Weiterbildung zur Prozessoptimierung 24.05.2019, 14:24 Uhr

Six Sigma: Wie funktioniert das strukturierte Qualitätsmanagement?

Eine geringere Fehlerquote bedeutet mehr Gewinn. Das lässt sich vor allem durch Qualitätsmanagement erreichen. Eine geeignete Methode ist Six Sigma, die Ingenieure in Workshops erlernen können.

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Warum Six Sigma?

Den meisten Ingenieuren ist der Begriff Sigma vertraut – er beschreibt die Standardabweichung einer Gaußschen Normalverteilung. In der betriebswirtschaftlichen Praxis wird sie unter anderem für Berechnungen im Qualitätsmanagement verwendet. So lässt sich auch die Entstehung des Begriffes Six Sigma erklären. Hier sprechen Experten vom sogenannten Sigma-Niveau, das die Fehlerquote innerhalb eines Prozesses beschreibt. Das sechste Nivea stimmt dabei mit einem Null-Fehler-Prozess überein. Experten schätzen, dass in den meisten Unternehmen ein Niveau von 3 oder 4 Sigma herrscht.

Six Sigma, der Null-Fehler-Prozess

Six Sigma (6σ) fasst also das Ziel in Worte, Fehler möglichst auf 0 zu reduzieren, dadurch einen höheren Gewinn zu generieren und gleichzeitig die Kunden in einem größeren Maße zufriedenzustellen. Dabei handelt es sich jedoch um ein abstraktes Ziel, das in der Regel nicht erreicht wird, beziehungsweise auch nicht erreicht werden soll. Denn jedes Sigma-Niveau ist rechnerisch deutlich schwerer als das vorhergegangene zu erreichen. Bei den meisten Geschäfts- und Produktionsprozessen steigt ab einer gewissen Fehlerquote der Aufwand überproportional stark an, um die verbliebenen Abweichungen zu verhindern. Das wäre nicht mehr rentabel und widerspräche demnach dem Prinzip eines maximierten Gewinns. Bei Six Sigma geht es also faktisch darum, sich dieser Schnittstelle so weit wie möglich anzunähern. Es gilt, Prozesse jeweils mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand zu optimieren.

DMAIC, die Arbeitsphasen von Six Sigma

Als Geburtsstätte der Six-Sigma-Methode gilt das Unternehmen Motorola, wo das Konzept Ende der 1980er Jahre entstand. Richtig bekannt wurde es aber erst einige Jahre später durch den Manager Jack Welch, der es bei General Electric einführte und dem Unternehmen damit zu großem Erfolg verhalf. Die Methode Six Sigma zeichnet sich durch ein klar strukturiertes Vorgehen aus, das DMAIC genannt wird. Das Kunstwort ist eine Abkürzung für die 5 Phasen, die bei Six Sigma durchlaufen werden:

Define (definieren) – Der Six-Sigma-Prozess wird über die Definition des Problems eingeleitet. Der Projektleiter legt mit Unterstützung seiner Teammitglieder fest, auf welchen Arbeitsbereich die Methoden

DMAIC steht in Großbuchstaben geschrieben, darüber klein define, measure, analyze, improve, control

Foto: panthermedia.net/ ileezhun

angewendet werden sollen und welches Projektziel sie verfolgen. Mögliche Ursachen, die es später näher zu untersuchen gilt, können bereits aufgeführt werden. Außerdem erfolgt eine Zeitplanung für den Six-Sigma-Prozess und das Team klärt, welche Ressourcen zur Verfügung stehen.

Measure (messen) – Das ist die Phase des Datensammelns. Verschiedene Tools stehen zur Verfügung, um alle notwendigen Informationen zusammenzutragen und die Größen zu messen, die für den weiteren Prozess benötigt werden.

Analyze (analysieren) – Im nächsten Schritt gilt es, die gesammelten Daten auszuwerten und dabei Ursachen für Fehler beziehungsweise schlechte Ausgangswerte zu identifizieren. Werkzeuge, die dafür verwendet werden, sind zum Beispiel das Pareto-Diagramm oder eine Materialflussanalyse.

Improve (verbessern) – Durch die Analyze-Phase im Six-Sigma-Prozess sind die größten Fehlerquellen nun identifiziert und die Beteiligten können Maßnahmen auswählen, um diese zu beseitigen oder zumindest zu verringern. Wichtig ist dabei, dass die eingesetzten Werkzeuge ihrerseits effizient sein müssen.

Control (steuern) – Greifen die eingeführten Veränderungen? Wird das erwünschte Ergebnis erreicht? Und wie sieht es mit zeitlichem Abstand aus: Halten sich alle Mitarbeiter an die angepassten Prozesse, beziehungsweise stimmen diese weiterhin mit den äußeren Umständen überein? Die letzte Phase bezieht sich also nicht allein auf eine Ergebniskontrolle, sondern vielmehr auf eine regelmäßige und andauernde Überwachung. Dabei gilt wieder, dass die Six-Sigma-Verantwortlichen Aufwand und Nutzen der eingesetzten Werkzeuge im Blick behalten müssen.

