Auszubildende 25.01.2013, 12:45 Uhr

Botschafterinnen künden vom Spaß an der Technik

Nein, danke. Laut, dreckig, gefährlich und die Fingernägel brechen ständig ab. So denken viele Mädchen über technische Berufe, weiß Sina Frings aus ihrer Schulzeit. Heute überzeugt die angehende Zerspanungsmechanikerin Schülerinnen davon, dass Technik doch das Richtige für sie sein kann: als „Botschafterin“ im Modellprojekt MINTrelation in Ostwestfalen-Lippe.

Trotz aller Initiativen sind technische Berufe für Mädchen immer noch mit negativen Vorurteilen behaftet.

Trotz aller Initiativen sind technische Berufe für Mädchen immer noch mit negativen Vorurteilen behaftet.

Foto: dpa

Mit Hammer und Säge konnte Sina Frings schon immer mehr anfangen als mit Nadel und Faden. Ein Tag der offenen Tür bei Weidmüller brachte sie auf die Idee, eine Ausbildung als Zerspanungsmechanikerin zu machen. Mittlerweile ist sie im dritten Ausbildungsjahr und überzeugt, den richtigen Beruf gewählt zu haben. Den will sie anderen jungen Frauen näher bringen: als sogenannte MINT-Botschafterin.

Beim Detmolder Hersteller von Komponenten für die industrielle Automatisierung gibt es drei von ihnen. Sina Frings und die angehenden technischen Produktdesignerinnen Saskia Lux und Sabrina Tielker kümmern sich um vier Mädchen aus verschiedenen Schulformen. „Wir haben ihnen einen Einblick in alle Berufe verschafft, die Weidmüller anbietet“, sagt Frings: die Fertigung und die hauseigene Akademie besichtigt, an der Maschine Teile gefräst, im 3D-Zeichenprogramm einen Druckluft-Kolbenmotor zusammengebaut. „Wir machen das, weil wir nur wenige Frauen in der Firma sind und weil wir eben wissen, dass Technik nicht schlimm ist. Die Fach- und Vorarbeiter sind sehr hilfsbereit, sie machen sogar die Drecksarbeit für mich“, schmunzelt sie: Frau zu sein, habe schon seine Vorteile.

Sina Frings und ihre Kolleginnen genießen Exotenstatus. Das Kompetenzzentrum Diversity und Gleichstellung veröffentlicht folgende Zahlen: Nur 4,1 % der Auszubildenden, die eine Lehre in der Elektrotechnik anfangen, sind weiblich. Bei der Metallverarbeitung sind es nur 2,7 % (Stand 2010). Die Metall- und Elektroindustrie bietet überdurchschnittliche Bezahlung und Aufstiegschancen, trotzdem sieht es auch bei Ingenieurinnen nicht viel besser aus.

Waren denn alle Förderinitiativen umsonst? „Es hängt mit dem negativen Image der technischen Berufe zusammen“, glaubt Projektkoordinatorin Ulrike Schmidt vom Mädchen-Berufsorientierungsportal LizzyNet. Die jungen Frauen dächten immer noch an schwere körperliche Arbeit in düsteren Räumen, allein mit der Maschine, wenig Kommunikation mit den Kollegen. Zumindest bei den 60 Schülerinnen in MINTrelation soll sich das Bild ändern.

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„Wir versuchen, für jede die passende Botschafterin zu finden, je nachdem ob sie studieren oder eine Lehre machen wollen“, sagt Schmidt. 38 solcher Mentorinnen stehen bereit: von der Azubi über die Industriemeisterin bis zur Ingenieurin. Die Teenager kommen in die Betriebe, machen dort ihre Schüler- oder Ferienpraktika. So bekommen sie Informationen aus erster Hand und einen tieferen Einblick in den Berufsalltag.

Und sie erzählen es ihren Freundinnen. Zurzeit nehmen die Teams Film- und Radiospots auf und gestalten Flyer. Auch an den Internetauftritt ihrer Unternehmen wollen sie sich heranmachen. Denn dieser ist selten für Mädchen attraktiv: zu viele trockene Fakten, zu viele Fachtermini, zu wenig Menschliches.

Botschafterin Astrid Penner würde die Familienfreundlichkeit herausstellen: Videos über erfolgreiche Singles, die sich in der Technikwelt durchschlagen, gebe es schon. „Aber es gibt nichts über die Frau in der Familie, die alles unter einen Hut bringt“, meint die dreifache Mutter, die in Teilzeit arbeitet. Sie wünscht sich Berichte über „normale Frauen“ in technischen Berufen, über ihre Leistungsfähigkeit und soziale Kompetenz.

Die Elektroingenieurin programmiert bei Siemens in Bielefeld Bedienoberflächen von computergesteuerten Maschinen. Der Job sei äußerst kommunikativ, schreibt sie in ihrer Präsentation bei LizzyNet: „Da man die Bilder an der Maschine oder in einem Leitstand bedient, müssen viele Besprechungen stattfinden, damit alle zufrieden sind. Deshalb ist es gut, wenn man gerne und viel redet und auch noch weiß, wovon.“

Astrid Penner ist überzeugt, dass sich viel mehr junge Frauen für MINT-Fächer melden werden, „wenn wir davon abkommen, nur die überaus begabten auszuwählen“. Fragen stellen, neugierig sein – das sei wichtiger als die Noten in der Schule. „Das kann am besten jemand vermitteln, der in der Technik arbeitet.“

Das Beste am Ingenieurberuf seien die Erfolgserlebnisse: „Die Maschinen, Programme und Zeichnungen werden irgendwann laufen oder realisiert. Wenn dann das fertige Produkt hinten aus der Maschine purzelt, ist das ein persönlicher Erfolg, den man erst einmal mit nichts vergleichen kann.“

„Wir brauchen dringend auch weibliche Talente“, sagt Wolfgang Gwiasda, Ausbildungsleiter bei Weidmüller. Das Familienunternehmen hat zahlreiche Kontakte zu Schulen, mehrere Projekte speziell für Mädchen. 5 % mehr weibliche Auszubildende hat das in den letzten Jahren gebracht. Beachtlich, aber vor allem in der Produktion könnten es mehr sein. Gwiasda wünscht sich, dass MINT-
relation nach 2013 weitergeht und ist bereit, die Türen noch weiter zu öffnen: „Ich kann mir die Aktion auch mit sechs oder zehn Mädchen vorstellen – je mehr, desto lieber.“  M. JORDANOVA-DUDA

Ein Beitrag von:

  • Matilda Jordanova-Duda

    Matilda Jordanova-Duda ist freie Autorin für Print, Radio und Onlinemedien. Ihre Themenschwerpunkte sind Existenzgründung und Mittelstand, Energiewende und Industrie 4.0. sowie Bildung und Migration.

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