Porträt 08.03.2020, 09:05 Uhr

Ilse Knott-ter Meer: Die erste Frau im VDI

Vor rund 120 Jahren wurde in Hannover eine Frau geboren, die ihrer Zeit weit voraus war. Von Kindesbeinen an war sie begeistert von Technik und Maschinen. Für eine Frau in der damaligen Zeit undenkbar. Doch Ilse Knott-ter Meer scherte sich nicht um Konventionen. Sie ging ihren Weg konsequent und immer mit der Liebe zu den Ingenieurwissenschaften.

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Die VDI Zentrale in Düsseldorf.

Foto: Sarah Janczura

Wer war Ilse Knott-ter Meer?

Ilse ter Meer wurde am 14. Oktober 1899 in Hannover als Tochter von Gustav ter Meer und Paula Behrens geboren. Ihr Vater weckte bei ihr schon früh das Interesse an technischen Dingen wie Autos und Dampfmaschinen. Warum Vater ter Meer seine Tochter in diese Richtung förderte, ist nicht bekannt. Allerdings war Gustav ter Meer selbst Ingenieur und Direktor einer eigenen Firma in Hannover, der Hanomag. Von daher ist es vielleicht verständlich, dass er seine Tochter bei ihrem Berufswunsch unterstützte.

Jedoch war es für die damalige Zeit äußerst ungewöhnlich, wenn sich Mädchen mit Maschinenbau und Technik befassten. Erst 1909 ließen viele Technische Hochschulen Frauen zum Studium zu. Durchgesetzt hatten das emanzipierte Frauen wie Elisabeth von Knobelsdorff und Therese Mogger, die beide zu den ersten deutschen Architektinnen gehören.

Ilse ter Meer besuchte in ihrer Jugend das Realgymnasium in Hannover, eigentlich eine „Knabenschule“. Dort legte sie kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ihr Abitur ab. Daran schloss sich ein Studium an (siehe unten). 1925 heiratete sie den Münchner Ingenieur Dr. Carl Knott und führte fortan den Doppelnamen Knott-ter Meer. Das Ehepaar hatte zwei Söhne, geboren 1932 und 1936. Ilses Ehemann Carl Knott war unter anderem Gründungsmitglied der Deutschen Atomkommission, Mitglied des Verwaltungsrats des Deutschen Atomforums, Fabrikdirektor und Vorstandsmitglied der Siemens-Schuckert-Werke in Nürnberg-Erlangen sowie Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Das junge Ehepaar lebte zunächst in Aachen, wo Ilse Knott-ter Meer in einem eigenen Ingenieurbüro arbeitete. Zudem begleitete sie ihren Mann häufig auf Reisen. Nach der Geburt der Söhne nahm sie sich eine berufliche Auszeit. Carl Knott starb 1987 nach 62-jähriger Ehe in München. Ilse Knott-ter Meer zog sich daraufhin in ein Seniorenwohnstift nach Rottach-Egern zurück. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie sich nicht mehr um die Ingenieurwissenschaften kümmerte. Selbst im Alter von mehr als 90 Jahren blieb sie durch das Lesen von Fachzeitschriften über Elektrotechnik und Maschinenbau auf der Höhe der Zeit.

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Ilse Knott-ter Meer starb am 3. November 1996 knapp drei Wochen nach ihrem 97. Geburtstag in in Rottach-Egern. Sie wurde an der Seite ihres Mannes beigesetzt.

Studium des Maschinenbaus

Nach dem Abitur absolvierte Ilse Knott-ter Meer ein Vorpraktikum in der Firma ihres Vaters. Im Jahr 1920 nahm sie ihr Studium des Maschinenbaus an der Technischen Hochschule Hannover, der heutigen Gottfried Wilhelm-Leibniz-Universität, auf. Im Hörsaal saß sie als einzige Frau unter 1.000 Männern. Mehr als die Hälfte davon war gegen das Frauenstudium eingestellt. Ihre männlichen Kommilitonen machten ihrem Unmut lautstark durch stampfen und pfeifen Luft. Nur einige wenige Mitstudenten zeigten sich verständnisvoll. Im Lauf ihres Studiums verschaffte sich Ilse Knott-ter Meer bei einigen weiteren Kommilitonen einen gewissen Respekt, indem sie ihre Fachkompetenz bewies. Diese Gruppe beschützte sie fortan vor verbalen Attacken.

