Bachelor Additive Fertigung: 3D-Druck von der Pike auf lernen
3D-Druck von der Pike auf lernen – das soll der neue Bachelor-Studiengang an der Hochschule Landshut ermöglichen. Zum Wintersemester 2021/22 können sich Interessierte einschreiben. Wir haben mit dem Studiengangleiter Norbert Babel gesprochen, der erklärt, warum Ingenieure und Ingenieurinnen auch mal an die Werkbank müssen.
ingenieur.de: Die Hochschule Landshut bietet im Themenfeld der Additiven Fertigung ab dem kommenden Wintersemester einen zumindest in ganz Süddeutschland wohl einmaligen neuen Bachelor-Studiengang: „Additive Fertigung – Werkstoffe, Entwicklung und Leichtbau“. Was ist daran so “einmalig”?
Norbert Babel: Mir ist es in der Lehre wichtig, dass die Studierenden anhand der Additiven Fertigung nicht nur Teile konstruieren, sondern auch fertigen. Zum Hintergrund: Seit 2013 bin ich in Landshut und habe hier den Bereich Additive Fertigung aufgebaut. Ich selbst komme aus der mechanischen Konstruktion. Die von mir unterrichteten Fächer sind CAD, Reverse Engineering und Additive Fertigung; in diesem Rahmen begleite ich die Studierenden auch bei Projekt-, Bachelor- und Masterarbeiten.
Vor diesem Hintergrund ist der Gedanke entstanden, einen passenden Studiengang anzubieten um das sogenannte „Additive Thinking“ zu vermitteln. Das bedeutet, es werden gezielt die neuen Designfreiheiten, welche die Additive Fertigung ermöglicht, gelehrt, die insbesondere für die Schlüsseltechnologie Leichtbau von großer Bedeutung sind. Dabei haben wir uns schon gewundert, dass es bundesweit kaum Angebote von Bachelorstudiengängen im Bereich der Additiven Fertigung gibt. Viele Studiengänge setzen erst beim Master an, bei dem schon Vorwissen gefragt ist oder es handelt sich um Bezahlstudiengänge. Solch ein grundlegendes Bachelor-Studium gibt es meines Wissens bundesweit einfach noch nicht.
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Bachelor Additive Fertigung als „Grundausbildung“
Warum ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll wirklich einen Bachelorstudiengang Additive Fertigung zu belegen und nicht einen anschließenden Master, der weitergehende Kenntnisse des 3D-Drucks vermittelt?
Da das Interesse sowohl von den jungen Leuten als auch bei der Industrie sehr groß ist, haben wir uns dazu entschlossen hier schon mit einer „Grundausbildung“ anzusetzen. Im Bachelor decken wir die Schwerpunkte Werkstoffe, Leichtbau und Bauteilentwicklung ab. Dabei gibt es zwei Profilbildungsmöglichkeiten: den Leichtbau, sowie die Qualitäts- und Produktentwicklung. Manche Studenten wollen eher in die Richtung der Bauteilentwicklung gehen, andere wiederum interessieren sich für das Management und die Qualitätssicherung. An der Hochschule Landshut versuchen wir so eine breite Basis für die Studierenden anzubieten. Wir möchten mit dem Bachelor Additive Fertigung eine gute Grundlage bilden, weshalb die ersten Semester auch etwas maschinenbaulastig sind, da ich der Meinung bin, dass ein Ingenieur auch technisches Zeichen, konventionelle Fertigungstechniken, Werkstoffkunde oder Grundlagen verschiedener Simulationsanwendungen kennen muss.
Wie bewerten Sie denn die Arbeitsmarktchancen für Ihre Bachelor-Absolventen?
Wir haben schon einige Absolventen des Maschinenbaus, die nun in diesem Bereich arbeiten, obwohl sie keine so spezifischen Kenntnisse im Bereich der Additiven Fertigung mitbrachten, wie wir sie nun vermitteln wollen. Die breitgefächerten Berufschancen und Arbeitsangebote reichen vom Maschinenbau, über die Medizintechnik, den Automotive-Bereich inklusive der Produktions- und Zulieferindustrie bis hin zur Luft- und Raumfahrttechnik. Des Weiteren bildet der Studiengang eine gute Ausgangsbasis für verschiedene technische Masterstudiengänge an unserer Hochschule, wie z.B. den Masterstudiengang “Leichtbau und Simulation”. Von daher sehe ich da gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
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In welchen Branchen fangen Ingenieure und Ingenieurinnen denn an, wenn Sie bei Ihnen studiert haben? Es gibt ja immer wieder Leuchtturmprojekte wie Häuser aus dem 3D-Drucker. Hat sowas massentaugliche Zukunft?
