Dreifach-Abschluss: Was kann das Triple-Degree-Programm?
Drei akademische Grade? Muss das sein und was können Ingenieure und Ingenieurinnen damit erreichen? Wann sich das Triple-Degree-Programm wirklich lohnt.
Nicht nur Bayern München will es regelmäßig holen. Auch Studierende haben die Chance auf ein Triple. Gemeint ist ein Studienabschluss mit drei akademischen Graden aus verschiedenen Ländern – ein sogenanntes Triple Degree. Ein Triple-Degree-Programm schreibt die noch junge Tradition von Double Degrees fort, die einen Doppelabschluss beschreiben. Ein Triple-Degree-Studium kann sich lohnen. Muss es aber nicht.
Was ist ein Triple-Degree-Programm?
Ein Triple-Degree-Programm ist ein integrierter internationaler Studiengang, bei dem die Teilnehmer an ihrer deutschen Heimathochschule und an zwei Partneruniversitäten im Ausland studieren. Am Ende erhalten sie von jeder Universität ein Abschlusszeugnis und somit drei akademische Grade. Ein Triple-Degree-Programm ist gewissermaßen die Weiterentwicklung des Double Degrees, der zwei Abschlusszeugnisse vorsieht. Es gibt sogar schon Quadruple-Degree-Studiengänge mit insgesamt vier Abschlüssen. Alle Studiengänge, die mehrere akademische Grade gleichzeitig vergeben, fasst man auch unter dem Oberbegriff Multiple Degree zusammen.
Nicht zu verwechseln sind Multiple Degrees mit den sogenannten Joint Degrees. Dabei handelt es sich um Studiengänge, die ebenfalls international ausgerichtet und ganz ähnlich aufgebaut sind, aber eben nur eine gemeinsame Abschlussurkunde aller beteiligten Hochschulen vergeben.
Warum gibt es Multiple-Degree-Programme?
Internationale Studienprogramme werden zum Teil massiv mit öffentlichen Mitteln gefördert. „Das ist auch der Grund, warum es immer mehr gibt“, sagt Frank Ziegele, Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) und Professor für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Hochschule Osnabrück. „Der maßgebliche Treiber sind die EU-Programme.“ Zu den wichtigsten zählt das Erasmus-Mundus-Programm, das mehrere Joint-Master-Degrees in ganz Europa möglich gemacht hat und großzügige Stipendien für die Teilnehmer vorsieht.
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Internationalisierung:
Für die Hochschulen sind Joint-Degree- und Multiple-Degree-Studiengänge Teil ihrer Internationalisierungsstrategie. „Ausländische Partnerhochschulen haben vor allem die Erwartung, den eigenen Absolventen und Absolventinnen mit dem zusätzlichen Abschluss an deutschen Hochschulen verbesserte Arbeitsmarktchancen verschaffen zu können“, schrieben die Unternehmensberatung ASIIN und die Evaluationsagentur Baden-Württemberg schon vor einiger Zeit in einer Evaluation integrierter internationaler Studiengänge mit Doppelabschluss. „Für deutsche Hochschulen bildet vor allem das Renommee der Partnerhochschule ein wichtiges Kriterium der Partnerwahl.“ Auch verbänden viele Hochschulen mit der Einführung dieser Studiengänge die Hoffnung, Hochqualifizierte sowohl für den eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs als auch als Fachkräfte für den Arbeitsmarkt zu gewinnen.
Einnahmen:
Im Einzelfall können auch finanzielle Erwägungen im Vordergrund stehen. So verlangt die renommierte Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) von ihren Triple-Degree-Studenten im Fach Management 20.000 Euro pro Studienjahr – bei einer Regelstudienzeit von vier Semestern kommt man auf einen Gesamtbetrag von 40.000 Euro. Nach Angaben der LMU waren in den vergangenen Jahren zwischen 80 und 110 Studienanfänger jährlich im Programm, viele davon aus Asien, aber auch aus Nord- und Südamerika oder Afrika. Die LMU könne sich das leisten, so Frank Ziegele, weil sie in in den internationalen Uni-Rankings regelmäßig weit oben stehe und sich so Reputation im Ausland erarbeitet habe. „Das ist ein Geschäftsmodell“, sagt Ziegele. „Da geht es ein Stück weit um das Abschöpfen von Kaufkraft.“
Wo kann ich auf ein Triple Degree studieren?
