Wie sich Ü50-Jährige erfolgreich bewerben
Trotz des Fachkräftemangels stehen manche Unternehmen älteren Bewerbern skeptisch gegenüber. Eine gute Bewerbung hilft dabei, Vorurteile auszuräumen.
Sie bringen vieles mit, das sie zu idealen Kandidatinnen und Kandidaten macht: die Beschäftigten mittleren und höheren Alters, kurz: die Ü50-Jährigen. Sie verfügen über ein reiches Fachwissen, haben berufliche Erfahrung in ihrem eigenen Bereich und darüber hinaus, haben vielleicht in unterschiedlichen Branchen und Unternehmenskulturen gearbeitet. Da müssten Arbeitgeber doch begeistert sein, wenn sich Ü50-Jährige auf eine vakante Stelle bewerben, oder?
„Nein, nicht immer“, sagt Marketa Burger. Sie ist Karrierementorin und Linkedin-Trainerin und hat sich auf die Beratung von Ü50-Jährigen spezialisiert. Ihr Eindruck: „Das ist stark branchenabhängig. In der Öffentlichkeit und auf Linkedin schaut es oft gut aus, in der Praxis nicht unbedingt. Ich würde sagen, dass Altersdiskriminierung bei der Bewerberauswahl auch heute eine Rolle spielt.“ Das Nadelöhr für Ü50-Jährige: die Bewerbung.
Gründe für einen Jobwechsel von Ü50-Jährigen
Die Gründe für einen Jobwechsel in dieser Altersgruppe seien vielfältig, berichtet Burger: Mal sehen die Beschäftigten nur noch wenig Sinn in ihrer aktuellen Arbeit, empfinden die Führungs- oder Unternehmenskultur als unpassend, haben den Eindruck, ihr Wissen und ihre Verdienste werden nicht gesehen, mal wird umstrukturiert und deshalb eine Kündigung ausgesprochen. All das ist für einen potenziellen neuen Arbeitgeber aber wenig relevant.
Von Interesse ist, was Bewerberinnen und Bewerber mitbringen. Marketa Burger weiß: „Gerade nach einer langen Zeit im selben Unternehmen ist es entscheidend, die Wechselmotivation schlüssig zu begründen. Machen Sie deutlich, warum Sie die perfekte Wahl für die neue Stelle sind – welche Ihrer Erfahrungen, Erfolge und Persönlichkeitsmerkmale zum Gelingen der neuen Aufgabe beitragen werden.“
Anrede über 50: Du oder Sie?
Für viele Ü50-Jährige gehört das Siezen ins berufliche, das Duzen eher ins private Umfeld, und sie sind irritiert, wenn in einem Stellenangebot die Anrede „Du“ verwendet wird und sich das im Bewerbungstelefonat oder -videocall fortsetzt. Wie sollten sie sich verhalten? Das Anredethema ansprechen? Sich duzen lassen, aber selbst weiter siezen?
Offenheit ist gefragt, rät Marketa Burger: „Wenn Sie sich mit dem Siezen wohler fühlen, sprechen Sie das charmant an, etwa: ‚Ist es für Sie in Ordnung, wenn wir uns im ersten Kontakt zunächst siezen? Ich bevorzuge die Sie-Anrede.‘ Ansonsten gilt die einfache Regel: Wenn das Unternehmen duzt, dürfen Sie auch duzen!“
Ü50: Tipps für den Lebenslauf
Mit 50 und mehr Jahren umfasst der Berufsweg viele Stationen – da fällt es nicht leicht, im Curriculum Vitae das Wichtigste zusammenzufassen. Zwei typische Fallen lauern: zum einen der mangelnde emotionale Abstand, der dazu führen kann, dass Bewerber zum Beispiel die Tätigkeiten hervorheben, die ihnen am besten gefallen haben. Zum anderen ist es der Hang zur Vollständigkeit. Beides macht den CV für potenzielle Arbeitgeber nicht gerade ansprechend.
Und was sagt die Karrierementorin Burger zur Qual der Wahl? „Als Faustregel empfehle ich, die letzten zehn Jahre intensiver zu beschreiben. Ein Lebenslauf muss heutzutage kein lückenloses Dokument sein – er darf genau die Stationen ins Rampenlicht stellen, die den perfekten Bezug zum neuen Job herstellen. Bewerbende dürfen klar entscheiden: Worauf möchte ich den Fokus lenken? Welche Berufserfahrung hat die größte Relevanz für den neuen Arbeitgeber?“
Ist es sinnvoll, sich „jünger zu machen“?
Nein. Ein Foto aus vergangenen Zeiten mag in der analogen oder digitalen Bewerbungsmappe vielleicht noch durchgehen, aber spätestens beim persönlichen Kennenlernen oder im Videocall kommt die Wahrheit ans Licht. Burger warnt: „Wer sich für seinen potenziellen Arbeitgeber ‚jünger schummelt‘, legt keine gute Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Auch lässt sich für aufmerksame Personaler das Geburtsjahr durch Zeugnisse oder durch das Hochrechnen im Lebenslauf schnell herausfinden.“ Grundsätzlich gilt: Für den neuen Job die Haare färben und ein Hoodie tragen, das bringt niemanden im Bewerbungsprozess weiter. Wesentlich sinnvoller ist es, selbstverständlich zum eigenen Alter zu stehen und das Augenmerk auf die wertvolle Berufserfahrung zu lenken.
