Im Trend: Die elektronische Bewerberauswahl
Algorithmen werden bei der Auswahl passender Kandidaten an Bedeutung gewinnen. Wir haben mit dem Fachmann Joachim Diercks darüber gesprochen.
Ingenieurkarriere: Herr Diercks, übernehmen Algorithmen in Zukunft den Job von Recruitern?
Joachim Diercks: In den nächsten zehn bis 20 Jahren wird sich in der Personalauswahl vieles automatisieren, was mit der Negativselektion zu tun hat. Also was die Frage angeht: Welcher Bewerber ist es nicht? Bei der Positivselektion, also wenn es darum geht „Wen stellen wir ein?“, werden zwar auch in zunehmendem Maße Algorithmen hinzugezogen, aber hier bleibt der Mensch noch deutlich länger die entscheidende Instanz. Wenn ich einen Kollegen suche, mit dem ich den ganzen Arbeitstag lang zusammenarbeiten muss, dann ist es sicherlich legitim zu sagen: Den muss ich sympathisch finden, auch wenn ihn jeder Algorithmus als perfekten Kandidaten vorgeschlagen hätte.
Es heißt, Algorithmen seien unvoreingenommen.
Ein Algorithmus kann auch hochgradig unfair sein, wenn er schlecht oder bewusst unfair programmiert wurde. Ich könnte einem Algorithmus sagen: Bitte sortiere alle Bewerbungen von Frauen aus. Die Qualität des Algorithmus ist entscheidend. Wenn es ein Guter ist, kann er das ermüdungs- und völlig vorurteilsfrei tun, 24 Stunden am Tag.
Aber geht nicht andererseits die menschliche Intuition verloren?
Stimmt, aber wäre der Algorithmus richtig programmiert worden, könnte er feststellen, dass Studienabbrecher in der Datenkonstellation XY besonders erfolgreich sind. Ein großes schwedisches Möbelhaus rekrutiert gerne Studienabbrecher für sein Trainee-Programm, weil diese Leute sehr gute Leistungen abliefern. Was möglicherweise daran liegt, dass sie schon eine Chance versemmelt haben, daher bei vielen anderen Unternehmen durchs Raster fallen und jetzt umso motivierter sind, ihre zweite Chance zu nutzen. Big Data kann solche Zusammenhänge herstellen.
Dennoch setzen laut einer Studie erst 18% der Unternehmen in Deutschland Algorithmen im Bewerbungsprozess ein.
Viele Personaler sind Personaler geworden, weil sie mit Menschen und nicht mit Maschinen arbeiten wollen. Und deshalb brauchen solche Entwicklungen speziell im Personalwesen immer ein bisschen länger. Die Ängste, dass die Maschinen die Arbeitsplätze wegnehmen, sind da. Allerdings müssen die Personaler aufpassen, dass die Party nicht ohne sie stattfindet. Was technisch geht, wird auch irgendjemand machen.
Auf der anderen Seite brauchen Algorithmen immer auch eine Instanz, die sie inhaltlich beurteilt. Deshalb brauchen wir auch in Zukunft Personaler. Und es ist momentan auch sehr viel Dynamik im Thema. Die Nachfrage nach automatisierten Online-Tests für Bewerber ist gerade enorm. Vor zehn Jahren haben das nur die ganz Großen wie Siemens gemacht, jetzt ist das beim Bäcker an der Ecke angekommen.
Es ist immer von den Unternehmen die Rede. Können Algorithmen nicht auch die Bewerbung der Jobsuchenden maßgeblich verändern?
Bewerber könnten künftig kleine Helferlein losschicken, die für sie das Internet nach passenden Jobs abgrasen. Wer hat schon Lust, sich eine Stunde vor den Rechner zu setzen? Das kann doch eine Maschine für mich übernehmen und mir alle Treffer am Ende des Tages vorlegen. Es gibt Seminare, in denen man lernt, wie man am besten eine Bewerbung für den Bewerbungsalgorithmus schreibt. Wenn man das logisch zu Ende denkt, werden irgendwann die Algorithmen von Unternehmen und Bewerbern zueinander finden. Wenn es viele Übereinstimmungen gibt, kooperieren die Bots untereinander. Das wird zwar noch ein bisschen dauern, aber lässt sich theoretisch auch auf die Reise, das Auto und die Partnersuche übertragen.
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