Recruiting Tag Blog 16.12.2015, 01:00 Uhr

Noch einmal durchstarten

Das Berufsleben setzt sich aus unterschiedlichen Phasen zusammen. Kurz vor Studienende geht es los mit der Orientierungsphase, dann folgt oftmals der Realitätsschock im ersten Job – vieles ist doch anders, als man es sich vorgestellt hat und weiter geht es mit den ersten Berufsjahren, in denen Sie sich bewähren und auf der Karriereleiter nach oben steigen.

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Foto: panthermedia.net/maxkabakov

Alles läuft gut, eigentlich gibt es nichts zu meckern und doch stellt sich irgendwann ein Gefühl der Leere ein. Die Arbeit wird zur Routine. Ist das nun doch schon alles gewesen? In diesem Rhythmus noch 20 Jahre bis zur Rente? Gerade ab 40 treten diese Fragen häufig auf. Wir möchten mehr wissen und interviewen Susanne Müller.

Susanne Müller

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Guten Tag Frau Müller, Ihre Zielgruppe richtet sich vor allem an Klienten im Alter ab 45 Jahren. Warum entsteht der Wunsch nach Veränderung häufig in diesem Alter?

Susanne Müller: Ich halte dieses Alter für spannend, da der Veränderungswunsch und auch mal –druck hier am größten ist. Das hat aus meiner Sicht vielerlei Gründe:

Mit 45 Jahren hat man schon einiges erlebt, einen Expertenlevel erreicht und eine Familie gegründet. Durch die Familienplanung sind Kompromisse akzeptiert worden, die mit zunehmendem Alter der Kinder nicht mehr nötig sind. Man wird also wieder „freier“. Das gilt für Männer wie für Frauen. Männer – immer noch die finanziellen Hauptversorger – können nun durch den Wiedereinstieg der Frauen, Jobs annehmen, die mehr ihren Neigungen entsprechen oder Risiken eingehen und etwas Neues machen. Frauen – immer noch die Haupterziehenden – steigen wieder merkbar in die Arbeitswelt ein und wollen Jobs, die auf ihrem Leistungsniveau sind und keine Nebentätigkeiten mehr. Dann ist immer noch in den Köpfen, dass „man“ bis zu diesem Alter einen sichtbaren Karrieresprung hingelegt haben muss, ansonsten den Anschluss verpasst hat. Abgesehen davon gibt es eine innere Triebfeder, die dafür sorgt, dass wir ungefähr alle 5 – 7 Jahre uns oder etwas in unserem Umfeld verändern. Das sind manchmal nur Aufgabenbereiche oder Zunahme von Verantwortung innerhalb der angestammten Position, manchmal jedoch auch radikale Veränderungen. In dem Alter um 45 – 55 Jahren will man – wenn man schon das Risiko eingeht, sich beruflich zu verändern – es meist noch einmal wissen.

Ein älterer Mitarbeiter verfügt im Gegensatz zu einem jüngeren Mitarbeiter über mehr Erfahrungswissen. Wie kann man diese Erfahrung überzeugend darstellen?

Dieses Erfahrungswissen ist ein besonderer Schatz, da man darüber den Blick für die kleinen Details bekommt, an denen ein großes Projekt scheitern könnte. Das ist Wissen, das nicht in Lehrbüchern steht. Allerdings ist es die Aufgabe von Berufserfahrenen, ihr Wissen darauf zu überprüfen, wie und vor allem was davon relevant für die aktuelle Aufgabe ist. Und dann genau dieses Wissen einbringen und nicht mehr. Oft haben wir Berufserfahrene aber den gesamten Prozess im Blick, wie wir zu dieser Erfahrung oder zu diesem Wissen gekommen sind, und langweilen durch Geschichten von damals.

Wir achten bei unseren Klienten sehr darauf, dass ihre Ansprache – die Wortwahl und Argumentation -präzise und modern ist und ihr Wissen effizient gebündelt dargestellt wird. Dafür analysieren wir genau, was der Arbeitgeber wirklich braucht und formulieren dann das Bewerberangebot als Problemlösungsangebot, das sich auf die Situation und den Bedarf des Arbeitgebers bezieht.

Besteht aus Ihrer Erfahrung heraus ein Konkurrenzgefühl und Angst zu jüngeren Arbeitnehmern? Und wenn ja, ist dieses begründet?

