Recruiting 11.06.2024, 08:00 Uhr

Probearbeiten: Fairer Test oder Ausbeutung im Bewerbungsprozess?

Probearbeiten ist eine umstrittene Methode im Bewerbungsprozess. Ein aktueller Fall, in dem ein Bewerber während eines Vorstellungsgesprächs eine 90-minütige Excel-Aufgabe verweigerte, wirft die Frage auf, ob Probearbeiten eine faire Chance für Bewerber darstellt oder eher Ausbeutung ist.

Probearbeiten

Probeaufgaben im Bewerbungsprozess: Fairer Test oder kostenlose Arbeitsleistung?

Foto: PantherMedia / bodnarphoto

Kürzlich sorgte eine Geschichte für Aufsehen: Ein Bewerber aus der Generation Z weigerte sich während eines Vorstellungsgesprächs, eine 90-minütige Excel-Aufgabe zu bearbeiten, mit der Begründung, sie sehe nach zu viel Arbeit aus. Er fügte hinzu, dass er sich unwohl fühle, so lange Zeit in Excel zu verbringen, ohne zu wissen, wie der Stand im Bewerbungsprozess sei.

Der X-Post erhielt fast acht Millionen Aufrufe und endete mit den Worten der Person, die den Bewerber empfangen hatte: „Nun, ich kann dir sagen, wo du jetzt stehst.“ Offensichtlich war diese Person nicht beeindruckt vom mutigen Schritt des Bewerbers und würde ihm daher keinen Job anbieten.
Einige Nutzer des X-Posts unterstützten den Bewerber. Eine Nutzerin kommentierte: „Viele Arbeitgeber nutzen Bewerber nur als kostenlose Arbeitskräfte. Den Job gibt es gar nicht. Der ‚Test‘ ist die einzige Arbeit, die sie brauchen.“ Ein anderer Nutzer berichtete, er habe einen Probetag gearbeitet und seitdem nichts mehr von dem Unternehmen gehört.

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Strategie zum Nulltarif

Hand aufs Herz – diese Geschichte kommt mir bekannt vor. Während ich diese Zeilen schreibe, erinnere ich mich an eine Testaufgabe vor einigen Jahren, als ich mich für eine Stelle bewarb. Ich musste eine „Strategie entwickeln“ und in einer Präsentation darlegen, wie ein Unternehmen seinen Online-Auftritt verbessern könnte. Im Grunde genommen war es eine Präsentation, die, wenn man sie bei einer Fachagentur in Auftrag gibt, mehrere Tausend Euro kosten würde. Habe ich diese Aufgabe erledigt? Ja. Habe ich danach etwas von dem Unternehmen gehört? Nein. Seitdem habe ich Testtage und Testaufgaben im Bewerbungsprozess gemieden. Doch werfen wir einen genaueren Blick darauf.

In der modernen Arbeitswelt sind Probearbeiten und vorab zu erledigende Aufgaben vor oder nach einem Vorstellungsgespräch gängige Praktiken. Unternehmen sehen darin eine Möglichkeit, die Fähigkeiten und die Arbeitsweise potenzieller Mitarbeiter besser einzuschätzen. Doch dieser Ansatz wirft auch zahlreiche Fragen und Probleme auf. Was passiert, wenn man eine Probeaufgabe verweigert? Und wie stellen sich solche Praktiken im Kontext von fairer Rekrutierung und möglichem Missbrauch dar?

Der Nutzen von Probeaufgaben und Probearbeiten

Unternehmen argumentieren, dass Probeaufgaben und Probearbeiten mehrere Vorteile bieten:

  1. Praktische Einschätzung: Theoretische Qualifikationen und gut geschriebene Lebensläufe sind nicht immer verlässliche Indikatoren für die tatsächliche Arbeitsleistung. Durch praktische Aufgaben können Arbeitgeber ein besseres Bild von den Fähigkeiten und der Eignung eines Bewerbers gewinnen.
  2. Arbeitsweise und Teamfähigkeit: Probearbeiten ermöglicht es, die Arbeitsweise eines Bewerbers direkt zu erleben und zu sehen, wie gut er ins Team passt.
  3. Reduzierung von Fehlbesetzungen: Durch die zusätzlichen Informationen, die aus Probearbeiten und Aufgaben gewonnen werden, können Fehlbesetzungen und die damit verbundenen Kosten minimiert werden.