Sonderform DMADV

Eine Sonderform der Methode wird unter der Abkürzung DMADV geführt. Dabei handelt es sich um eine spezielle Six-Sigma-Form, die eingesetzt wird, wenn es darum geht, neue Produkte inklusive ihrer Prozesse einzuführen, die von vornherein den Six-Sigma-Zielen entsprechen sollen. Die ersten Schritte bleiben wie oben beschrieben Define, Measure und Analyze. Die letzten beiden Buchstaben stehen jedoch für Design und Verify (überprüfen). Mit Design ist eine Gestaltung der Produkte entsprechend der Kundenbedürfnisse gemeint. Schließlich wird überprüft (Verify), ob die Neuentwicklung den Bedürfnissen tatsächlich entspricht.

Was für Tools werden Six Sigma zugerechnet?

Die Stärke von Six Sigma besteht zum einen in der stringenten Vorgehensweise, zum anderen gibt es für jede Phase verschiedene Werkzeuge, sodass ein breites Spektrum an Analyse- und Handlungsoptionen zur Verfügung steht. Diese Tools sind insgesamt 7 Arbeitsbereichen zugeordnet, in denen jeweils 7 Werkzeuge aufgeführt sind, also insgesamt 49. In den einzelnen Phasen sind die Arbeitsbereiche mit unterschiedlichen Schwerpunkten vertreten. Prinzipiell sind sie aber nicht auf eine einzige Phase beschränkt. Welche Tools wann genau eingesetzt werden, muss der Projektleiter entscheiden, eine festgelegte Vorgehensweise gibt es nicht. Eine angemessene und effiziente Anwendung der Tools ist daher nur nach dem Besuch umfangreicher Workshops möglich. Die 7 Arbeitsbereiche sind:

Kundenwerkzeuge – Sie dienen dazu, die Bedürfnisse der Kunden und deren Ansprüche an die Qualität des Produktes oder der Dienstleistung exakt zu definieren.

Projektwerkzeuge – Eine Vorgehensweise nach den Prinzipien von Six Sigma ist faktisch ein Projekt, für dessen Durchführung verschiedene Werkzeuge des Projektmanagement hilfreich sind.

Schlankheitswerkzeuge – Die Werkzeuge in diesem Bereich sind zum Teil dem Lean Manufacturing entlehnt. Sie sollen dazu dienen, Prozesse effizienter zu gestalten und die Verschwendung von Ressourcen zu verhindern.

Managementwerkzeuge – Diese Tools sind dafür gedacht, Informationen zu sammeln, zu bewerten und daraus Lösungsansätze zu entwickeln.

Designwerkzeuge – Mit ihrer Hilfe lassen sich konkrete Fehler in Prozessen identifizieren und durch eine Umgestaltung der Vorgänge schließlich beseitigen.

Grafikwerkzeuge – Visualisierungen sind wichtig, damit alle Beteiligten die Analysen verstehen und Zusammenhänge auf einen Blick nachvollziehen können. Das gilt vor allem für die Fehleranalyse und Prozessgestaltung. Außerdem helfen sie dabei, Ergebnisse der Six-Sigma-Prozesse allen relevanten Mitarbeiter im Unternehmen zu vermitteln.

Statistikwerkzeuge zur Prozesssteuerung (SPC) – Sie sind das Herzstück von Six Sigma, da sie durch statistische Messungen Fehlerquellen in Prozessen offenlegen. Dabei werden alle potenziellen Einflussfaktoren einbezogen.

Welche Anforderungen müssen Mitarbeiter für Six Sigma erfüllen?

Die Details der einzelnen Phasen sind komplex und die Beteiligten müssen die zur Verfügung stehenden Tools gut beherrschen. Deswegen wird Six Sigma normalerweise nur von Mitarbeitern durchgeführt, die entsprechende Workshops absolviert haben. Die Bezeichnungen für die verschiedenen Niveau-Stufen sind asiatischen Kampfsportarten entlehnt, nämlich den Gürtelfarben, die es unter anderem bei Karate und Judo gibt. Mit dem jeweiligen Gürtel oder Belt sind unterschiedliche Aufgabenbereiche innerhalb des Six-Sigma-Prozesses verbunden.

