Diplom-Ingenieur: Welche Hochschulen bieten den Titel noch an?
Trotz der Umstellung auf die Abschlüsse Bachelor und Master genießt der Diplom-Ingenieur einen sehr guten Ruf. Etliche Hochschulen in Deutschland bieten den Titel Dipl.-Ing. daher noch immer oder wieder an. Ein Überblick.
Der gute alte Titel Diplom-Ingenieur oder Diplom-Ingenieurin – so mancher Master-Absolvent wünscht sich die frühere Bezeichnung zurück. Doch das Gute ist: So richtig verschwunden ist das Diplom im Ingenieurwesen an deutschen Hochschulen nie. Zahlreiche Universitäten oder Fernhochschulen bieten den erstrebenswerten Titel noch oder wieder an.
Früher war die Situation relativ einfach: Schulabgänger haben sich für eine Fachrichtung entschieden – zum Beispiel Elektrotechnik oder Maschinenbau – und am Ende stand der Diplom-Ingenieur bzw. die Diplom-Ingenieurin auf dem Abschlusszeugnis. Inzwischen haben sich diese recht überschaubaren Wege im übertragenen Sinne in ein kompliziertes Netz aus Straßen und Abzweigungen innerhalb der Studienzeit verwandelt. Denn im Vordergrund stehen nun die Bachelorabschlüsse, auf die ein Master aufgesattelt werden kann. Erst dieser ist das Äquivalent zum Diplom-Ingenieur. Bis dahin sind jedoch zahlreiche Kombinationen möglich, sodass vielen Studierenden die inhaltliche Entscheidung über die genaue Fachrichtung schwerfällt.
Inhalt dieses Artikels über den Diplom-Ingenieur:
- Die aktuelle Lage in Deutschland
- Der Auftakt im Bologna-Prozess
- Welchen Abschluss wählen?
- Liste aller Diplom-Studiengänge
Noch komplizierter wird es durch die Möglichkeit, weiterhin ein Diplom-Ingenieur, also ein Dipl.-Ing. statt ein M.Sc. oder ein M.Eng. zu werden. Einige Hochschulen bieten als Alternative zu den Bachelor-Studiengängen mit anschließendem Master Diplom-Studiengänge an. An anderen Hochschulen können die Studierenden an einen Bachelor noch einige Semester dranhängen, um den Titel Diplom-Ingenieur oder Diplom-Ingenieurin zu erwerben. Auch im Fernstudium und berufsbegleitend können junge Ingenieuranwärter Diplom-Ingenieur werden. Angehende Ingenieure und Ingenieurinnen stellt das vor schwierige Fragen. Sie müssen sich nicht nur inhaltlich für eine Fachrichtung und einen Schwerpunkt entscheiden, sondern auch abwägen, ob der akademische Titel Bachelor, Master oder Diplom am ehesten mit ihren beruflichen Zielen übereinstimmt.
Ist Diplom-Ingenieur gleich Master?
Durch den Bologna-Prozess wurde die Studien-Abschlussbezeichnung Master im Rahmen einer neuen Studienstruktur in Europa eingeführt. So sollen Studierende in ganz Europa dieselben Studienbedingungen und anerkannte Abschlüsse vorfinden. Der zuvor verliehene akademische Diplom-Grad entspricht in der Regel dem Mastergrad.
Europäische Hochschulreform: Bachelor und Master statt Diplom-Ingenieur
Grund für das unterschiedliche Angebot an Studienabschlüssen ist der bereits angesprochene Bologna-Prozess, den 29 europäische Bildungsminister 1999 in der italienischen Stadt Bologna gestartet haben. Ihr Ziel war es, die europäischen Hochschulabschlüsse zu harmonisieren, um einerseits für eine bessere Vergleichbarkeit zu sorgen und den internationalen Wechsel zwischen Hochschulen zu erleichtern. Andererseits sollte das einheitliche System zur Leistungsbewertung – das European Credit Transfer System (ECTS) – der Qualitätssicherung dienen. Die Umstellung rief unmittelbar Kritiker auf den Plan, die das verschulte System der Studiengänge bemängelten, das wenig Raum für Eigeninitiative lasse und zu stark mit Prüfungen belastet sei. In den Ingenieurwissenschaften kam zudem eine andere Befürchtung zum Tragen: Die Branche würde den Diplom-Ingenieur verlieren, der als Titel geradezu ein Markenzeichen im Ausland war.
Etliche Hochschulen haben sich daher dazu entschieden, den Diplom-Ingenieur weiterhin anzubieten – parallel zu den international geforderten Bachelor-, beziehungsweise Masterabschlüssen. Andere haben ihn nach einer Übergangszeit erneut eingeführt. Dabei sind die Hochschulen übrigens nicht frei in ihrer Entscheidung. In Deutschland herrscht die sogenannte Kulturhoheit der Länder. Im Hochschulgesetz des jeweiligen Bundeslandes muss daher die Möglichkeit zum Diplom-Ingenieur oder Diplom-Ingenieurin verankert sein.