Die Schattenseiten und potenzieller Missbrauch der Probearbeiten

Trotz der genannten Vorteile gibt es erhebliche Bedenken:

  1. Verweigerung der Probeaufgabe: Bewerber, die eine Probeaufgabe verweigern, riskieren, aus dem Bewerbungsprozess ausgeschlossen zu werden. Dies kann problematisch sein, wenn die gestellten Aufgaben zu umfangreich oder unzumutbar sind.
  2. Kostenersparnis durch kostenlose Arbeit: Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen diese Praktiken missbrauchen, um durch Bewerber kostenfrei Arbeit zu erhalten. Insbesondere bei komplexen Aufgaben oder umfangreichem Probearbeiten könnten Bewerber wertvolle Arbeit leisten, ohne dafür entlohnt zu werden.
  3. Unklare Absichten: In einigen Fällen kann es vorkommen, dass Unternehmen die ausgeschriebene Stelle gar nicht besetzen möchten und lediglich Probeaufgaben verteilen, um sich kreative Lösungen und Ideen zu sichern, ohne dafür bezahlen zu müssen.

Urlaub für Probearbeiten opfern?

In der heutigen Arbeitswelt sind Probearbeiten ein gängiges Mittel, um die Fähigkeiten potenzieller Mitarbeiter zu testen. Doch was passiert, wenn man sich auf mehrere Stellen bewirbt, noch in einem Arbeitsverhältnis steht und mehrere Arbeitgeber einen Probearbeitstag verlangen? Zugegeben, die Situation mag überzeichnet sein, aber bei 30 Bewerbungen könnte es durchaus vorkommen, dass man bei zwei Unternehmen dazu aufgefordert wird. Doch wie geht man in einem solchen Fall vor? Muss man Urlaub bei seinem aktuellen Arbeitgeber nehmen, um einen Tag Probe zu arbeiten? Und wie sollte man reagieren, wenn mehrere potenzielle Arbeitgeber Probeaufgaben verlangen?

Wenn Sie derzeit angestellt sind und einen Tag für ein Probearbeiten bei einem potenziellen neuen Arbeitgeber benötigen, müssen Sie regulär Urlaub beantragen. Es gibt keine spezielle Regelung, die es erlaubt, ohne Urlaub zu nehmen für einen Tag bei einem anderen Unternehmen zu arbeiten. Dies hat mehrere Gründe:

Erstens sind Sie als Angestellter verpflichtet, Ihre vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten bei Ihrem aktuellen Arbeitgeber einzuhalten. Probearbeiten bei einem anderen Unternehmen ohne die Genehmigung Ihres Arbeitgebers könnte als Vertragsverletzung gewertet werden. Zweitens zeigt das Beantragen von Urlaub Ihrem aktuellen Arbeitgeber, dass Sie ehrlich und transparent mit Ihrer Zeit umgehen. Auch wenn Sie nicht verpflichtet sind, die genauen Gründe für Ihren Urlaub offenzulegen, ist es ratsam, formell Urlaub zu beantragen. Schließlich können Arbeiten bei einem anderen Arbeitgeber während der regulären Arbeitszeit ohne Genehmigung disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen, einschließlich Abmahnung oder im Extremfall sogar Kündigung.

Was passiert, wenn mehrere Arbeitgeber Probearbeiten anfordern?

Die Situation wird komplexer, wenn mehrere potenzielle Arbeitgeber Probearbeiten verlangen. Hier sind einige Aspekte, die Sie berücksichtigen sollten:

Planen Sie Ihre Urlaubstage sorgfältig, um genügend Zeit für alle Probearbeiten zu haben. Beachten Sie, dass es möglicherweise nicht immer machbar ist, allen Anforderungen nachzukommen, wenn Sie begrenzte Urlaubstage haben. Priorisieren Sie daher die Unternehmen, bei denen Sie am liebsten arbeiten möchten. So können Sie sicherstellen, dass Sie Ihre Zeit und Ihre Ressourcen am sinnvollsten einsetzen. Offene Kommunikation mit den potenziellen Arbeitgebern ist ebenfalls entscheidend. Erklären Sie Ihre Situation und versuchen Sie, flexible Lösungen zu finden, beispielsweise Probearbeiten außerhalb der regulären Arbeitszeiten oder an Wochenenden, wenn dies möglich ist. Vermeiden Sie es zudem, Ihr aktuelles Arbeitsverhältnis zu gefährden. Auch wenn Sie den Job wechseln möchten, sollten Sie Ihren derzeitigen Arbeitgeber fair behandeln und Ihre beruflichen Verpflichtungen respektieren.