Zum Thema Hausbau aus dem 3D-Drucker. Ab Herbst bieten wir ja auch das Studium zum Bauingenieur an. Das wäre für diese Sparte sehr gut geeignet. Ob dies massentauglich ist kann ich jedoch nicht zu beurteilen
Erst Praktikum, dann Bachelor Additive Fertigung
Um den Bachelor starten zu können ist ein 6-wöchiges Praktikum in einem metallverarbeitenden Betrieb Voraussetzung. Wie verarbeiten Sie die praktischen Kenntnisse der Studierenden in Ihrem Studiengang?
Uns ist es wichtig, dass die Studierenden hierzu möglichst in ein Industrieunternehmen und nicht in einen kleinen Ein-Mannbetrieb gehen. Die Studierenden sollen dort Grundlagen lernen, z.B. wie das Bohren und Gewindeschneiden und, dass man mal eine Feile in der Hand gehalten und damit gearbeitet hat. Nur wer die Praxis an der Basis erlebt hat, weiß, wovon die Rede ist und das Verständnis für die Konstruktion und das Technische Zeichnen steigt damit ganz wesentlich. Der Bezug zur Praxis ist uns hier sehr wichtig. Die Werkstattebene muss ich kennenlernen, denn was will ich als Ingenieur oder Ingenieurin, wenn mir der Facharbeiter sagen muss: Das was Sie gezeichnet haben, ist so nicht herstellbar. Diese Verbindung zur “Fertigungsbasis“ muss man sich auch später immer erhalten.
Praktika nach Fachrichtung finden – in der ingenieur.de Praktikumsbörse
Wie kann man sich das Studium nach dem Praxisteil vorstellen? Bleibt es so praxisbezogen? Salopp gesagt: Wird viel gedruckt?
Der Praxisanteil bezieht sich nicht nur auf den Teil der Additiven Fertigung, sondern ist auch in den Werkstoffkunde- und Konstruktionsfächern enthalten. Wenn es um die Verfahrenstechnik geht, nehmen wir die Studierenden mit ins Labor, um dort an den Maschinen zu arbeiten. Es gibt bei uns auch schon seit Jahren ein ingenieurtechnisches Praktikum in Richtung Additive Fertigung. Die Studierenden suchen sich z.B. Vorlagen aus und dann drucken wir das. Sie müssen schauen, welches Druckverfahren und welche Maschine geeignet ist, den Datentransfer durchführen und die Teile nach dem Druck auch selbst entstützen.
Ingenieure und Ingenieurinnen können durchaus direkt in den Job starten
Viele Menschen schaffen sich privat einen 3D-Drucker an und fertigen quasi als Hobby von Zuhause. Benötigen Ihre Studierenden gewisse Vorkenntnisse oder kann man sich auch einschreiben, wenn man noch nie etwas aus dem 3D-Drucker hergestellt hat?
Das Spektrum ist heute schon relativ groß. Einige Studenten haben schon selbst einen 3D-Drucker zuhause. Darunter auch einige Frauen, die ebenfalls schon Vorkenntnisse auf diesem Gebiet in Form von eigenen privaten Druckern mitbringen. Wenn ich Bachelorarbeiten betreue, drucken sich manche Studierenden ihre Teile schon selbst Zuhause aus. Diese Erfahrungen bringen sie auch unmittelbar mit in die Vorlesungen ein und tauschen sich mit den anderen Studierenden aus. Aber prinzipiell sind keine Vorkenntnisse in dieser Richtung für unseren Studiengang notwendig.
Die Bewerbungsphase für den Studiengang läuft offiziell bis 15. Juli.
Über Prof. Dr. Norbert Babel
Norbert Babel ist Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Landshut an der Fakultät Maschinenbau. Seine Fachgebiete sind: CAD, Reverse Engineering, Additive Manufacturing and Design. Zudem ist Babel Leiter des Labors für Additive Fertigung. Er betreut als Studiengangleiter den Bachelor Additive Fertigung – Werkstoffe, Entwicklung und Leichtbau.
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