Hochschule: Mit diesem Zentrum will Düsseldorf die digitalste Stadt sein
Auf einem noch freien Gelände der Hochschule Düsseldorf (HSD) soll ein Zentrum für Digitalisierung entstehen. Was das für die Stadt bedeutet und warum das Zentrum so wichtig für die Lehre und Forschung ist, lesen Sie hier.
Das neue Zentrum soll dafür sorgen, dass Düsseldorf seinen Spitzenplatz bei der Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen ausbaut. Wie das gelingen kann und welche neuen Studiengänge an der HSD entstehen, hat INGENIEUR.de mit Loretta Salvagno, Vizepräsidentin für den Bereich Wirtschafts- und Personalverwaltung an der Düsseldorfer Hochschule, besprochen.
ingenieur.de: Auf dem Gelände der Hochschule Düsseldorf soll ein Zentrum für Digitalisierung und Digitalität, kurz ZDD, entstehen. Was wird das Zentrum alles beinhalten, wenn es fertig gestellt ist?
Salvagno: Das ZDD ist ein interdisziplinär angelegtes und fachbereichsübergreifend organisiertes Institut an der Hochschule Düsseldorf. Im Themenfeld von Digitalisierung und Digitalität soll dort künftig Forschung betrieben und anwendungsorientierte Lösungen entwickelt werden. Durch den Bau wird die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie mit neuartigen Studiengängen, ZDD-Speziallaboren und flexiblen, modernen Raumkonzepten zukunftsfähig ausgebaut.
Wann startet der Bau und wann soll er enden?
Bis Ende 2020 soll der Bauantrag bei der Stadt Düsseldorf eingereicht werden. Die Baugenehmigung wird dann voraussichtlich Mitte 2021 vorliegen. Wenn alles planmäßig läuft und die Genehmigung des Bauantrages und die Ausschreibung für den Generalunternehmer termingerecht laufen, findet im Wintersemester 2021/22 der Spatenstich statt. Die Bauzeit ist zunächst mit 18 Monaten geplant, sodass der Neubau voraussichtlich im Sommersemester 2023 fertiggestellt und zum Wintersemester 2023 bezogen werden kann.
Entstehen im Zuge dessen auch neue Studiengänge?
Ja, wir haben im Studienangebot des ZDD zunächst vier neuartige Studiengänge vorgesehen. Die jeweils siebensemestrigen Bachelor-Studiengänge Applied Data Science and Artificial Intelligence, kurz DAISY und Soziale Arbeit und Digitalität, kurz SADY genannt. Als Masterstudiengänge werden derzeit der dreisemestrige Master Transforming Digitality (TRADY) und Anwendungsorientierte Forschung (AOF) vorbereitet.
Wie digital ist die HSD schon und wo gibt es noch Nachholbedarf?
Die HSD hat durch ihre starken innovativen und interdisziplinären Ansätze bereits digitale Inhalte wie Data Scienes, KI, Digital Health in diversen Studiengängen und Forschungsthemen realisiert. Schon jetzt haben wir über 4,2 Millionen Euro Forschungsdrittmittel eingeworben. Zudem werden wir von der Lepper Stiftung durch eine Stiftungsprofessur für „Digitale Gesundheit und Intelligente Nutzerschnittstellen“ unterstützt. Damit sind wir auf einem guten Weg. Die Digitalität der HSD hat zudem auch im Bereich digitaler Lehre durch Corona noch einmal einen Sprung gemacht. So haben wir das Sommersemester aufgrund der Rahmenbedingungen weitestgehend online umgesetzt.
Darüber hinaus führen wir gerade in Verwaltung und Services ein neuen Campus-Management System und ein ECMS ein, um alle Prozesse mittelfristig zu digitalisieren. Außerdem ist die HSD Mitglied der digitalen Hochschule NRW und beteiligt sich an diversen Digitalisierungsoffensiven, zum Beispiel dem cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystem, Forschungsdatenmanagement oder dem Curriculum 4.0.
Wie sind Sie bzw. die Professoren an der HSD durch den Lockdown gekommen? Gab es schon digitale Lehrelemente?
Unsere Hochschule hat in allen Bereichen einen starken Digitalisierungsschub bekommen. Home-Office, Online-Lehre, virtuelle Sitzungen, all das hat hervorragend geklappt und sich sukzessive noch deutlich verbessert. Die meisten haben sich in dieser besonderen Situation unglaublich engagiert, so dass der notwendige Betrieb gesichert werden konnte und unsere Studierenden ihr Semester erfolgreich abschließen können.
Düsseldorf liegt laut dem Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos bei der Digitalisierung vorne, aber hinter Köln. Wie kann man Ihrer Meinung nach die andere Stadt am Rhein überholen?
