Vorteil einer Karriere im Mittelstand
Den Abschluss fast in der Tasche, die Orientierungsphase geht los. Wo geht mein Weg nach dem Studium hin? Stellt man Absolventen auf den VDI nachrichten Recruiting Tagen die Frage: “Wo möchten Sie gerne arbeiten“, dann erhält man meist die Antwort: “In einem Konzern.“
Ob das nun wirklich das „Ei des Columbus“ ist, möchten wir in diesem Interview von Dr. Rolf Klausmann erfahren. Er ist Partner bei kempers.partner Personalberatung, Spezialist, wenn es um Fragen zum Recruiting von Fach- und Führungskräften im Mittelstand geht, Referent auf VDI nachrichten Recruiting Tagen und auf unseren Online-Karrieremessen.
Guten Tag Herr Dr. Klausmann, habe ich in der Einleitung übertrieben, dass die meisten Absolventen erst einmal eine Anstellung in einem Konzern favorisieren?
Rolf Klausmann: Nein, ganz gewiss nicht. Viele streben es an bei einem der bekannten und großen Arbeitgeber tätig zu sein. Vermeintliche Arbeitsplatzsicherheit und der Glamour der bekannten Firmennamen ist hier wohl eine Haupttriebfeder. Bei der Nachfrage zu den substantielleren Gründen können die Berufseinsteiger nicht mehr vieles ergänzen. Oft scheint mir hier die Unwissenheit über mittelständische Arbeitgeber oder schlicht die fehlende Erfahrung über welchen Weg relevante Arbeitgeber gefunden werden können, die Ursache zu sein. Deshalb wünsche ich mir, dass der Mittelstand mehr Flagge zeigt, z. B. auf den VDI nachrichten Recruiting Tagen.
Warum ist die Message der Vorteile einer Mittelstandsposition bei den Absolventen noch nicht angekommen?
Die großen Firmen haben die Kapazität und die finanziellen Mittel, an den Hochschulen in Form von Werbung und von Forschungsarbeiten präsent zu sein. Zusätzlich arbeiten die Institute vornehmlich für Konzerne, so dass deren Namen auch öfters in den Vorlesungen fallen. Diese Möglichkeiten haben kleinere/mittelständische Firmen weniger. Zusätzlich ist deren Präsenz auf Karrieremessen und in den Karriereportalen seltener. Damit kommen die Berufseinsteiger mit dem Mittelstand seltener in Kontakt und können die Vorteile gar nicht erfahren.
Der Mittelstand ist bekannt für flachere Hierarchien und kurze Entscheidungswege. Absolventen können sehr schnell Verantwortung übernehmen, das müsste doch gefallen?
Das gefällt auch den Berufseinsteigern, wenn man denn die Möglichkeit hat mit diesen darüber zu sprechen. Im Rahmen der Karrieremessen spreche ich dies bei allen Gesprächspartnern an und dies trifft auf großes Interesse. Dabei empfehle ich jedoch auch darauf zu achten, dass bei einem ersten Arbeitgeber klare Strukturen gegeben sein sollten, damit Berufseinsteiger diese kennen lernen und Betriebsabläufe erlernen. Dies ist jedoch meist bei Firmen mit wenigen 100 Mitarbeitern schon gegeben. Dort kann nach einer überschaubaren Einarbeitungszeit Verantwortung übernommen werden, ohne die notwendigen umfangreichen Regularien eines Konzerns.
Allerdings weise ich auch darauf hin, dass nicht das eine oder andere besser ist, sondern nur anders. Wichtig ist, dass sich die Berufseinsteiger über die Vor- und Nachteile der Konzerne, bzw. des Mittelstands im Klaren sein sollten, wenn sie ihren Weg wählen.
Wie bekommt ein Absolvent am besten heraus, ob sie/er eher der Konzern- oder Mittelstandstyp ist?
Studenten müssen meist mehrere Studienarbeiten schreiben oder Praxisphasen durchlaufen. Dabei eine im Konzern, die andere im Mittelstand zu schreiben ist eine hervorragende Möglichkeit beides kennen zu lernen. Ansonsten sollte jeder sich selbst hinterfragen, ob ihm Entscheidungsfreiheit zuspricht oder ob er die Vorteile einer feinteiligen Arbeitsteilung mit den dabei notwendigen Richtlinien in großen Konzernen zusagt und ihm die Tätigkeit bei einem allgemein bekannten Unternehmen wichtig ist.
Wie sieht es mit Verdienstmöglichkeiten im Mittelstand aus?
Auch der Mittelstand muss sich bei den Gehältern nach dem Markt richten. Ohne hier der Spezialist zu sein, kann ich sagen, dass die Gehälter im Konzern höher sind, wobei ich mir vorstellen kann, dass dies mit den schnelleren Aufstiegsmöglichkeiten im Mittelstand kompensiert wird. Zusätzlich sind Berufseinsteiger nicht so monetär getrieben, dass dies final den Ausschlag gibt, welcher Weg gewählt wird.
Hat der Mittelstand eine größere Attraktivität für Ingenieurinnen bzgl. der Aufstiegsmöglichkeiten?
Ja, auf jeden Fall. Allerdings ist hier unter “Aufstiegsmöglichkeit“ nicht nur der vertikale/hierarchische Aufstieg zu verstehen, sondern auch der schnell zunehmende Verantwortungsumfang bei Fachaufgaben, was vielen jungen Ingenieuren genauso wichtig ist und was sogar noch reizvoller sein kann, als schnell umfangreiche Personalverantwortung zu übernehmen.
Vielen Dank für die interessanten Denkanstöße und Einblicke in die Welt des Mittelstandes Herr Dr. Klausmann.
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