Auch dies wirft zumindest arbeitsrechtliche Bedenken auf, denn dein Urlaub dient in erster Linie deiner Erholung und nicht dazu, an einem anderen Ort zu arbeiten.

Probearbeiten verweigern?

In der modernen Arbeitswelt sind Probearbeiten und vorab zu erledigende Aufgaben zunehmend üblich geworden. Diese Methoden helfen Unternehmen, die Eignung von Bewerbern für eine bestimmte Position besser zu beurteilen. Doch was passiert, wenn man das Probearbeiten verweigert? Und gibt es Möglichkeiten, diese Anforderungen zu umgehen?

Grundsätzlich haben Sie das Recht, Probearbeiten oder vorab gestellte Aufgaben zu verweigern. Allerdings sollten Sie sich der möglichen Konsequenzen bewusst sein. Durch die Verweigerung von Probearbeiten oder Aufgaben können Sie riskieren, aus dem Bewerbungsprozess ausgeschlossen zu werden. Unternehmen nutzen diese Methoden, um praktische Einblicke in Ihre Fähigkeiten und Arbeitsweise zu erhalten. Eine Verweigerung könnte als mangelndes Interesse oder fehlende Bereitschaft zur Mitarbeit interpretiert werden. Wenn Sie Probearbeiten oder Aufgaben verweigern, ist es ratsam, Ihre Gründe klar und höflich zu kommunizieren. Mögliche Gründe könnten sein, dass die gestellten Aufgaben zu umfangreich oder unzumutbar erscheinen oder dass Sie Bedenken hinsichtlich unbezahlter Arbeit haben. Eine offene Kommunikation kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden und möglicherweise alternative Lösungen zu finden.

Wenn Sie Probearbeiten oder Aufgaben vermeiden möchten, gibt es einige Strategien, die Sie in Betracht ziehen können. Schlagen Sie dem potenziellen Arbeitgeber vor, Ihre Fähigkeiten auf andere Weise zu demonstrieren, zum Beispiel durch Arbeitsproben aus früheren Projekten, Referenzen oder eine detaillierte Beschreibung Ihrer bisherigen Berufserfahrung. Dies kann dem Arbeitgeber ebenfalls wertvolle Einblicke bieten, ohne dass Sie umfangreiche Aufgaben übernehmen müssen. Falls der Arbeitgeber auf Probearbeiten besteht, könnten Sie vorschlagen, diese zu einem für Sie günstigeren Zeitpunkt oder in einem kleineren Umfang durchzuführen. Zum Beispiel könnten Sie anbieten, eine kürzere, aber repräsentative Aufgabe zu übernehmen, die weniger Zeit in Anspruch nimmt. Erklären Sie dem potenziellen Arbeitgeber, dass Sie derzeit in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und daher Ihre Zeit begrenzt ist. Viele Arbeitgeber zeigen Verständnis für solche Situationen und sind bereit, flexible Lösungen zu finden.

Wie kann man seine eigenen Fähigkeiten ohne Probearbeit beweisen?

Angesichts der Vielfalt von Generationen, einschließlich der Gen Z, die erst jetzt ihren Fuß auf den Arbeitsmarkt setzen, sowie der Millennials, die bereits Erfahrungen gesammelt haben, stellt sich die Frage: Können Bewerberinnen und Bewerber ihre Fähigkeiten auf alternative Weise nachweisen? Haben sie Arbeitsproben oder Zeugnisse vorzuweisen?

Bei Berufsanfängern könnte es sinnvoll sein, Probeaufgaben zu stellen, um ihre Fähigkeiten zu prüfen. Bei erfahrenen Fachkräften gestaltet sich dies komplizierter. In solchen Fällen sprechen Arbeitsproben, sowie Zeugnisse für sich, und eine zusätzliche Aufforderung zur Bearbeitung von Testaufgaben könnte eher als Ausbeutung denn als optimale Auswahlmethode betrachtet werden.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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