Wir als Hochschule möchten natürlich auch Düsseldorf mit nach vorne bringen. Die gezielte Vernetzung zur Förderung des Wissenstransfers in die Gesellschaft ist zum Beispiel auch ein wesentlicher Teil des ZDD-Konzepts. Denn die HSD beabsichtigt damit, ihre Rolle als Ansprechpartnerin für Digitalisierungsthemen vor Ort und in der Region sowie als Bildungsstätte für den Aufbau digitaler Kompetenzen zu festigen. Darüber hinaus arbeiten wir mit der Landeshauptstadt bereits seit vielen Jahren auf verschiedenen Ebenen erfolgreich zusammen. Ein ganz aktuelles Beispiel dafür zeigt sich auch in der Einrichtung eines die Düsseldorfer Hochschulen verbindenen Glasfasernetzes, dass jetzt von der Stadt Düsseldorf für die HSD, Robert Schumann Hochschule und Kunstakademie genehmigt und unterzeichnet wurde. Die drei Hochschulen werden künftig ihre Dienste der Informations-, Kommunikations- und Medientechnik (IKM) gemeinsam betreiben – eine solche Kooperation findet erstmalig in Nordrhein-Westfalen statt. Das bedeutet, dass die Hochschul-Standorte mit Hilfe von Glasfaserstrecken vernetzt werden können, die in einer künftigen Ausbaustufe zu einem Glasfaserring vereint werden sollen. Dieses Netzwerk wird an die bereits bestehenden Netzwerkkomponenten der HSD angeknüpft, die den technischen Support übernehmen wird. Auch der gemeinsame Betrieb einer Telefonanlage ist Bestandteil der Kooperation. Zusammenarbeit auf dem Gebiet von IT-Infrastrukturen und Anwendungen sowie im Bereich der Medientechnik runden das Portfolio in Zukunft ab.
Sie sind Vizepräsidentin für Personal- und Wirtschaftsverwaltung an der HSD. Leidet das Hochschulwesen an Personalmangel?
Nicht in allen Bereichen, aber ganz klar im Schwerpunkt IT und in den technischen Bereichen. Umso erfreulicher ist, dass wir mit unseren ZDD Konzept wohl auch Bewerberinnen und Bewerber überzeugen konnten und auf unsere zehn ZDD Professuren über 300 Bewerbungen eingegangen sind. Der erste Ruf ist erteilt und wir hoffen, dass wir zum Sommersemester alle neuen Professuren an Board haben.
In dem Zentrum soll auf dem Gebiet der Digitalisierung geforscht werden. Gibt es dann auch bald einen Dr. Digital oder was steht hier konkret zur Erforschung?
Wir brauchen künftig „Digital-Generalisten“ mit schneller Adaptionsfähigkeit, das heißt, Expertinnen und Experten, die digitale Kompetenzen für viele Anwendungsfelder mitbringen. Dafür müssen sie aber auch mit dem Methodenwissen ausgestattet werden, um sich schnell auf neue Herausforderungen einstellen und zielorientiert ganzheitliche Lösungen entwickeln zu können. Dafür steht insbesondere der Masterstudiengang Transforming Digitality, der im Sommersemester 2021 starten wird. Gleichzeitig sind Spezialistinnen und Spezialisten in vielen Bereichen notwendig, die über fundiertes Wissen digitaler Technologien verfügen, dieses anwenden und Informationen darüber adäquat kommunizieren können. Dies wird in einem Masterstudiengang für anwendungsbezogene Forschung geschehen. Das Studium erfolgt daher projektorientiert und in Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern aus der Praxis sowie aus verschiedenen Wissensbereichen. Die problemorientierte Lehr- und Lernperspektive zielt auf die Förderung der Kooperations- und Selbstlernkompetenz ab und bildet die Grundlage zur sicheren Einschätzung bei der Auswahl, Adaption und Anwendung neuen Wissens, beispielsweise neuer Technologien. Ein Dr. Digital ist daher mittelfristig gar nicht abwegig. Zunächst aber freuen wir uns, dass durch die Umwandlung des Graduierteninstituts NRW in ein Promotionskolleg Promotionen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften kurzfristig möglich werden, etwa auch im Bereich Mensch-Technik-Interaktion oder Digitalkompetenz.
Platz für Start-ups ist vorgesehen. Arbeiten Sie hier mit digihub zusammen?
Die enge Anbindung an externe Partner ist wichtiger Bestandteil der Arbeit im ZDD. Bereits im Vorfeld haben wir hier vielfältige Kontakte geknüpft, Gespräche geführt und Überlegungen für die gemeinsame Zusammenarbeit angestellt. Die Kooperation mit Start-Ups, insbesondere natürlich mit Neugründungen unserer Studierenden, soll auch im ZDD intensiv weitergeführt werden. Ein wichtiger Aspekt ist die Anbindung an den Innovationshub, einer Kooperation von mittelständischen Unternehmen mit der HSD nahe des Düsseldorfer Hauptbahnhofs. In der gemeinsamen Arbeitsumgebung werden aktuell zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte durchgeführt und viele Kooperationen gepflegt. Hierzu zählt auch der enge Austausch mit dem digihub in Düsseldorf. Wir planen für Gründungen aus dem ZDD heraus eine spezielle Unterstützung und wollen die engen Netzwerke in die heimische Wirtschaft nutzen und ausbauen, um innovative Geschäftsideen direkt und intensiv zu unterstützen.
Hörtipp Podcast: Wenn Ingenieure und Ingenieurinnen ein Start-up gründen
Danke für dieses Interview, Frau Salvagno.
Erstmals seit ihrer Gründung 1971 hat die HSD für die Umsetzung des Baus ein Grundstück – zwischen Gebäude 6 und Gebäude 9 – erworben. Die Planung sieht ein viergeschossiges Gebäude mit 2.500 Quadratmetern Nettogrundfläche vor. Die Hochschule wird beim Bau des Zentrums von der Lepper-Stiftung unterstützt. Mehr über das Zentrum für Digitalisierung und Digitalität erfahren Sie hier.
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