Eigenlob? Es geht auch ohne!
Doch wie lassen sich die eigenen Pluspunkte hervorheben, ohne dass es nach Eigenlob klingt und schlimmstenfalls langweilt oder nervt? Trainerin Burger empfiehlt zwei Ansätze für das erfolgreiche Selbstmarketing. Zum einen: „Lassen Sie andere über sich sprechen. Was sagen Mitarbeitende, Vorgesetzte oder Partner zu Ihrem Arbeitsstil? Warum Sind Sie der perfekte Maschinenbauer für ein agiles Projekt mit der Hochschule?“ Ihre Erfahrung ist: Feedback durch Dritte erzeugt Glaubwürdigkeit, und es ist angenehmer, als sich selbst zu loben.
Zum anderen empfiehlt sie, auf eigene Erfolge anhand konkreter Beispiele zu verweisen: „Schildern Sie etwa, wie das Digitalisierungsprojekt Ihr Team zunächst überfordert hat und wie Sie es durch transparente Kommunikation geschafft haben, selbst den größten Skeptiker mitzunehmen. Die Folge? Eine Zeitersparnis von 15 Stunden pro Woche. Ihre Abteilung wurde das Aushängeschild im Unternehmen.“
Defizite von Ü50-Jährigen in der Bewerbung
Auch wenn Bewerberinnen und Bewerber im alten Unternehmen sehr gefragt waren, könnte es ja sein, dass sie im neuen mit ihrem Wissen nicht mehr ganz so up to date sind. Hinzu kommt, dass die meisten Menschen mit steigendem Lebensalter länger brauchen, um Neues zu lernen und, überzogen formuliert, weder in der Lage noch bereit sind nächtelang durchzuarbeiten.
Sollten Ü50-Jährige solche Punkte von sich aus ansprechen? Burger rät davon ab: „Insgesamt empfehle ich, keine ‚schlafenden Hunde‘ zu wecken, sondern Vorteile zu betonen. Es macht Sinn, typische Bedenken seines Wunscharbeitgebers zu kennen und zu wissen, wie Sie diese ausräumen können. Beispielsweise könnten Sie aufzeigen, dass Sie in Ihrer Freizeit eine umfangreiche KI-Weiterbildung mit Zertifizierung absolvieren. Das zeigt, dass Sie sind lernwillig, belastbar und am Zahn der Zeit sind.“
Die Unternehmenskultur zählt – nicht das Alter
Ü50-Jährige sind in der Regel mit deutlich strengeren hierarchischen Vorstellungen, strikteren Umgangsformen und Höflichkeitsregeln groß geworden worden als die heute 25- bis 30-Jährigen. Das birgt Potenzial für Konflikte, die weit über das Duzen oder Siezen hinausgehen, bei der Bewerbung, aber auch im Arbeitsalltag. Ein typischer Punkt kann die Erwartung älterer Beschäftigter sein, dass ihnen aufgrund ihres Alters eine gewisse Autorität zuerkannt werden sollte und sich das auch in Umgangs- und Ausdrucksweisen zeigt. Das mag im Privaten vielleicht so sein. Im beruflichen Kontext zählen vor allem die berufliche Hierarchie und die jeweilige Unternehmenskultur.
Wer sich das bewusst macht, kann sich vor emotionalen Verletzungen und Gedanken wie „Das lasse ich mir doch nicht von so einem Jungspund sagen“ oder „Wie redet die denn mit mir“ schützen. Trainerin Burger nennt ein praktisches Beispiel aus dem Bewerbungsprozedere: „Vielleicht warten Sie nach einem ersten Kontakt seit Tagen auf eine Antwort auf Ihre Mail und sind verärgert, weil Sie den Eindruck haben, dass Ihre Zeit und Mühe nicht wertgeschätzt wird. Das muss aber nicht der Fall sein. Vielleicht kommt heraus, dass für die zuständige Person der Business-Messenger die Kommunikationsplattform ihrer Wahl ist. Per E-Mail kontaktiert zu werden, ist sie nicht gewöhnt, erachtet die Nachrichten als uneilig.“
Generationenübergreifend voneinander lernen
Burger sieht das Miteinander mehrerer Generationen im Berufsalltag grundsätzlich positiv: „Es zeigt neue Perspektiven auf, bietet Raum für Weiterentwicklung. Offen auf Jüngere zuzugehen, auf ihre Einstellung neugierig zu sein und zu erfahren, warum sie zu dieser Meinung gekommen sind oder Dinge so tun, wie sie sie tun, ist bereichernd. Im Gegenzug werden Jüngere auch bereit sein, von Älteren zu lernen – wenn der ‚erhobene Zeigefinger‘ fehlt.“
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