Welchen Abschluss sollten angehende Ingenieure und Ingenieurinnen anstreben?
Die Frage, für welchen Weg sich nun der jeweilige Studieninteressierte entscheiden sollte, lässt sich mit all diesen Informationen jedoch nicht beantworten. Denn es liegen keine Statistiken vor, die eine Auskunft darüber ermöglichen, ob ein Diplom-Ingenieur bessere Karrierechancen hat als ein Ingenieur mit Bachelor- und Master-Abschluss. Schließlich entscheiden viele Faktoren über die Vergabe attraktiver Stellen, unter anderem die genaue fachliche Ausrichtung, eventuelle Zusatzqualifikationen, Soft Skills, praktische Erfahrungen, gegebenenfalls vorherige Stationen in der Karriere und nicht zuletzt das Auftreten und die Persönlichkeit des Bewerbers. Der Arbeitsmarkt für Ingenieure und Ingenieurinnen sieht darüber hinaus weiter sehr gut aus. Entsprechend können sie sich auch auf Stellen im Ausland bewerben, unabhängig davon, ob sie einen Dipl.-Ing. auf ihrer Visitenkarte vorweisen können oder einen alternativen Abschluss.
Fakt ist, dass Master-Absolventen mittlerweile etwas mehr verdienen als die „guten alten Diplom-Ingenieure“. Auskunft gibt unsere Gehaltsstudie von ingenieur.de. Das durchschnittliche Gehalt eines Master-Absolventen liegt bei 50.700 Euro brutto im Jahr. Steigt man mit dem Titel Dipl.-Ing. ein, sind es 48.000 Euro brutto im Jahr.
Eine Entscheidungshilfe kann jedoch der Aufbau des Studiums selbst sein. Denn der Diplomabschluss ist vergleichbar mit dem Master, es handelt sich aber um einen einzigen durchgehenden Studiengang. Im Klartext heißt das: Nach dem Bachelor müssen sich die Studierenden entscheiden, welchen Master sie an welcher Hochschule belegen wollen. Teilweise gelingt die Fortsetzung des Studiums nach einem Bachelor allerdings nicht direkt im Anschluss, weil im angestrebten Masterstudiengang beispielsweise kein Studienplatz frei ist, sodass manche Studierende ein Semester warten müssen, ehe sie mit dem Master beginnen können. Diese zeitliche Lücke fällt bei einem Diplom-Studiengang von vornherein weg – und kann für Studenten, die sich keinesfalls mit einem Bachelor begnügen wollen, ein Vorteil sein.
Ein weiteres Argument könnte der Aufbau beziehungsweise das Bewertungssystem innerhalb der Studiengänge sein. Denn bei einem Diplom-Studiengang gehen – anders als beim Bachelor beziehungsweise später Master – die Noten oder Credit Points nicht ab dem ersten Semester in die spätere Endnote ein. Es besteht also eine Art Orientierungsphase, in der sich ein Ausrutscher nicht auf den Abschluss niederschlägt. Auf der anderen Seite gibt es Befürworter der Bachelor- und Masterabschlüsse, die die Bezeichnung Diplom-Ingenieur für veraltet halten und für unvereinbar mit einem modernen Studienaufbau
Auch für das strikte, verschulte Seminarsystem eines Bachelors gibt es gute Argumente. Es gibt gerade jungen Menschen früh eine Orientierung, erfordert viel Disziplin und ist früher beendet. Die gewonnene Zeit können B.Eng.-Absolventen in praktische Erfahrungen investieren. Genau der Weg, den der Bologna-Prozess einst vorsah. Unterm Strich müssen Schulabgänger also individuell entscheiden, ob sie einen Bachelor-Studiengang mit anschließendem Master wählen oder zu einem Diplom-Ingenieur werden wollen.
Liste der Studiengänge mit dem Abschluss Dipl.-Ing. oder Diplom-Ingenieur (FH)
Die Hochschullandschaft befindet sich in einem permanenten Wandel. Für die nachfolgende Liste übernimmt ingenieur.de daher keine Gewähr. Bitte erkundigen Sie sich bei der jeweiligen Hochschule im Detail nach den angebotenen Diplom-Studiengängen.