Über die genaue Anzahl von Joint- und Multiple-Degree-Studiengängen in Deutschland gibt es keine verlässlichen Angaben. Hier sind aber einige Beispiele:
Energy Technology:
Für Ingenieure und Ingenieurinnen interessant ist das Triple-Degree-Masterstudium „Energy Technology“ der Leibniz Universität Hannover. Die Leibniz-Uni kooperiert mit der Technischen Universität Lappeenranta in Finnland und der Polytechnischen Peter-der-Große-Universität Sankt Petersburg. Ins erste Semester starten die Studierenden in Finnland, das zweite Semester findet in Russland statt, das dritte in Hannover, im vierten steht die Masterarbeit auf dem Programm. Gelehrt wird komplett in englischer Sprache. Ins Wintersemester 2021/22 ist der mittlerweile vierte Jahrgang gestartet.
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Management:
Die Ludwig-Maximilians-Universität München bietet seit über zehn Jahren einen „European Triple Degree“ in Management an. Das Programm richte sich an „Bachelor-Absolventen aller Fachrichtungen, die in einem internationalen Umfeld tätig werden wollen“. Für das erste Semester geht es nach Frankreich an die Emlyon Business School, im zweiten Semester steht ein Pflichtpraktikum an. Im dritten wählen die Studierenden ihr Spezialgebiet: entweder Corporate Finance oder Marketing in Lyon, Strategy and Change in München oder Corporate Development an der Lancaster University Management School in England. Im vierten Semester schreiben sie die Masterarbeit.
Wirtschaft:
Auch die staatliche Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) setzt seit Neuestem auf internationale Dreifachabschlüsse. Dafür ist sie eine Kooperation mit der französischen Rennes School of Business eingegangen, wie die HWR erst Mitte November bekanntgab. Ihr Triple-Degree-Programm sieht dementsprechend zwar drei Abschlüsse, aber Stationen in „nur“ zwei Ländern vor. Zwölf Masterprogramme stehen Wirtschaftswissenschaftlern zur Auswahl, von Financial Data Intelligence bis Supply Chain Management. Dafür erhalten die Absolventen einen Master der HWR, einen Abschluss der Grandes Ecoles sowie einen Master of Science in der ausgewählten Spezialisierung von der Rennes School of Business.
Erasmus Mundus:
Die Studiengänge des EU-Programms „Erasmus Mundus“ enden wohlgemerkt alle mit mit einem Joint-Degree-Master. Es handelt sich also nicht um Multiple-Degree-Programme. Ihre internationale Ausrichtung ist gleichwohl enorm. Mehrfach mit von der Partie sind die TU Bergakademie Freiberg und die TU Darmstadt. In Sachsen können Techniker den „Emerald Master in Resources Engineering“ erwerben. Dafür kooperiert die TU Freiberg mit den Universitäten in Lüttich in Belgien, Lorraine in Frankreich und Lulea in Schweden. Den „International Master of Science in Sustainable and Innovative Natural Resource Management“ führen die Freiberger in Zusammenarbeit mit Ghent in Belgien und Uppsala in Schweden durch. Die TU Darmstadt bietet das „International Master Programme in Advanced Materials: Innovative Recycling“ an und kooperiert dafür gleich mit fünf Universitäten in Europa. Der „Master in Advanced Materials for Innovation and Sustainability“ umfasst neben den Hessen vier weitere europäische Kooperationspartner. Darüber hinaus gibt es in Darmstadt den Double-Degree-Master in „Functional Advanced Materials and Engineering“ – sieben europäische Kooperationspartner stehen dafür bereit – sowie den Double-Master in „Materials Science and Engineering“ mit der Tongji-Universität in China.
Wie teuer ist ein Triple-Degree-Programm?
Für den Triple-Degree-Master in Energy Technology zahlen deutsche Studierende lediglich die Semestergebühren in Hannover in Höhe von aktuell 433,61 Euro (Stand: Sommersemester 2022) pro Semester. In Finnland und Russland sind sie von den Studiengebühren befreit. Allerdings fallen dort Verwaltungskosten von rund 50 bis 100 Euro pro Semester an.
Für das „European Triple Degree“ in Management an der Ludwig-Maximilians-Universität in München müssen die Kandidaten tief in die Tasche greifen. Ein Studienjahr schlägt mit 20.000 Euro zu Buche. Für die Programme von Erasmus Mundus fällt ein mittlerer vierstelliger Betrag pro Jahr an. Nicht-EU-Ausländer zahlen noch mehr.
Bekomme ich einen Platz?
In „Energy Technology“ sind die Chancen auf einen Studienplatz sehr gut. Jede der drei beteiligten Hochschulen kann jeweils fünf Teilnehmer schicken. Doch nur selten können sie all ihre Studienplätze füllen, auch die Leibniz-Uni Hannover nicht. Zwar gibt es viele Bewerber aus dem Ausland, doch die wenigsten erfüllen die vergleichsweise hohen Anforderungen.
Interessenten mit deutscher Staatsangehörigkeit bewerben sich direkt bei der Uni Hannover. Erfüllt ein Bewerber die Anforderungen der Partnerunis nicht, muss er diese nachträglich vorlegen. Vorteil: Die Bewerbungsfrist läuft jährlich bis zum 31. Mai. Bewerber wissen also in der Regel bis Mitte Juni, ob sie den Platz bekommen oder nicht – und könnten so noch rechtzeitig umdisponieren.
