Hippler: „Promotion und Forschung sind nicht auf die billige Art zu haben“
Am 1. Mai trat Horst Hippler das Amt des Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), die sich als „Stimme der Hochschulen“ versteht, an. Als Gründungspräsident der TU9, eines Zusammenschlusses der neun großen technischen Universitäten in Deutschland, machte sich Hippler vor allem unter Fachhochschulvertreten nicht nur Freunde. Polarisierer und dennoch Vertreter aller Hochschularten zu sein – darin sieht der Physik-Professor keinen Gegensatz.
Hippler: Wichtig ist, dass die HRK eine starke Stimme hat. Ich hoffe, dass ich die erheben kann. Inhaltlich geht es um die Qualität der gesamten deutschen Hochschullandschaft. Sie ist in ihrer Vielfalt sehr gut aufgestellt. Es stellt sich allerdings die Frage, wie künftig dieses breite Spektrum bei wachsenden Studierendenzahlen ausreichend finanziell versorgt werden kann.
Hippler: Das zählt nicht zu meinen vorrangigen Aufgaben. Der Druck, den Fachkräftemangel in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, die Red.) zu beheben, kommt aus der Wirtschaft, nicht aus den Hochschulen. Diese müssen für die nötige Qualität der Studierenden sorgen. Darum habe ich mich zu kümmern.
Hippler: Ich denke schon. Ein Präsident ist nicht dazu da, alles weichzuspülen, sodass keine Meinung mehr zu erkennen ist. Die HRK muss mit unterschiedlichen Meinungen leben können. Den Mut zur Polarisierung habe ich.
Wenn Fachhochschulen das Promotionsrecht erhalten sollen, müsste man komplett Farbe bekennen: Dann müssten die Forschung stärker betont und das Lehrdeputat reduziert werden, damit Professoren mehr Zeit für die Forschung haben. Es müsste ein entsprechendes Umfeld mit zusätzlichen Räumen geschaffen werden. Es kann nicht sein, Promotionen und Forschung auf die billige Art und Weise zu bekommen. Wenn die FH anderer Meinung sein sollten, sollen sie das natürlich äußern dürfen. Mein Standpunkt ist eindeutig: Promotionen gehören an die Universitäten.
Hippler: Wir brauchen die FH- und die universitäre Ausbildung. Das Studium an Fachhochschulen ist sehr gut, sie sind gleichwertig mit den Universitäten, aber nicht gleichartig. Sie verfolgen andere Ziele. Die Universitäten sollten angehende Ingenieure in fünfjährigen Studiengängen zu Qualifikationen führen, die der Qualität des alten Diploms entsprechen. Das kann der Bachelor nicht leisten.
Hippler: Die Stimmen der Studierenden fließen in die Meinungsbildung der HRK mit ein. Ich gebe zu, dass das nicht immer so gesehen wird. Es wird dabei weniger um hochschulpolitische Themen gehen, sondern um die Frage, ob die Hochschulen in der Lage sind, ihre Versprechen gegenüber den Studierenden einzuhalten.
Hippler: Der Begriff „Studiengebühren“ führt in die Irre. Man hat niemals Studienplätze über diese Quelle bezahlt. Es sollte „Studienbeiträge“ heißen. Ich halte die Beiträge für sinnvoll – auch wenn es politisch zurzeit nicht umsetzbar ist. Ohne die Beiträge sind die Hochschulen kaum zu finanzieren. Parallel dazu sollte ein Stipendienprogramm aufgebaut werden, damit Härtefälle vermieden werden und eine sozial gerechte Finanzierung erfolgt. Das jüngst angelaufene einkommensunabhängige Deutschlandstipendium wird die Stipendienkultur in Deutschland positiv beeinflussen.
Hippler: Ich habe immer noch nicht verstanden, welche Ziele Bologna verfolgen soll – abgesehen von der Bildung eines gestuften Abschlusses. Den halte ich für sinnvoll, weil der praxisorientierte Bachelor an Fachhochschulen einen ersten Berufszugang bietet, auf dem der forschungsorientierte Master aufsetzen kann.
In Deutschland haben wir an die Reform aber etwas zu intensiv Hand angelegt. Wir haben das Studium kräftig verschult. Das war der falsche Weg. Wir sollten darauf achten, dass wir das Wort „Education“ nicht nur mit „Ausbildung“ übersetzen. Es bedeutet auch „Bildung“ und „Erziehung“. Zur Erziehung eines mündigen Staatsbürgers gehört die Fähigkeit zur Reflexion. Die Verschulung des Studiums behindert das.
Eine Reform ist im Übrigen nie ganz abgeschlossen. Man sollte immer nach Verbesserungen schauen.
Hippler: Man muss unterscheiden: Es gibt viele Länder in Europa, an deren Hochschulen nicht geforscht wird und die eine Art weiterführender Schulen sind. Insofern hat Deutschland eine völlig andere Tradition der universitären Ausbildung. Für die anwendungsorientierte Ausbildung im Sinne der Beschäftigungsfähigkeit wurden Fachhochschulen gegründet.
Hippler: Da sehe ich mich von der Politik ein wenig alleingelassen. Die politische Rendite lässt in Bildungsfragen etwas länger auf sich warten als in anderen Bereichen. Erträge werden erst erzielt, wenn Legislaturperioden längst abgelaufen sind und sich politische Leistungsnachweise nicht mehr in Wählerstimmen auszahlen. Wenn die akademische Ausbildung aber an Qualität einbüßt, auch weil sie zu sehr in einen Massenbetrieb mündet, dann bekommt die deutsche Wirtschaft tatsächlich ein großes Problem.
Hippler: Das halte ich für möglich. Zum einen stehen die deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen vergleichsweise gut da. Im Gegensatz dazu hat etwa Großbritannien die staatlichen Mittel für die Hochschulen um etwa 40 % gekürzt. Die besten Wissenschaftler werden sich überlegen, ob sie in Großbritannien bleiben sollen. Ähnliches gilt für Spanien und Griechenland. In den USA gab es während der Finanzkrise die gleichen Probleme. Es war für uns am Karlsruher Institut für Technologie nicht schwierig, an junge, sehr gute Wissenschaftler aus den USA heranzukommen. Die deutsche Hochschullandschaft wird jetzt international viel besser wahrgenommen, auch wegen der Exzellenzinitiative.
Hippler: Bei der Finanzierung der Studienplätze muss sich der Bund stärker beteiligen. Er lebt wesentlich auch von den Steuereinnahmen der Gutverdienenden, die an unseren Hochschulen ausgebildet werden. Damit steht der Bund in der Verantwortung, die Studienplätze nachhaltig mitzufinanzieren. Es wird sicherlich möglich sein, das Kooperationsverbot in Bildungsfragen so abzuändern, dass der Bund sich finanziell beteiligen kann.
Hippler: Je mehr Drittmittel eine Hochschule einnimmt, desto stärker ist der Eigenbeitrag, um Projekte fahren zu können. Das hat zur Folge, dass die erfolgreichsten Hochschulen vor dem Kollaps stehen. Das könnte eine Vollkostenfinanzierung öffentlich geförderter Projekte ändern. Soll heißen: Weniger staatlich geförderte Projekte, dafür aber deren komplette Durchfinanzierung.
Hippler: Ich bin ein Freund klarer Worte.
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