BAföG in der Krise: Warum die Studienfinanzierung reformiert werden muss
Die Studienfinanzierung in Deutschland steckt in der Krise: Trotz staatlicher Angebote erhalten mehr als 80 % der Studierenden keine finanzielle Unterstützung.
Studieren ist eine tolle Erfahrung, doch die Frage nach der Finanzierung bleibt für viele eine Herausforderung. Nicht alle Studierenden können auf die Unterstützung der Eltern zählen und sind daher auf staatliche Förderungen angewiesen. Es ist kein Geheimnis, dass der Bildungserfolg in Deutschland stark vom Elternhaus geprägt ist. Kinder akademisch gebildeter Eltern haben tendenziell bessere Chancen auf einen Hochschulabschluss. Auch die Einwanderungsgeschichte und das Alter bei der Zuwanderung spielen eine entscheidende Rolle und wirken sich erheblich auf den Bildungsweg im Erwachsenenalter aus.
Doch die zentrale Frage bleibt: Wie gut ist das System der Studienfinanzierung wirklich auf die heutige Lebensrealität der Studierenden abgestimmt?
In Deutschland nutzen Studierende staatliche Unterstützung zur Studienfinanzierung kaum. Laut einer aktuellen Analyse des CHE Centrum für Hochschulentwicklung erhalten über 83 % der Studierenden keine finanzielle Hilfe aus Programmen wie BAföG, Stipendien oder Studienkrediten. Das CHE schlägt vor, durch politische Maßnahmen die finanzielle Unterstützung für Bildung zu verbessern.
Nur 16,9 % der Studierenden erhalten staatliche Unterstützung
Im Jahr 2023 bekamen höchstens 16,9 % der Studierenden in Deutschland staatliche finanzielle Unterstützung. Das ist ein Anstieg von weniger als einem Prozentpunkt im Vergleich zum Vorjahr, der hauptsächlich durch die höhere Zahl an BAföG-Empfängern nach der 27. BAföG-Reform erklärt wird.
Im Jahr 2023 erhielten etwa 360.000 Studierende BAföG, was rund 12,55 % entspricht. Zusätzlich wurden 67.933 Studierende (2,37 %) durch Stipendien wie das Aufstiegsstipendium, das Deutschlandstipendium oder Programme der Begabtenförderungswerke unterstützt. Zudem nutzten 56.863 Studierende (1,98 %) einen staatlichen Studienkredit.
BAföG bleibt hinter den Bedürfnissen der Studierenden zurück
Das CHE hat zum zweiten Mal alle Nutzungszahlen staatlicher Finanzierungsmöglichkeiten für Studierende auf Bundes- und Länderebene zusammengetragen. Die Daten stammen vom Statistischen Bundesamt, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie von Angaben der Anbieter, die auf Anfrage des CHE bereitgestellt wurden.
„So erfreulich es ist, dass die BAföG-Zahlen zuletzt leicht gestiegen sind: 87,5 % der Studierenden erhalten weiter kein BAföG. Das wichtigste Finanzierungsangebot des Landes ist weiterhin nicht auf der Höhe der Zeit, es passt nicht mehr zur Lebensrealität der Studierenden“, resümiert Ulrich Müller, Leiter politische Analysen beim CHE. „Während sich die Hochschulwelt weiterentwickelt hat, sind die staatlichen Fördermittel stehen geblieben. Die finanzielle Absicherung von Studierenden hängt aktuell vor allem an der Unterstützung im familiären Umfeld und an ihrer Eigeninitiative, sprich: der Möglichkeit, einen Nebenjob nachzugehen.“
Ungleiche BAföG-Förderung
Die BAföG-Förderquoten unterscheiden sich deutlich zwischen den Bundesländern. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern erhält etwa jede bzw. jeder fünfte Studierende BAföG, während es in Hamburg, dem Saarland und Thüringen nur etwa 10 % sind.
„Diese Unterschiede lassen sich nicht allein mit der Wirtschaftskraft der Länder erklären, die Gründe sind komplexer“, kommentiert Müller. Die großen Unterschiede in den Zahlen zeigen Probleme mit der Bekanntheit und Akzeptanz, die durch fehlende Transparenz und schlechte Kommunikation verstärkt werden.
Reformstau bei der Studienfinanzierung?
Ulrich Müller erklärte, man sehe seit Jahren bei BAföG und ähnlichen Angeboten einen großen Reformbedarf. Besonders der KfW-Studienkredit und der Bildungskredit würden an Bedeutung verlieren. Es scheine, als hätten sowohl Studierende als auch Politiker und Politikerinnen stillschweigend akzeptiert, dass die Studienfinanzierung keine staatliche Aufgabe, sondern eine private Angelegenheit der Studieninteressierten sei.
„Wenn im öffentlichen Nahverkehr eine wichtige Bahnlinie nicht zuverlässig fährt oder am Bedarf vorbeigeplant wird, steigen die Nutzerinnen und Nutzer auf das Auto um. Das heißt aber nicht, dass die Bahn überflüssig ist – sie muss vielmehr dringend an die Bedürfnisse der Fahrgäste angepasst werden. Den gleichen Fall sehen wir auch beim BAföG oder beim KfW-Studienkredit. Zukunfts- und bedarfsorientierte staatliche Studienfinanzierung sieht anders aus.“
Der Experte sieht dabei für die kommende Bundesregierung aufgrund der aktuellen Zahlen dringenden Handlungsbedarf. Zum einen müsse die BAföG-Förderung an die heutige Lebenssituation der Studierenden angepasst werden. Außerdem sollten staatliche Förderungen in einem flexiblen und umfassenden System zusammengeführt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt sei, den Studierenden mehr Orientierung und Sicherheit bei Finanzierungsfragen zu bieten.
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