Mitarbeitende als Talentscouts
Lange funktionierte Recruiting so: Unternehmen schrieben eine Stelle aus und konnten sich so gut wie sicher sein, dass sich daraufhin in absehbarer Zeit passende Bewerber melden. Weil das angesichts des Kräftemangels so nicht mehr funktioniert, ist in vielen Personalabteilungen inzwischen Active Sourcing Standard – Recruiter sprechen geeignete Kandidaten aktiv an.
Eine Revolution im Recruiting findet jedoch statt, wenn Mitarbeitende zu Talentscouts werden. Experte Reiner Huthmacher, sagt, wie das geht und warum daran künftig kein Weg mehr vorbeiführen wird.
Ingenieur.de: Herr Huthmacher, Sie gehen davon aus, dass Mitarbeitende als Talentscouts das Recruiting revolutionieren werden. Aber wie soll dieser Ansatz in der Praxis funktionieren?
Huthmacher: Unternehmen, die Mitarbeitende als Talentscouts einsetzen, übertragen ihnen damit eine Rolle als Botschafter der Arbeitgebermarke. Sie sind in der Lage, Kultur und Werte eines Unternehmens besonders authentisch zu vermitteln – schließlich geben sie ihre persönlichen Erfahrungen an potenzielle neue Mitarbeiter weiter. Persönliche Erfahrungen sind für Bewerber von maximalem Nutzen, denn sie sind glaubhafter als jede noch so teuer bezahlte Stellenanzeige. Gleichzeitig nutzen Unternehmen bei dieser Recruiting-Variante die Fähigkeit ihrer Mitarbeiter, Talente zu identifizieren und zu einer Bewerbung zu motivieren.
Microsoft, Google oder SAP setzen erfolgreich auf die eigenen Mitarbeiter als Talentscouts
Welche Unternehmen praktizieren bereits Talentscouting durch Mitarbeiter? Mit welchem Erfolg?
In der IT- und Hightech-Branche hat sich dieser Recruiting-Ansatz bereits auf breiter Basis etabliert. Beispielsweise setzen Unternehmen wie Microsoft, Google oder SAP sehr erfolgreich auf die eigenen Mitarbeiter als Talentscouts. Diese Organisationen integrieren Mitarbeiteraktivitäten über gezielte Schulungen und Empfehlungsprogramme direkt in ihr Recruiting. Erfolge zeigen sich in qualifizierten Einstellungen, aber auch einem gestärkten Zusammengehörigkeitsgefühl der Belegschaft. Aber nicht nur bei Großunternehmen, sondern auch im Handwerk und im Handel gibt es moderne Unternehmen, die hierüber erfolgreich und vor allem regelmäßig neue Talente finden und binden.
Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter qualifizieren und motivieren, neue Kolleginnen und Kollegen zu finden?
Arbeitgeber können entsprechende Kompetenzen ihrer Mitarbeiter auf verschiedene Art und Weise fördern. Hierzu gehören Schulungen zur Identifikation von Fähigkeiten und Talenten, interne Mitarbeiterempfehlungsprogramme oder Networking-Events. Grundsätzlich geht es darum, interne Ressourcen für die Entdeckung von Talenten zu mobilisieren.
Die Motivation hierzu kann durch attraktive Anreizsysteme – beispielsweise Anerkennung für das persönliche Engagement des Mitarbeiters, Boni oder neue Entwicklungs- und Karrierechancen – gesteigert werden. Klare Kommunikation über den Wert von Mitarbeiterempfehlungen für die Firma und über erfolgreiche Einstellungen, die durch ein solches Talentscouting zustande kamen, hat ebenfalls einen Motivationseffekt.
Zu was raten Sie noch?
Generell gilt, dass Arbeitszufriedenheit und hohe Mitarbeiterbindung entscheidende Faktoren sind, die Mitarbeiter motivieren, sich als Talentscouts zu engagieren. Ich persönlich plädiere dafür, dass Unternehmen ihre Programme zur Optimierung der Mitarbeiterbindung langfristig gestalten und dabei wesentliche Bedürfnisse ihrer Belegschaften in den Fokus stellen. Sehr wirksame Instrumente, um Mitarbeiter langfristig zu binden, sind zum Beispiel eine betriebliche Altersvorsorge und eine betriebliche Krankenversicherung, die einen Leistungsumfang auf dem Niveau der privaten Krankenkassen bietet. Sie lassen sich hervorragend mit anderen Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung kombinieren. Unternehmen, die eine solche Strategie verfolgen, präsentieren sich nach außen und nach innen als attraktiver Arbeitgeber.
Talentscouting durch Mitarbeiter: Klare Kriterien definieren
Was ist beim Talentscouting durch Mitarbeiter zu beachten, insbesondere in technischen Berufen? Ihre Top-Tipps?
In technischen Berufen ist es besonders wichtig, für die Identifikation von Talenten klare Kriterien zu definieren. Schulungen sollten sich auf spezifische technische Fähigkeiten fokussieren, die bei potenziellen Bewerbern unverzichtbar sind. Entscheidend für ein erfolgreiches Talentscouting durch Mitarbeiter in technischen Branchen ist transparente Kommunikation über technologische Anforderungen, die gewünschten Fähigkeiten von Talenten und die Relevanz von Mitarbeiterempfehlungen für das Unternehmen.
Mit welchen Hürden und Grenzen müssen Unternehmen bei dieser Recruiting-Variante rechnen?
Hürden im Talentscouting durch Mitarbeiter können beispielsweise in Vorurteilen oder in eingeschränkten Netzwerken liegen. Mögliche Grenzen ergeben sich aus Datenschutzbestimmungen und ethischen Bedenken, etwa im Hinblick auf Abwerbungen potenzieller Kandidaten. Um interne Konflikte zu vermeiden, sollten Unternehmen besonders auf eine objektive Bewertung von Mitarbeiterempfehlungen achten.
Sollten Unternehmen erfolgreiche Rekrutierungen belohnen? Wenn ja – in welcher Form?
Um die Motivation ihrer Mitarbeiter für das Talentscouting aufrechtzuerhalten, sollten Unternehmen erfolgreiche Rekrutierungen auf jeden Fall belohnen. Belohnungen können finanzielle Anreize, Anerkennung – beispielsweise in Form von Auszeichnungen – oder persönliche Entwicklungsmöglichkeiten und Karrierechancen sein.
Kann es beim Talentscouting zu Konflikten mit der Personalabteilung kommen?
Ja. Konflikte sind niemals ausgeschlossen – in der Regel liegt ihnen mangelhafte Kommunikation zugrunde. Um sie zu vermeiden, sind klare Prozesse sowie enge Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern als Talentscouts und der Personalabteilung wichtig – hier stehen insbesondere Führungskräfte in der Pflicht. Die Festlegung klarer Zuständigkeiten und transparente Kommunikation tragen dazu bei, Konfliktursachen auszuschalten.
Reiner Huthmacher ist seit mehr als 30 Jahren Unternehmer und Geschäftsführer mit umfassender Expertise in der Personal- und Versicherungsbranche. Als Entwickler des Spezialkonzeptes „Das kleine 1×1 der Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung” und Bezirksdirektor der Gothaer Versicherung wird er als Vortragsredner häufig gebucht und hat in zahlreichen deutschen Betrieben für mehr Motivation und Begeisterung in den Belegschaften gesorgt und sogar dafür, dass Bewerber weitere Bewerber geworben haben!
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