1922 wechselte Ilse Knott-ter Meer an die Technische Hochschule München (heute: Technische Universität München). Dort lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. 1924 machte sie in München ihren Abschluss mit der Note „gut“. Übrigens zusammen mit einer weiteren Studentin: Wilhelmine Vogler. Die beiden Frauen gelten damit als erste Maschinenbau-Ingenieurinnen in Deutschland.

Nach Abschluss ihres Studiums machte sich Ilse Knott-ter Meer mit einem eigenen Ingenieurbüro selbstständig. Ob und inwieweit sie mit ihrem Ehemann zusammengearbeitet hat, ist nicht bekannt. Ungewöhnlich für die Zeit der 1920er-Jahre ist jedoch, dass Ilse Knott-ter Meer auch schon in den ersten Jahren ihrer Ehe berufspolitisch äußerst aktiv war. Das lässt vermuten, dass sie einen fortschrittlich denkenden und toleranten Ehemann hatte, denn mit ihrer emanzipierten Einstellung war die Maschinenbau-Ingenieurin ihrer Zeit weit voraus.

Nach der Geburt ihrer Söhne legte sie zwar eine berufliche Pause ein, aber einmal mehr dank ihres Vaters schaffte sie den Wiedereinstieg in den Beruf mit Bravour: Er übertrug dem Ingenieurbüro seiner Tochter die Vertretung seiner Patente, darunter Schleudermaschinen zur Abwasserreinigung, die Gustav ter Meer bei der Hanomag entwickelt hatte. Zeitweise war sie auch für die Firma Siemens & Halske in Berlin tätig, die im Zweiten Weltkrieg an der Rüstungsproduktion beteiligt war.

Ilse Knott-ter Meer im VDI

Schon kurz nach dem Studium und einige Jahre vor der Geburt der Kinder wurde Ilse Knott-ter Meer 1925 die erste Frau im Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Dazu musste jedoch zunächst die Frage geklärt werden, ob die Vereinssatzung Frauen „als Ingenieur“ überhaupt zulasse. Von dieser kleinen Hürde ließ sich Ilse Knott-ter Meer allerdings nicht beeindrucken – schließlich hatte sie bereits im Studium erlebt, dass eine einzige Frau am vermeintlich falschen Ort hunderte Männer derart in Aufregung versetzen konnte, dass sie ihre gute Kinderstube vergaßen.

Die Aufnahme im VDI machte ihre berufspolitische Arbeit deutlich einfacher. 1929 trat sie darüber hinaus der seit 1919 bestehenden englischen „Women Engineers‘ Society“ bei und 1930 gründete im Juni selbst die Gesellschaft Deutscher Ingenieurinnen (von der man danach allerdings so gut wie nichts mehr hörte). Dies geschah anlässlich der Weltkraftkonferenz 1930 in Berlin, bei der Ilse Knott-ter Meer erstmals auf andere Ingenieurinnen traf.

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Innerhalb des VDI setzte sich Ilse Knott-ter Meer dafür ein, den Ingenieurinnen des Maschinenbaus einen Platz in der Branche zu verschaffen. Dafür nutzte sie eine gewitzte Strategie: Sie versuchte, in der männerdominierten Welt der Technik, so genannte „Frauenräume“ zu schaffen und plädierte dafür, dass sich Ingenieurinnen im Gebiet der Heim- und Haushaltstechnik einen Namen machen sollten. So schrieb sie in den VDI-Nachrichten Nr. 24 vom 11. Juni 1930: „Hier gibt es ohne Zweifel viele Fragen, die am besten von einer technisch vorgebildeten Frau gelöst werden können, da sie eben doch in den Bereich der Frau fallen. Sie wird am besten beurteilen können, welche technischen Dinge und Einrichtungen für den Hausgebrauch wirklich praktisch sind (…) und wo sich Entwicklungsarbeit lohnt.“

