Der Master lohnt sich auch für erfahrene Kollegen
Für einige technische Universitäten ist der Master die logische und unmittelbare Fortsetzung des Bachelorstudiums. Der Master ist aber auch im klassischen Weiterbildungsformat denkbar: So etwa, wenn sich Berufstätige mit einigen Jahren Praxiserfahrung in einem Fach spezialisieren oder sich auf einen Karrieresprung vorbereiten wollen.
Christoph Stupp liegt im Trend. Der 30-jährige studierte Maschinenbauingenieur absolviert derzeit einen weiterbildenden Master an der Deutschen Universität für Weiterbildung (DUW). Wer sich beruflich nicht auf der Stelle bewegen will, muss sich fortbilden. Und dabei wird nach Meinung vieler, auch mittelständischer Unternehmen und Verbände, der weiterbildende Master eine immer wichtigere Rolle spielen.
Stupp hat sich für den zweijährigen, berufsbegleitenden Fernstudien-Master „Compliance“ entschieden, weil er bei seinem jetzigen Arbeitgeber, einer Beraterfirma, bereits in dem Bereich arbeitet, sich jedoch in Kürze selbstständig machen will. Dafür will er sich noch mehr Spezialwissen aneignen.
„Unternehmen, Behörden und Organisationen bewegen sich in einem immer dichter werdenden Geflecht nationaler und internationaler Gesetze und Vorschriften. Kein Wunder, wenn sich manch einer nicht regelkonform verhält, weil er den Überblick verloren hat. Doch ein Verstoß gegen die so genannte Compliance kann fatale, auch juristische Folgen haben“, erläutert Stupp. Vor diesem Hintergrund seien Experten gefragt, die Behörden und Unternehmen, wie Controller, beratend zur Seite stehen.
Die Bologna-Reform brachte die Umstellung von Diplom und Magister auf Bachelor und Master. Neben dem so genannten konsekutiven Master, der meist direkt im Anschluss und aufbauend auf den Bachelor studiert wird, haben Bachelor-Absolventen jedoch auch die Möglichkeit, zunächst einige Jahre Berufserfahrung zu sammeln, um dann, oft berufsbegleitend, noch einen spezialisierenden Master zu belegen. „Je mehr der Bachelor von Unternehmen als ein erster vollwertiger, berufsqualifizierender Abschluss akzeptiert wird, desto mehr Bedeutung bekommt der weiterbildende Master als Personalentwicklungsinstrument“, sagt Udo Thelen, Kanzler der privaten DUW in Berlin.
Und die Akzeptanz steigt tatsächlich. Eine Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft aus dem Jahr 2008 belegt: 72 % der deutschen Unternehmen sehen als Folge der Hochschulreform einen wachsenden Bedarf an weiterbildenden Masterprogrammen. Und laut einer Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft denken 40 % der Unternehmen auch darüber nach, sich zumindest teilweise finanziell an solchen Maßnahmen zu beteiligen.
Es sind eher die Universitäten, die in eine andere Richtung tendieren. „Viele, vor allem technische Universitäten, schwören noch auf den konsekutiven Master. Stattdessen ist es an der Zeit, weiterbildende Studiengänge und wissenschaftliche Fortbildungen zur Profilschärfung zu nutzen“, erklärt Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom. Sprich: Hier muss die Wirtschaft Druck machen.
Ingenieure bleiben zwar oft viele Jahre in einem Unternehmen, doch gerade dann ist es nach Meinung von Weiterbildungsexperten von wachsender Bedeutung, nicht in Trägheit zu verharren und sich mit neuen technischen Entwicklungen vertraut zu machen oder gar nach einer fachlichen Neuorientierung Ausschau zu halten.
„Der Master ist ideal, wenn eine fachliche Vertiefung wichtig ist. Das nehmen vor allem auch kleinere, an praktischer Anwendung orientierte Unternehmen wahr“, bestätigt Jörg Schweigard, Sprecher der privaten AKAD Hochschulen.
„Angesichts des Fachkräftemangels ist es auch im Sinne der Unternehmen klug, erfahrene Mitarbeiter fortzubilden und sich nicht auf Nachschub aus den Hochschulen zu verlassen“, sagt Ernst Hartmann, Leiter des Instituts für Innovation und Technik des VDI/VDE-IT.
Derzeit hat die gesamte Technikbranche mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. „Den Unternehmen bleibt gar nichts anderes übrig, als umzudenken und auch älteren Mitarbeitern, die schon 15 oder 20 Jahre im Unternehmen sind, gezielte und bedarfsorientierte Weiterbildung in einem Masterstudium zu ermöglichen, wenn die Jungen wegbleiben.“
Was viele Personalchefs und Abteilungsleiter dennoch oft zurückschrecken lässt, wenn einer ihrer Ingenieure mit dem Wunsch nach einem weiterbildenden Master herausrückt, ist schlicht der Faktor Zeit. „Wer einen zweijährigen Master berufsbegleitend studiert und ein- oder zweimal im Monat unter der Woche einen Tag für Präsenzseminare freinehmen muss, und zwischendurch hier und da eine Woche für Klausurvorbereitungen einstreut, ist in dieser Zeit im Unternehmen nicht voll einsatzfähig“, sagt Frank Stefan Becker, Sprecher des Arbeitskreises Ingenieurausbildung beim Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie. „Das erschwert die Planung für die Vorgesetzten.“
Vor allem, wenn es sich um ein kleineres Unternehmen handelt. Eine Alternative wäre, über mehrere Jahre kürzere Module zu belegen und sich seinen Master Baustein für Baustein statt am Stück zu erarbeiten. Becker hält dies für eine Lösung des Zeitproblems – „vorausgesetzt, dass auch für einzelne, erfolgreich absolvierte Module Zertifikate verliehen werden, die den Weiterbildungserfolg belegen und später für den Masterabschluss angerechnet werden“.
MAREIKE KNOKE
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