Tipps für das Pflichtpraktikum im Ausland 05.10.2018, 11:03 Uhr

Das Auslandspraktikum – ein Koffer voll Erfahrungswerte

Zu fast jedem Masterstudium gehört ein Pflichtpraktikum. Beim MBA ist es zwar nicht immer vorgeschrieben, wird aber von den Arbeitgebern gern gesehen, besonders wenn es im Ausland absolviert wird.

Attraktive Ziele gibt es viele, aber nicht alle passen ins Karriereprofil. Foto: panthermedia.net/Rawpixel

Attraktive Ziele gibt es viele, aber nicht alle passen ins Karriereprofil.

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Im Lebenslauf machen Praktika in einem Land auf der anderen Seite der Erdkugel enorm was her. Okay, nicht unbedingt nur noch solche in den USA. Wie wäre es mit Paraguay, Burundi oder Tasmanien? Bewerber mit exotischen Praktikumsdestinationen fallen auf. Doch Vorsicht: Auf keinen Fall den Trekkingurlaub ex post zur betrieblichen Lernzeit umdeklarieren! Denn bluffen lassen sich Personaler nicht.

Auslandspraktikum – Reiselust und Alltagstauglichkeit

Fast alle Studiengänge sehen drei bis sechs Monate Praxisarbeit vor. Selbst ohne Vorschrift wie beim MBA sind Praktika heute nahezu Pflicht für Studierende, um ihre Alltagstauglichkeit nachzuweisen. Bei einem Auslandspraktikum deckt sich ihre Lust auf fremde Länder und Kulturen mit den Erwartungen der Arbeitgeber: Sie kommen in die Welt hinaus, die Personaler werten das als Indiz dafür, dass der Bewerber kein Komfortzonenhocker ist.

Doch wohin soll die Reise gehen? Seitdem sich auch angehende Ingenieure, denen man früher eher Sesshaftigkeit zuschrieb, in Scharen auf den Weg ins Ausland machen, ist für Recruiter ein Praktikum in Schottland oder ein Auslandssemester in Spanien kein Hingucker mehr. Auch weit weg von Europa werden Autos gebaut, Pläne gezeichnet, Werkzeugteile konstruiert und IT-Systeme ans Laufen gebracht.

HOT: Praktika im nicht-europäischen Ausland

Personaler schätzen das „Heraustreten aus der eigenen Komfortzone“, sagt Lilian Fischer, Senior Consultant bei der Personalberatung Mercuri Urval in Hamburg. Sie hat ständig mit Personalern zu tun und weiß daher, dass Praktika außerhalb von Europa als noch einen Tick wertvoller und bedeutender als Aufenthalte im Land nebenan bewertet werden. „Es ist vermutlich herausfordernder, sich in einem Entwicklungsland zu engagieren als im benachbarten Industrieland, in der die Niederlassung vielleicht noch von einem deutschen Management gesteuert wird.“ Auch kann man bei Praktika in Schwellenländern keine Rundumbetreuung erwarten.

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Wenn ein Praktikum im entfernten Ausland den Lebenslauf schmückt, interessieren einen Personaler vor allem zwei Dinge. „Erstens: Hat der oder die Studierende bei der Suche nach dem Praktikum Eigeninitiative an den Tag gelegt? War es eine Herausforderung, den Platz zu bekommen, oder wurde er von Dritten wie etwa der Hochschule vermittelt?“ Der zweite Punkt ist für Katharina Herrmann, Arbeitsdirektorin beim Berliner Stromnetzbetreiber 50Hertz, fast noch wichtiger. „Was hat die oder der Studierende im Praktikum gelernt? Passt das zum künftigen Job und passt das zu dem, was wir suchen?“ Herrmann, Mitglied im Präsidium des Bundesverbands der Personalmanager, nennt ein Beispiel: „Wenn ich jemanden für eine Tätigkeit in der Entwicklungshilfe einstellen will, erwarte ich, dass er andere Kontinente und Kulturen kennengelernt hat. Andererseits wird ein kleines und regional tätiges Familienunternehmen solchen Erfahrungen weniger Wert beimessen.“

Plausibel dargestellt werden muss also der Nutzen des Praktikums für das suchende Unternehmen. „Wenn ein Marketingstudent sein Praktikum in Auckland damit begründet, dass sich vom neuseeländischen Dienstleistungsmarkt wichtige Trends für Deutschland ableiten lassen, dann ist das in Ordnung“, sagt Herrmann. Doch mit Bluffen käme man nicht durch: „Der Personaler wird hier tiefer nach dem Wie und Warum bohren.“

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NOT: Urlaub als Lebenslauf-Booster umdeklarieren

Martina Niemann ist Personalchefin der Lufthansa und hat selbst während ihres Studiums ein Praktikum in Singapur gemacht. Sie weiß genau, wonach sie fragen muss, um zwischen einem optisch aufbereiteten Chill- und einem echten Lernaufenthalt zu unterscheiden. Ihr Rat: Die Studierenden sollten sich klar machen, dass weltweite Praktika dank der Verfügbarkeit von billigen Reisen nichts Besonderes mehr darstellen. „Ein Praktikum in der Südsee oder in der Antarktis bedeutet nicht, dass man der oder die Beste für eine bestimmte Berufseinstiegsposition ist“, sagt Niemann. „Ausschlaggebend für die Bewertung eines Praktikums ist, ob man erkennen kann, dass es den Horizont des Kandidaten erweitert oder ob es ihm ein bestimmtes Verständnis vermittelt hat, das er anders nicht hätte erlangen können. Das ist viel wichtiger als der Standort.“

