Im Vorstellungsgespräch selbst Fragen stellen!
Offene Kommunikation, so lautet ein entscheidendes Erfolgsrezept jeder langjährigen Partnerschaft. Beobachtet man das Einstellungs- und Personalentwicklungsgeschehen in vielen deutschen Unternehmen, scheint alles andere als Offenheit die Vorstellungs- und Fördergespräche zu dominieren. Taktisches Geplänkel, psychologische Sandkastenspiele, fantasievolles Interpretieren, vollmundiges Verkaufen des Arbeitgebers und der offenen Positionen werden von vielen Personalern im Vorstellungsgespräch gepflegt.
Oftmals paart sich das Ganze noch mit überheblichem und unangemessenem Auftreten gegenüber den Kandidaten. Mit stolz geschwellter Brust glaubt der Personalreferent, sein Unternehmen vor Schlimmerem bewahrt zu haben, wenn er einen Bewerber im Vorstellungsgespräch zu einer ehrlichen Meinungsäußerung verleitet, die nicht ins vorgefertigte Muster passt. Und ihm dann selbstverständlich eine nur scheinbar freundliche Absage erteilt. Als cleverer Kandidat gehen Sie daher natürlich hervorragend präpariert in die Personalgespräche und geben auf taktische Fragen genauso taktische Antworten. Vorbereitete Antworten etwa auf die fantasielosen Fragen nach Stärken, Schwächen, Karrierewünschen in den nächsten fünf Jahren gehen Ihnen glatt über die Lippen – und kommen gut an.
Sicherlich haben Sie manchmal die Effektivität dieses Vorgehens im Vorstellungsgespräch bezweifelt oder sich sogar darüber geärgert. Doch die Praxis zwingt förmlich die Kandidaten, sich den wenig effektiven Kommunikationsstil der Personaler aufdrängen zu lassen, um die beruflichen Ziele zu verwirklichen. Letztlich aber muss die Frage gestellt werden, wem es eigentlich nützt, wenn sich Kandidaten und Unternehmen am Anfang auf diese Weise etwas vormachen, sich für eine Arbeitsbeziehung entscheiden und dann erst lange Zeit testen und spekulieren müssen, bevor sie erkennen, wo sie eigentlich dran sind. Zwar zahlen den Preis immer beide Seiten.
Beim Vorstellungsgespräch Offenheit suchen
Doch was beim Arbeitgeber mit Geld für die Einarbeitung als überschaubare Fehlinvestition abgetan ist, bedeutet für Fach- oder Führungskräfte nicht selten das Aus der Karriere, den gefürchteten Karriereknick oder zumindest viel Frust, Zeit- und Energieverschwendung. Vor allem, wenn sie aus ungekündigten Positionen in solch ein unprofessionelles Unternehmen wechseln. Wenn Sie die geschilderten Risiken weitestgehend ausschalten wollen, sollten Sie als Kandidat dem Personalgeschehen die alten Zöpfe abschneiden und eine neue Qualität der Kommunikation im Vorstellungsgespräch suchen. Missverständnissen kann vorgebeugt werden, wenn Sie als Kandidat Ihre beruflichen Ziele, Vorstellungen und Wünsche offen auf den Tisch legen. Gute Arbeitskräfte sollten zudem viel kritischer Aussagen und Versprechungen der Arbeitgeber hinterfragen, das Verhalten des Arbeitgebers während der Gespräche beurteilen und selbst in die Rolle des Entscheiders treten.
Wenn ein Unternehmen nach drei Tagen Assessment Center mit hochkarätigen Ingenieuren noch einen psychologischen Test braucht, um die Kandidaten abschließend beurteilen zu können, spricht das weder für Entscheidungsfreude noch für die Qualität der Personalentscheider. Vergessen Sie solche Arbeitgeber, die die Zeichen der Zeit verkennen und das Spiel des schwachen Arbeitsmarktes weiterspielen wollen. Zeigt ein anderes Unternehmen im Vorstellungsgespräch keine klaren Vorstellungen über die Einarbeitung in eine neue Position – etwa durch klar definierte Einarbeitungsziele, Zeitplan, Ansprechpartner – ist dies genauso verdächtig.
Verhalten der Personalreferenten im Vorstellungsgespräch prüfen
Die Unternehmen ihrerseits sind dazu aufgerufen, kritisch das Vorgehen ihrer Personalabteilungen im Vorstellungsgespräch zu überprüfen. Noch kritischer sollte allerdings das Verhalten der Personalreferenten untersucht werden. Werden von dieser Couleur häufig nicht sogar viele gute Fach- und Führungskräfte abgestoßen? Kästchen- und Klischeedenken verhindert zudem oftmals eine personelle Vielfalt in der Belegschaft. Genau die aber löst kreative Prozesse aus und bringt eine positive Gruppendynamik. Hier scheint mir noch ein erhebliches Rationalisierungspotenzial brachzuliegen.
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