Ja, die gibt es. Das ist auch der Kardinalfehler bei beruflichen Veränderungen, den Berufserfahrene machen. Von außen betrachtet, ist klar, dass ein/e 45 Jährige/r sich nicht mit eine/r/m 27 Jährige/n messen sollte. Kein Sportler würde das tun. In der Berufswelt fixieren sich Berufserfahrene bar jeder Logik auf Stellenangebote, die sehr deutlich auf Jüngere zugeschnitten sind, fachlich und finanziell. Dadurch verlieren sie das Augenmerk für ihr besonderes Leistungsangebot an einen Arbeitgeber, das sich aus Fachexpertise und außerfachliche Kompetenzen und Erfahrungen zusammensetzt und reihen sich in einen Wettbewerb mit Jüngeren ein, in dem sie von Anfang an schlechte Karten haben. Für dieses Verhalten gibt es natürlich einen Grund. Nämlich den, dass sich die meisten Stellenangebote immer noch an jüngere Arbeitnehmer bis zu 5 maximal 10 Jahre Berufserfahrung richten. Da sind die Arbeitgeber und Personalberater gefragt, endlich ihre jahrgangsbezogene Schere im Kopf zu entfernen und sich zu fragen, welche Dynamik und Leistungsstärke brauche ich denn für die Aufgabe XY? Die eines agilen, flexiblen, innovativen Endzwanzigers/Mitdreißigers, der auch mal überraschend sprunghaft agieren kann oder die eines erfahrenen Endvierzigers oder auch Endfünfzigers, der mit Weitsicht und Felderfahrung seine Kräfte (und die seines Teams) meist wohldosiert einsetzt und auch den Vorteil mitbringt, nicht mehr so zeitintensive familiäre Verpflichtungen zu haben. Also in Summe, mobiler und flexibler ist. Ganz langsam kommt da Bewegung rein, aber immer noch zu langsam für viele, die heute Ende vierzig/ Mitte Fünfzig sind und in einem Veränderungsprozess stecken.

Von daher ist diese Altersgruppe stark auf sich selbst gestellt. Viele sind enttäuscht von ihren Netzwerken und müssen sich nach langen Jahren in Beschäftigung erst wieder tragfähige Kontakte in den Markt aufbauen, auch zu Personalberater. Daher raten wir unseren Klienten, sich sehr genau mit dem Markt, der Branche, den Firmen, die für sie infrage kommen auseinanderzusetzen und dann initiativ an die Entscheider ranzugehen mit einem sehr klar umrissenen Nutzenangebot, das sich deutlich von der Masse abhebt, da es die Sprache der Entscheider spricht. Also die berühmte souveräne Augenhöhe vermittelt – ohne arrogant zu wirken. Damit gehen sie an den Bewerbungsschlangen vorbei. Das erfordert zugegebenermaßen mehr Arbeit und auch mal das Springen über den eigenen Schatten, aber ist aus unserer Erfahrung der Weg mit den besten Erfolgsaussichten.

Lebensphasen sollten sinnvoll in den Karriereweg integriert sein. Könnten Sie hierzu bitte noch etwas zum Schluss für unsere Leser sagen.

Ja, das stimmt. Das ist aber in unserem Denken ein neuer Ansatz – und zwar sowohl für Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende. Beide haben sich noch nicht in der Tiefe damit beschäftigt, was es bedeutet, wenn Karrierewege an die aktuelle Lebensphase angepasst werden. Der Begriff lebensphasenorientierte Karrierewege bzw. Personalentwicklung zeigt wie sperrig diese Auseinandersetzung empfunden wird.  Da braucht es auch die öffentliche Unterstützung aus der Politik, damit Kinder zu bekommen, Eltern zu pflegen eine Normalität wird auch für Menschen, die karriereorientiert sind. Momentan führen solche Phasen immer noch zu Brüchen in der Karriere, die nur mühsam wieder geschlossen werden. Das gilt für Frauen, die nach ihrem Wiedereinstieg auf Positionen bleiben, die weit unter ihrem Können liegen. Und das gilt für Männer, die sich eine Familienphase nur mit viel Mut und immer einem Rest Unsicherheit erlauben. Unsicherheit, wie diese Phase im Kollegenkreis und von den Vorgesetzten eingeschätzt wird und ob da nicht ein Makel bleibt. Da sind wir leider noch am Anfang und brauchen Vorbilder auf den obersten Führungsetagen. Das geht nur topdown. Allerdings machen die junge Generation X und Y mit ihrem Bedürfnis nach Ausgleich von Privatem und Beruflichem von Anfang an in diesem Bereich gut Druck. Dadurch kommt da Bewegung rein – von unten. Von oben sollte dieses Bedürfnis unternehmerisch klug mit klaren Signalen und organisatorischen Strukturen begegnet werden.

Vielen Dank für das interessante Interview. Susanne Müller ist Geschäftsführerin bei die Jobwerker und Referentin auf VDI nachrichten Recruiting Tagen

 

Ein Beitrag von:

  • Claudia Wiegner-Ruf

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