Die Hochschule, der Allround-Dienstleister
Es reicht heute nicht mehr, wenn eine Universität ihren Studenten Wissen eintrichtert. Die Angebote setzen bei der Studienvorbereitung ein und hören bei Berufseinstieg und Patentverwertung auf. Einige Beispiele aus der Hochschulrepublik.
Komplex ist die Welt, auch die der Hochschulen, und „Coaching“ der angesagte Navigator durch das Labyrinth. Studienvorbereitung, Studienberatung sowie Hilfe bei Auslandssemestern, bei Stipendienanträgen, Berufseinstieg, Unternehmensgründung, Patentverwertung – so etwa liest sich das Zusatzangebot der Hochschulen, die sich mehr und mehr als Dienstleister mit spezialisierten Service-Einrichtungen profilieren.
Als Beispiel sei die Career Service-Stelle der Universität Hannover genannt, die Studierenden von der Immatrikulation bis zum Berufseinstieg „Hilfe zur Selbsthilfe“ bietet, „die ganze Palette von Optionen und Kontakten für die eigene Employability also“, wie Martina Vanden Hoeck, Leiterin des Career Service, sagt.
Dazu steht ein handverlesenes Team bereit, das „sehr professionell unterwegs“ ist, betont Vanden Hoeck. Dass die Hochschulen damit nebenbei Strukturpolitik betreiben, ist durchaus gewollt, erklärt Markus Stabler vom Technologie-Transfer der Brandenburgischen TU Cottbus (BTU). „Wir erfüllen auch die politische Forderung des Landes, unsere Forschung und gut ausgebildeten Absolventen der Region zu erhalten.“
Doch ohne professionelles Management sind die zunehmend komplexen Aufgaben nicht zu meistern. Auf diesen wachsenden Bedarf reagierten bereits einige Hochschulen und Akademien, indem sie Studiengänge wie „Higher Educations-Management“ oder „Wissenschafts-Management“ auflegten.
Gleichzeitig organisieren sich die Service-Profis der Hochschulen in eigenen Netzwerken, etwa im Dachverband der Career Service-Einrichtungen „csnd“.
Diesem Bedeutungsgewinn entspricht die neue Mentalität der „Hochschul-Kunden“, wie Vanden Hoeck feststellt: „Seit etwa zehn Jahren erwarten viele Studierende, dass sie spezifisch auf sie zugeschnittene Angebote erhalten.“ Und die Hochschulen liefern. An der Universität Hannover entfallen „mindestens die Hälfte“ der Career Services auf Studierende der MINT-Fächer, also auf die technisch-naturwissenschaftlich-mathematischen Bereiche.
Im Sog des Dienstleistungs-Hypes potenzieren die Universitäten, aber auch die ehemaligen Fachhochschulen (heute Hochschulen), ihre genuine Stärke, den Studierenden nachhaltige Brücken zwischen Studium und Beruf zu bauen.
So etwa die Hochschule Karlsruhe, deren „Alumni+Career Services“ ein raffiniert durchstrukturiertes Dienstleistungssystem bietet, das auch das „Studium generale“ prägt: Gelehrt werden nicht nur Fachkompetenz, sondern auch Handlungs- und Persönlichkeitskompetenzen wie Lerntechniken, Selbstreflexion und Stressprävention.
Die universitären Service-Einrichtungen wiederum entwickeln beeindruckende Kreativität dabei, ihr Wissenspotenzial zu verwerten. Als besonders einfallsreich erweist sich dabei die Universität Kassel. Das hat ihr die Auszeichnung „Gründungshochschule“ durch das Exist-Programm eingebracht. Denn in Kassel können Studierende, Absolventen und wissenschaftliche Mitarbeiter, die mit einer „Anfangsidee“ schwanger gehen, auf Unterstützung hoffen.
Sie kommen in den „Inkubator“, eine zentrale Universitätseinrichtung, in der Ideen bis zur Gründung eines Unternehmens ausgebrütet werden. So reifte die App-Idee jener Studenten, die sich vor drei Jahren am Inkubator-Ideenwettbewerb beteiligten, weil sie sich mit dem Preisgeld einen neuen Computer kaufen wollten. „Da war noch kein Gedanke an ein eigenes Unternehmen“, schmunzelt Inkubator-Manager Jörg Froharth.
Doch dann mussten die Studenten ihre Idee in einem längeren Prozess vor so vielen Gremien verteidigen, bis für sie eine Unternehmensgründung vorstellbar wurde. Das ist Programm, lächelt Froharth. „Die Ideenträger sollen in einen Prozess hineinkommen, der sie die eigene Selbstwirksamkeit erfahren lässt.“
Im letzten Jahr wurden 44 Ideen eingereicht. Künftig sollen es noch mehr werden. „Wir sind dabei, mithilfe wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Fakultäten ein Netzwerk von Ideenscouts aufzubauen“, berichtet Froharth. Sie sollen ruhende Erkenntnisse wachrufen.
Nach Einschätzung der Hochschulprofis schlummert in den Fakultäten zu viel ungenutztes Wissen. Auch an der TU Cottbus spüren Profis wie der Technologietransfer-Manager Stabler neuen Potenzialen nach, vor allem für Drittmittel-Kooperationen. Mit Erfolg. Zusätzlich zum Hochschuletat von 50 Mio. € sammelt die TU bis zu 35 Mio. € jährlich ein.
Dafür sorgen neben dem Technologietransfer auch universitätsnahe privatwirtschaftlich geführte Gesellschaften wie die Unitec GmbH, das Forschungszentrum für Leichtbauwerkstoffe Panta Rhei GmbH oder das Centrum für Energietechnologie Brandenburg GmbH CEBra. „Damit gewinnen wir zunehmend Studierende und schaffen für unsere Absolventen gute Gründe, in Brandenburg zu bleiben“, freut sich Stabler.
Gewinnerin der Service-Aktivitäten ist nicht nur die Hochschule, die ihr Image ranking-gerecht poliert, sondern allemal die Region. Auch in Kassel. In den letzten Jahrzehnten sind dort unzählige Unternehmen durch Uni-Absolventen entstanden. „Namentlich bekannt sind uns 300 mit weit über 6000 Mitarbeitern“, freut sich Froharth. Professionelles Hochschulmanagement zeigt Erfolg und Effizienz – und schafft gleichzeitig die alte, langmütige Alma mater ab, die wenig zielgerichteten Bildungshunger stillte. RUTH KUNTZ-BRUNNER
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