Der Diplom-Ingenieur: Eine Marke mit international anerkannter Qualität
Die deutsche Ingenieurausbildung genieße auch zehn Jahre nach Einführung der Hochschulreform hohes Ansehen. Im Titel werde dies aber nicht deutlich, beklagt VDI-Präsident Bruno O. Braun im Gespräch mit den VDI nachrichten. Der VDI fordert daher, den „Dipl.-Ing.“ im Zeugnis zu berücksichtigen. „Wir wollen die Abschlüsse im internationalen Vergleich durch das Renommee des Diplom-Ingenieurs aufwerten.“ VDI nachrichten, Düsseldorf, 19. 3. 10, ws
Braun: Generell gilt, dass der Bologna-Prozess eine sinnvolle Sache ist, weil er dem europäischen Grundgedanken entspricht. Wir müssen aufhören, nur in Nationalen Grenzen zu denken und zu handeln. Wir müssen Strukturen und Standards entwickeln, die Transparenz schaffen und Barrieren abbauen. Gerade junge Menschen, die sich noch in der Ausbildung befinden, brauchen eine Basis, um sich danach auf einem europäischen Arbeitsmarkt etablieren zu können. Dafür brauchen wir transparente und einheitliche Strukturen bei den Abschlüssen an Hochschulen. Der VDI setzt sich dafür ein und unterstützt deshalb den Bologna-Prozess. Dass er den Ingenieurwissenschaften Rückenwind verschaffen wird, liegt für mich auf der Hand. Insbesondere gilt dies hinsichtlich der Chancen von Ingenieuren auf dem europäischen Arbeitsmarkt, Mobilität ist eines der Hauptziele des Bologna-Prozesses.
Wie erleben Sie die Akzeptanz der neuen Abschlüsse in Wirtschaft und Wissenschaft?
Da gibt es im Moment noch Irritationen, insbesondere bei den Hochschulen. Bologna sieht eine einheitliche Bezeichnung der Abschlüsse als Bachelor oder Master vor, der Diplom-Ingenieur soll nach heutigem Stand wegfallen. Die Wissenschaft sieht darin einen Qualitätsverlust – auch bei einer Darstellung im Abschlusszeugnis. Die Studierenden sehen sich darüber hinaus mit einem Abgrenzungsproblem bei der Jobsuche konfrontiert. Das hat eine VDI-Umfrage unter 500 Studierenden ergeben. Die Wirtschaft geht dagegen mit den neuen Abschlüssen offensichtlich etwas problemloser um. Hier hat eine gemeinsame Studie des VDI mit dem IW Köln nachgewiesen, dass die Unternehmen grundsätzlich zwischen Bachelor und Master differenzieren können und dass sie den Bachelor-Abschluss akzeptieren. Somit hätte ein Bachelor heute im Grundsatz die gleichen Berufschancen wie ein Ingenieur mit Diplom oder Master, meist jedoch mehr im praxisnahen Bereich. Trotzdem kommt auch seitens der Wirtschaft der Ruf nach eindeutiger Klarheit und Transparenz.
Sehen Sie auch im „Bologna-Jubiläumsjahr“ noch Reformbedarf an den Reformen?
Oh ja, diesen Bedarf sehen wir. Die zum Teil sehr heftigen öffentlichen Diskussionen und die Proteste der Studierenden haben gezeigt, dass die Studieninhalte dringend überprüft werden müssen. Bund und Länder haben versprochen, für Verbesserungen zu sorgen. Wir sehen uns auch als Sprecher für die Ingenieurstudierenden, deshalb werden wir die Hochschulen auch in die Pflicht nehmen, sich kontinuierlich zu verbessern. Umgekehrt gilt: Die Studierenden sollten dem neuen System gegenüber aufgeschlossen sein.
Der VDI fordert den Erhalt der Marke „Diplom-Ingenieur“. Warum?
Die Marke „Diplom-Ingenieur“ genießt international hohe Reputation. Sie ist anerkannt und geschätzt, weil sie mit einem hervorragenden Ausbildungsniveau verbunden ist. Im Rahmen von Bologna droht die Marke nun verloren zu gehen – und das wollen wir nicht. Ich möchte jedoch ganz deutlich sagen, dass der VDI grundsätzlich das System der Bachelor-Master-Studiengänge befürwortet und unterstützt. Wir wollen die Abschlüsse im internationalen Vergleich durch das Renommee des Diplom-Ingenieurs aufwerten und sprechen uns deshalb für eine Ergänzung im Zeugnis aus. Eine entsprechende Forderung an die Kultusministerkonferenz hat das Präsidium des VDI jetzt beschlossen.
Wie sollte die Marke in die Titel „Bachelor“ oder „Master“ eingebaut sein?
Wie die Abschlussurkunden aussehen, muss den Hochschulen überlassen bleiben. Auf jeden Fall sollten die Abschlüsse sowohl die Titel Bachelor oder Master als auch den Titel Dipl.-Ing. enthalten. Hier böten sich die Titel Dipl.-Ing. (BA) und Dipl.-Ing. (MA) an.
Sollte es den Hochschulen vorbehalten bleiben, den „Dipl.-Ing.“ hinzuzufügen oder sollte dies flächendeckend eingeführt werden?
Auf jeden Fall ist eine bundeseinheitliche Lösung erforderlich. Nur so können wir sowohl bei den Studierenden als auch bei der Wirtschaft die geforderte Klarheit schaffen.
Besteht nicht die Gefahr, dass durch Einbeziehung der Marke „Dipl.-Ing.“ im Ausland der Eindruck entsteht, Deutschland setze die Reformen nicht konsequent um?
Ganz im Gegenteil. Aufgrund unserer hohen Kompetenz bei der Ingenieurausbildung werden wir mit der ergänzenden Bezeichnung „Dipl.-Ing.“ die besondere Qualität unserer Bachelor- und Masterabschlüsse international hervorheben. Der Diplom-Ingenieur ist für uns eine Marke, die für besondere und international anerkannte Qualität steht.
Die Föderalismusreform hat dem Bund die Gestaltungsmacht bei Bildungsthemen weitgehend genommen. Sehen Sie trotzdem die Chance, dass der VDI-Vorstoß in den Bundesländern und an den Hochschulen breite Akzeptanz findet?
Wir stehen nicht alleine mit unserer Forderung. Ich bin davon überzeugt, dass wir gute Chancen haben, den Diplom-Ingenieur als nachhaltige und wertvolle Marke zu erhalten. Den Studierenden hilft es, die deutschen Hochschulen zeichnet es aus und Unternehmen weltweit wissen, was sie an den Absolventen mit Diplom-Ingenieur im Titel haben. Alle gewinnen und der Bologna-Prozess wird dadurch gestärkt und erfährt sicherlich auch noch mehr Zustimmung durch die Studierenden und die Wissenschaft. W. SCHMITZ
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