Interessierte Ingenieure müssen bedenken, dass entsprechende Workshops von unterschiedlichen Einrichtungen angeboten werden und es in Deutschland keine festgelegten Standards gibt, auch wenn sich die Lerninhalte ähneln. Vor allem die Dauer der Kurse kann stark voneinander abweichen. Ein erster Hinweis auf Qualität ist es, wenn die Trainingsinstitute ihren Lehrplan an den Vorgaben der American Society for Quality (ASQ) ausrichten. Dort sind die Schulungsinhalte für die jeweiligen Gürtelfarben hinterlegt. Darüber hinaus führt der European Six Sigma Club Deutschland e.V. (ESSC-D) Zertifizierungen durch und hat auch Richtlinien für die Six-Sigma-Ausbildung erarbeitet. Sie können eine wichtige Orientierung für die Auswahl der Workshops ein. Eine besondere Ausrichtung ist die gezielte Kombination von Six Sigma und Lean Management.

Belts, die Hierarchiestufen bei Six Sigma

Gelber Gürtel / Yellow Belt

Dabei handelt es sich um eine Einstiegsqualifizierung, die dazu befähigt, Assistenzaufgaben in Six-Sigma-Projekten zu übernehmen, beziehungsweise Projektleiter aktiv zu unterstützen. Vermittelt wird ein Überblick über die verschiedenen Tools und Methoden.

Grüner Gürtel / Green Belt

Wer diese Qualifikation besitzt, beherrscht die Tools und Methoden, die Six Sigma auszeichnen und kann sie selbstständig anwenden. Das ist die nötige Voraussetzung, um entsprechende Projekte zu leiten. Diese Position ist tendenziell auf Managementebene angesiedelt. Im Rahmen der offiziellen Six-Sigma-Struktur kann sie erst nach einer mehrtätigen Weiterbildung erreicht werden. Wer als Ingenieur einen entsprechenden Workshop buchen möchte, sollte bei der Auswahl des Seminaranbieters darauf achten, worauf genau der Schwerpunkt des Kurses für den grünen Gürtel liegt, zum Beispiel auf Kreativitätstechniken, der Prozess- oder der Datenanalyse. Vermittelt werden außerdem Soft Skills wie Kommunikationstechniken.

Schwarzer Gürtel / Black Belt

Dabei handelt es sich ebenfalls um eine leitende Tätigkeit, die noch über dem Träger des grünen Gürtels angesiedelt ist. Typisch wäre hierfür die Leitung von übergeordneten Six-Sigma-Projekten, die in mehrere Teilprojekte aufgegliedert sind – geleitet von Trägern des grünen Gürtels. Der Black Belt macht zum Beispiel Sinn für Mitarbeiter, die hauptsächlich im Qualitätsmanagement eines großen Unternehmens beschäftigt sind. In Aufbaukursen können Kenntnisse in Teilbereichen weiter ausgebaut werden. Das betrifft unter anderem die Sozialkompetenz, da es sich bei Trägern des schwarzen Gürtels um Führungskräfte handelt. Voraussetzung für eine offizielle Zertifizierung ist der Abschluss von mindestens 2 Six-Sigma-Projekten und Erfahrung im Qualitätsmanagement über mindestens 3 Jahre.

Schwarzer Meistergürtel / Master Black Belt

Wer einen schwarzen Meistergürtel trägt, kann Mitarbeiter in der Six-Sigma-Methodik anleiten, die gelbe oder grüne Gürtel tragen. In einem Unternehmen kann derjenige zum Beispiel als Prozessverantwortlicher eingesetzt sein. Als solcher ist er dafür zuständig, Six Sigma als strategische Ausrichtung zu verankern und dafür eng mit der leitenden Managementebene oder der Geschäftsführung zusammenarbeitet. Er definiert Projekte für Six-Sigma-Bedarf, legt Standards für die Umsetzung der Methode fest, kontrolliert die korrekte Durchführung und prüft die Ergebnisse der Six-Sigma-Projekte. Umfangreiche Erfahrungen im Qualitätsmanagement sind für diese Stufe Voraussetzung.

Projektchampion

Er steht außerhalb des Belt-Systems und wird auch Projektsponsor genannt. Seine Aufgabe besteht darin, das Thema Six Sigma im Unternehmen zu implementieren und voranzubringen sowie die notwendigen Ressourcen bereitzustellen. Häufig hat er selbst Gürtel-Workshops absolviert, das ist aber nicht zwingend der Fall. Er ist das Bindeglied zwischen der Geschäftsführung und den Six-Sigma-Projektleitungen. Die Workshops für diese Aufgabe sind mit meist 2 Tagen verhältnismäßig kurz.

 

Weitere mögliche Gürtelstufen wie White Belt oder Blue Belt stehen außerhalb der offiziellen Six-Sigma-Systematik und werden firmenintern vergeben sowie teilweise von Weiterbildungsinstituten angeboten. Weiß beschreibt hier beispielsweise eine grundlegende Einführung, blau ist häufig mit vertiefenden Workshops für Träger des grünen Gürtels verbunden.

 

Erfahren Sie mehr:

Was machen Ingenieure im Projektmanagement?

Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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