Triple-Degree-Programm: Was sind die Vorteile?
Das sind die Vorteile eines Triple-Degree-Studiums:
Lebenslauf verschönert
Personalabteilungen haben nur ein begrenztes Zeitbudget, begutachten nicht jede Bewerbung bis ins Detail. Der erste Eindruck muss sitzen. Bewerber, die drei Abschlusszeugnisse vorlegen und im Lebenslauf auflisten, senden damit das unmissverständliche Signal aus, hochkompetent und international erfahren zu sein. In der Personalsprache spricht man auch von Signalling.
„Man sieht es auf den ersten Blick“, so Ziegele über das Dreifach-Degree. „Das ist ein Vorteil.“
Erfahrungen gemsammelt
„Ich habe es ein bisschen bereut, dass ich die Gelegenheit nicht genutzt habe, wegzukommen“, so Florian Hölscher über seine Motivation, nach dem Bachelor noch einen Triple-Degree-Master in Energy Technology anzuhängen. „Es ging mir ehrlich gesagt weniger ums Fachliche, sondern vor allem darum, so viel wie möglich zu erleben.“ Das scheint geklappt zu haben. In seinem Abschlussbericht beschreibt Hölscher die Orientierungswoche im Südosten Finnlands als einen „wilden Mix aus Salmiakki-Likör und Saunapartys“. Die Motivation, durch Europa zu reisen und Spaß zu haben, steht auch bei vielen ausländischen Studenten im Fokus. „Das würde ich nicht als negativ bewerten“, sagt Frank Ziegele. Die Erfahrungen würden die Studierenden für ihr weiteres Leben prägen, seien positiv für ihre Persönlichkeitsentwicklung.
Kompetenzen erworben
Andere Länder, andere Hochschul-Sitten. „In Finnland hat mir gefallen, dass viel Projektarbeit dabei war. Dass der Fokus nicht so stark auf Klausuren lag, wie das in Deutschland der Fall ist“, meint Florian Hölscher. Auch lernt man in internationalen Studiengängen, ein Thema aus verschiedenen kulturellen Perspektiven zu beleuchten. Der Sprachentwicklung tut ein Auslandsaufenthalt ohnehin gut. Die meisten Multiple-Degree-Programme werden komplett in englischer Sprache abgehalten.
Was sind die Nachteile?
Das sind die Nachteile eines Triple-Degree-Studiums:
Mehrwert von Triple-Degree-Programm unklar
„Ein gutes internationales Programm ist miteinander verzahnt“, sagt Ziegele. Bei Joint-Degree-Programmen ist die Verzahnung Teil des Konzepts, bei Double- oder Triple-Degree-Programmen nicht unbedingt. „Was ein bisschen gefehlt hat, war die Koordination zwischen den Unis“, bestätigt Florian Hölscher. Die Fächer seien unzureichend aufeinander abgestimmt gewesen, meint er, es habe Dopplungen gegeben. „Speziell mit den Russen war die Kommunikation schwierig“, so Hölscher. „In Russland gab es Dozenten, die kaum Englisch konnten.“
Aufwand riesig
Drei Länder in vier Semestern – eine ambitionierte Tour. Als Masterstudent muss man nahezu jedes Semester umziehen, sich an eine neue Umgebung gewöhnen, an neue Dozenten und Kommilitonen. Das ist spannend, erfordert aber auch viel Aufwand. Darüber hinaus treibt die Bürokratie ihre Blüten. Wer drei Zeugnisse will, kommuniziert mit drei statt nur mit einer Hochschule. Visum und Einreise machen ebenfalls Mühe – gerade in Pandemiezeiten. Energietechnologe Hölscher schrieb seine Masterarbeit in Hannover, musste aber eigens nach Russland reisen, um dort seine Ergebnisse zu präsentieren und sich so die notwendige Anerkennung zu sichern.
Aussichten mit Triple-Degree-Programm ungewiss
Eine Jobgarantie ist mit einem Triple-Degree-Master – trotz des wohlklingenden Namens und reichlich internationaler Erfahrung – nicht verbunden. Ein Studierender aus der Türkei, verriet, dass er auch ein Jahr nach seinem Masterabschluss in Energy Technology noch immer auf der Suche nach einem Job sei. Viele Arbeitgeber wüssten den Abschluss nicht richtig einzuschätzen, glaubt er. Florian Hölscher hat seinen Master gerade erst beendet, wartet aber ebenfalls noch auf seinen Berufseinstieg. Angebote von Arbeitgebern sind bei ihm jedenfalls noch keine eingegangen.
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