Klare Aussage: Nur für das Blatt mit dem Lebenslauf muss das Praktikum nicht Tausende von Kilometern weit weg stattfinden. Im Erkennen von optischen Aufhellern sind Personaler gnadenlos gut. Allerdings, räumt die Lufthansa-Personalchefin ein, gehe es längst nicht mehr nur um den schriftlichen Lebenslauf. Die zunehmende Automatisierung des Recruitings mithilfe von Onlineformularen, die von Algorithmen und Chatbots ausgewertet werden, gibt den Keywords in der Bewerbung eine große Bedeutung. „Außergewöhnliche Begriffe – und dazu zählen auch ungewöhnliche Praktika an Orten, die selten genannt werden – fallen den Maschinen auf“, sagt Niemann, „und damit auch den Personalern.“

Das weiß der Braunschweiger Karriereberater Klaus Boomgaarden auch. Dennoch rät er davon ab, den Tauchurlaub auf Hawaii nur deshalb zum Nautik-Praktikum umzuwidmen, damit der Computer mit einer Einladung zum Vorstellungsgespräch reagiert. Zumindest möge man sich eine plausible Geschichte ausdenken. „Natürlich wenden die jungen Leute Storytelling an“, weiß Boomgaarden. „Weil der Druck da ist, weil sie wissen, dass Praktika von den Unternehmen als Vorteil gewertet werden.“ Ohne Zweifel verbessere ein Praktikum an einem ungewöhnlichen Standort die Chance, ins Unternehmen hineinzukommen. „Aber das ist nur die Eintrittskarte“, warnt der Berater.

Wo und wann machen Auslandspraktika Sinn?

Marco Esser (44) war für die Commerzbank AG als Personalleiter Asien in Singapur tätig. Heute leitet er die Personalberatung Management Advisory Heidelberg. Er weiß, wo und wann Auslandspraktika Sinn machen.

VDI nachrichten: Schätzen deutsche Personaler überhaupt Praktika, die nicht in Europa absolviert wurden?

Marco Esser: Ja, aber nur dann, wenn sie zur bisherigen Biografie der Bewerber passen. Sollte das Praktikum wie ein schillernder Solitär aus einem national geprägten Lebenslauf hervorstechen, würde ich seinen Wert hinterfragen. Es fehlt der berühmte „rote Faden“.

Der wie aussehen könnte?

Als logischer und nachvollziehbarer Aufbau der Bildungsbiografie. Wer mit dem Vorsatz studiert, später mal in einer internationalen Umgebung arbeiten zu wollen, wird nicht erst kurz vor dem Studienabschluss damit beginnen, die Welt zu entdecken. Die oder der hat womöglich schon während des Studiums Fremdsprachen gelernt und Auslandssemester absolviert oder Praktika im europäischen Ausland. Das Praktikum in Amerika oder Asien schließt sich nahtlos an und ist plausibel.

Worauf achten Personaler sonst noch?

Ob das Praktikum einen Mehrwert für das Unternehmen bringt und für die Funktion, die der Bewerber anstrebt. Für einen regionalen Mittelständler oder für eine rein lokal geprägte Aufgabe ist es sicher nicht so bedeutend wie für einen Global Player. Was nicht heißt, dass ein solches Praktikum für den Absolventen keinen Wert hat. Entscheidend ist die Hinführung zum angestrebten Job.

Und wenn das Praktikum nur ein verbrämter Abenteuerurlaub war?

Ein erfahrener Personaler schaut hinter die Kulissen und stellt wenigstens drei Fragen. Welche Beweggründe führten konkret zu diesem Praktikum? Damit will man die Motivation klären. Was hat der Praktikant im Ausland gelernt? Beispiel: Welche Do’s und Dont’s muss man im Geschäftsleben beachten? Wie wird dort geführt? Welches Geschäftsgebaren ist üblich, welches schädlich? Drittens geht es um den Transfer in die hiesige Berufsrealität: Wie kann man das Gelernte wertstiftend in die betriebliche Praxis übertragen?

So manches Praktikum basiert auf guten Beziehungen.

Na und? In unserer vernetzten Gesellschaft ist es doch gut, wenn ein Masterstudent sein Netzwerk unter Beweis stellt. Wichtiger als die Frage, wie er an das Praktikum gelangt ist, ist das, was er gelernt hat. Wenn sich aber herausstellt, dass das Praktikum nur ein optischer Aufheller des Lebenslaufs ist, kann das sogar nachteilig sein.

Dieser Artikel erschien im Magazin „Ingenieurkarriere-Spezial MBA for engineers“ der VDI nachrichten.

Ein Beitrag von:

  • Christine Demmer

    Christine Demmer hat als Wirtschaftsjournalistin für überregionale Tageszeitungen und Magazine gearbeitet. Sie ist Managementcoach und Kommunikationsberaterin sowie Autorin von Sachbüchern zum Thema Karriere.

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