frage: Was ist Karriere? Eine schlichte Antwort darauf ist: „Alles, was den Menschen in einer überwiegend freudvollen Lebensbalance hält“. Und dieses Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Aspekten kann der Mensch gestalten, selbst in einer sehr leistungsorientierten Arbeitswelt. Voraussetzung dafür ist Mut, Mut zu Reflexion, zu einem gelegentlichen Innehalten mit den richtigen In-Fragestellungen, beispielsweise: „Wie viel Wertschätzung und Sinn bringt mir mein Arbeitstag? Wie viel Einkommen muss ich wirklich verdienen, um mich wohl zu fühlen? Womit verbringe ich den größten Teil meines Lebens und wie geht es mir damit?“

Eine kritische Betrachtung im Vorfeld ist immer gut. Um 6 Uhr morgens einen ICE zu nehmen und erst einmal 2 Stunden zur Arbeit zu fahren, das schlaucht. Aber viele Jobs sind nicht direkt vor der Tür.

Wenn die Arbeitsaufgaben gerne angepackt werden, wenn sich Mitarbeiter/innen in ihrem Arbeitsumfeld gut fühlen, werden sie am frühen Morgen mit der richtigen Spannung und Energie zur Arbeit fahren, die Zeit für ein Schläfchen nutzen, ein Hörbuch hören oder eine Sprache lernen. Diese Menschen haben dann vielleicht am Abend ein müdes Lächeln, aber immer noch ein Lächeln, wenn sie nach Hause kommen oder sich mit Freunden treffen. Diejenigen, auf die keine angenehmen oder befriedigenden Aufgaben warten, die sich überwiegend belastet fühlen, die empfinden natürlich die Fahrten als eine zusätzliche Anstrengung und haben dann gar keine Kraft mehr für ein privates Leben. Das heißt, sie freuen sich nur auf das Wochenende. Wenn man das merkt, läuft ganz gehörig etwas schief, dann geht es gegen die eigene Lebensenergie.

„Downshifting“ ein Wort, das neuerdings immer häufiger auftaucht, einen Gang herunterschalten. Immer mehr Arbeitgeber würden gerne die Geschwindigkeit reduzieren, aber wie ist das im Zeitalter grenzenloser Erreichbarkeit zu realisieren?

Die Frage stellt sich doch anders, z.B. welche Wege finden die Firmen, um den internationalen Markt zu bedienen UND den Mitarbeitern ein relativ ausgewogenes Arbeitsmodell anzubieten? Denn wir wissen, nichts ist kontraproduktiver für ein Unternehmen, als Mitarbeiter, die vor lauter Überfrachtung – sei es mit Zeit oder Aufgaben – unmotiviert und ausgebrannt sind. Viele junge Mittelständler zeigen, dass neue Modelle möglich sind.

Und wenn Vorgesetzte nicht mitspielen?

Die Frage der Unternehmenskultur und die praktische Umsetzung derselben spielt zunehmend eine Rolle in den Unternehmen. Die Zeiten der Alleinherrschaft eines einzigen Vorgesetzten sind zwar noch nicht vorbei, doch inzwischen sind rein autoritäre Anweisungen nicht mehr führungstauglich. Gibt es unternehmerische Aspekte, die eine Veränderung verunmöglichen, dann sollte sich jeder Mitarbeiter fragen, wie er/sie arbeiten will, welchen Einsatz zu erbringen ist und ob das übereinstimmt mit dem Eigenbild. Gegebenenfalls sollte dann der/die Arbeitnehmer/in seinen/ihren Karriereweg überdenken bzw. verändern.

Ist der Home-Office Arbeitsplatz eine Alternative?

Es gibt inzwischen viele Studien zum Thema „Home-Office“, die durchaus zu unterschiedlichen Aussagen kommen. Die Meinungen reichen von „ sehr angenehm und befreiend von Druck“ bis „kein Feierabend mehr und eher ein Mittel zur Selbstausbeutung“. Einig sind sich alle Studien in folgendem: wird der Kontakt zu den Kollegen in der Firma nicht gehalten, kann es schnell zu Einsamkeitssymptomen kommen und es braucht viel Selbstdisziplin, um die Arbeit in einem vertretbarem Zeitrahmen zu schaffen. Ich denke, Home-Office kann wirklich eine gute Alternative sein, wenn man in Ruhe und konzentriert arbeiten will. Aus meiner Praxis kenne ich es, dass einige meiner Kunden es lieben einen Tag in der Woche zuhause effektiv arbeiten zu können, um dann auch wieder voller Energie ihr Bestes in der Präsenzzeit in der Firma zu geben.

Ein Beitrag von:

  • Claudia Wiegner-Ruf

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