An der Technischen Universität Chemnitz wird ein Studiengang der Ingenieurwissenschaften angeboten, bei dem Studierende den Abschluss Diplom-Ingenieur erreichen können:
- Maschinenbau
Auch an der Technischen Universität Dresden kann der Universitätsabschluss das Diplom sein. Das Angebot an Studiengängen, für die sowohl ein Bachelor- und Masterabschluss als auch ein Diplom möglich ist, ist sehr umfangreich:
- Architektur
- Bauingenieurwesen
- Elektrotechnik
- Informationssystemtechnik
- Maschinenbau
- Mechatronik
- Regenerative Energiesysteme
- Verfahrenstechnik und Naturstofftechnik
- Verkehrsingenieurwesen
- Werkstoffwissenschaft
- Wirtschaftsingenieurwesen
An der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden kann der Abschluss Diplom-Ingenieur (FH) erworben werden. Ähnlich wie an der TU Dresden setzt auch die HTW Dresden auf ein großes Angebot an Diplom-Studiengängen für angehende Ingenieure. Zwei davon können im Fernstudium absolviert werden:
- Bauingenieurwesen
- Elektrotechnik und Informationstechnik
- Elektrotechnik/Informationstechnik (Fernstudium)
- Fahrzeugtechnik
- Gebäudesystemtechnik
- Maschinenbau
- Produktionstechnik
- Wirtschaftsingenieurwesen
- Vermessungswesen (Fernstudium)
Wer Diplom-Ingenieur oder Diplom-Ingenieurin werden möchte, kann sich auch für die Technische Universität Bergakademie Freiberg entscheiden. Die Universitätsleitung verfolgt das Konzept, für eine große Zahl der entsprechenden Studiengänge Varianten anzubieten:
- Fahrzeugbau: Werkstoffe und Komponenten
- Geotechnik und Bergbau
- Keramik, Glas- und Baustofftechnik
- Markscheidewesen und Angewandte Geodäsie
- Maschinenbau
- Nanotechnologie
- Verfahrenstechnik
- Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie
- Wirtschaftsingenieurwesen
An der Technischen Universität Ilmenau wurde die Möglichkeit zum Abschluss Dipl.-Ing. bewusst wieder eingeführt. Derzeit bezieht sich das Angebot auf zwei Studiengänge:
- Elektrotechnik und Informationstechnik
- Maschinenbau
Die Hochschule Mittweida hat keinen durchgängigen Diplom-Studiengang im Portfolio. Den Abschluss Diplom-Ingenieur (FH) kann man trotzdem erwerben. Die erste Variante ist ein Aufbaustudiengang, die Alternative ist ein berufsbegleitendes Fernstudium:
- Elektrotechnik (Fernstudium)
- Maschinenbau (Aufbaustudiengang)
- Mechatronik (Aufbaustudiengang)
- Technische Informatik (berufsbegleitendes Fernstudium)
- Wirtschaftsingenieurwesen (Fernstudium)
Wer sich für die Technische Universität Kaiserslautern entscheidet, kann ebenfalls Diplom-Ingenieur werden. Allerdings wird dieser Abschluss nur für einen einzigen Studiengang angeboten:
- Maschinenbau und Verfahrenstechnik
An der Hochschule Stralsund wird der Diplom-Ingenieur (FH) als Ergänzungsstudiengang angeboten:
- Wirtschaftsingenieurwesen (Ergänzungsstudiengang)
An der Hochschule RheinMain in Wiesbaden kann der Abschluss Diplom-Ingenieur (FH) für ein berufsbegleitendes Studium gewählt werden:
- Berufsintegriertes Studium Elektrotechnik
An der Hochschule Wismar hat sich ein Diplom-Studiengang für Informatiker gehalten, der mit dem akademischen Grad Dipl.-Wirt.-Inf./in (FH) abgeschlossen werden kann:
- Wirtschaftsinformatik (berufsbegleitendes Fernstudium)
Für die Westsächsische Hochschule Zwickau hat der Diplom-Ingenieur (FH) einen hohen Stellenwert, wie sich an dem umfangreichen Angebot an entsprechenden Studiengängen ablesen lässt:
- Automobilproduktion
- Elektrotechnik
- Gebäude-, Energie- und Klimatechnik
- Industrial Management and Engineering
- Informations- und Kommunikationstechnik
- Kraftfahrzeugelektronik
- Kraftfahrzeugtechnik
- Maschinenbau
- Umwelttechnik und Recycling (berufsbegleitend)
- Verkehrssystemtechnik
- Wirtschaftsingenieurwesen (auch berufsbegleitend)
- Wirtschaftsinformatik (berufsbegleitend)
An der Hochschule Zittau/Görlitz können Studierende zwischen fünf verschiedenen Studiengängen wählen, wenn sie den Abschluss Dipl.-Ing. (FH) anstreben:
- Automatisierung und Mechatronik
- Elektrische Energiesysteme
- Energietechnik
- Maschinenbau
- Wirtschaftsingenieurwesen
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