Für eine emanzipierte Frau wie Ilse Knott-ter Meer klingt das vermeintlich rückschrittlich – Frauen für Frauentechnik. Doch wusste sie vermutlich, dass der Einstieg in die absoluten Männerdomänen des Maschinenbaus zu schwierig wäre und wählte daher diesen Weg, um Frauen nach und nach im Maschinenbau zu etablieren. Zumal, wie Ilse Knott-ter Meer in ihrem Bericht betonte, in England und Amerika bereits viele Ingenieurinnen auf diesem Gebiet tätig seien.

Ab 1956 gehörte sie zum Beirat der VDI-Fachgruppe „Haustechnik“. Außerhalb des VDI leitete sie zu dieser Zeit die deutsche Generalvertretung eines US-amerikanischen Herstellers für Elektrogeräte. 1960 gründeten sechs Frauen den VDI-Fachausschuss „Frauen im Ingenieurberuf“. Eine von ihnen war Ilse Knott-ter Meer. Der Ausschuss sollte Frauen die Technik näherbringen. Aus ihm ging das heutige VDI-Netzwerk „Frauen im Ingenieurberuf“ hervor. 1964 vertrat Ilse Knott-ter Meer die Bundesrepublik Deutschland bei der ersten Internationalen Konferenz von Ingenieurinnen in New York. Im VDI engagierte sie sich weiterhin und hielt regelmäßig Vorträge über Haushaltstechnik. Zudem Arbeitete sie im REFA-Ausschuss Hauswirtschaft mit.

Das Vermächtnis der Ilse Knott-ter Meer

Das Beispiel der ersten Maschinenbau-Ingenieurin zeigt, dass sich trotz der Zulassung zum Studium erst Mitte der 1960er-Jahre Frauen langsam in der Männerdomäne durchsetzen konnten. Damals bildeten sich erste Gruppen von Ingenieurinnen. Diese Treffen hatten zum Ziel, sich kennenzulernen und zu unterstützen. Zudem wollten die bereits ausgebildeten Frauen Ansprechpartner für junge Mädchen sein und diese für den Maschinenbau begeistern. Dennoch blieben Ilse Knott-ter Meer und ihre Mitstreiterinnen Pionierinnen. Erst mit der Bildungsoffensive Mitte der 1970er-Jahre stieg allmählich der Frauenanteil an den Technischen Hochschulen.

Heute liegt der Anteil von Frauen im Maschinenbau bei 20 %. Dies kommt allerdings auch dadurch zustande, dass einzelne Unterdisziplinen wie Textil- oder die Umwelttechnik eine hohe Frauenquote haben. Im klassischen Maschinenbau liegt die Frauenquote seit einigen Jahren konstant bei 10 %. Immerhin ist sie inzwischen zweistellig. Ilse Knott-ter Meer war ein Vorbild. Vielleicht braucht es aber noch mehr Vorbilder, damit sich mehr junge Frauen trauen, die vermeintlichen Männerfächer Maschinenbau oder Elektrotechnik zu studieren.

Ilse Knott-ter Meer hat sich im Maschinenbau einen Namen gemacht. An sie erinnert heute der Ilse-ter-Meer-Weg im Ahrbergviertel ihrer Geburtsstadt Hannover. Auch die beiden Universitäten, an denen sie ihr Studium absolvierte, ehrten die Pionierin des Maschinenbaus: An der Leibniz Universität Hannover wurde das Haus der Studierenden auf dem Maschinenbau-Campus nach ihr benannt. Die Technische Universität München wählte sie als Namensgeberin des neuen Audimax‘.

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Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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