Duale Studiengänge mit Tücken
Duale Studiengänge kommen in Mode. Studieren und parallel eine berufliche Ausbildung – das ist sowohl für angehende Ingenieure als auch für Arbeitgeber reizvoll. Allerdings gibt es auch Betriebe, die Studierende als preiswerte Arbeitskräfte missbrauchen. Nicht jeder studentische Mitarbeiter genießt die Rechte eines Auszubildenden.
Janis Heller ist voll des Lobes. Sein Praxiswissen, das er während seiner Ausbildung zum Mechatroniker bei Siemens parallel zum Studium erwarb, habe ihn während der Vorlesungen an der FH Schweinfurt zuweilen denken lassen: „Was der Professor vorträgt, das kenne ich schon!“
Der heutige Ingenieurinformatiker ist bei Weitem nicht der Einzige, der vom dualen Studium schwärmt – und das trotz aller Entbehrungen, die die Doppelbelastung Studium/Ausbildung mit sich bringt. Schließlich erfahren die Studierenden im Idealfall umgehend, welchen Sinn das in der Hochschule erworbene Wissen in der Praxis macht und wie ein Betrieb mit allen seinen organisatorischen und zwischenmenschlichen Eigenheiten tickt.
Duale Studiengänge: Verdienst im Unternehmen mindert finanzielle Belastung
Zudem mildert der Verdienst im Unternehmen die finanzielle Belastung des Studiums. Und die Aussichten auf Übernahme durch den Arbeitgeber sind gut. In einer Umfrage des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) gaben 45 % der Unternehmen an, alle dual Studierenden in ihrem Betrieb nach Abschluss des Studiums zu übernehmen.
Auch das Interesse der Arbeitgeber am dualen Studium wächst rasant. Im Jahr 2011 gab es laut BIBB im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von rund 46 % auf über 40 000 solcher Angebote von Unternehmen, die damit duale Studienplätze für über 61 000 Studierende bereitstellten. Die Zahl der dualen Studiengänge sei von 2010 auf 2011 um rund 20 % auf 929 gestiegen.
Rund zwei Drittel der Betriebe geben an, das duale Studium sei „deutlich besser“ oder „besser“ als das klassische Studium. Hervorgehoben werden die „guten Kenntnisse der betrieblichen Abläufe“, die „Fähigkeit zu selbstständigem Arbeiten“ und die „hohe Eigenmotivation“.
Die intensive Kooperation der drei Partner Unternehmen, Hochschule und Studierende bereitet auch den Gewerkschaften Freude. Dennoch sehen die Arbeitnehmervertreter mit einem kritischen Auge auf das Geschehen. „Aus bildungspolitischer Sicht ist es weder wünschenswert, dass Hochschulen sich fernab der Wirklichkeit in einem wissenschaftlichen Elfenbeinturm sehen, noch, dass sie die Studierenden perfekt auf einen bestimmten Arbeitsplatz vorbereiten“, heißt es in einer Studie der IG Metall aus dem Jahre 2006.
Die Betriebe entschieden darüber, wer einen dualen Studienplatz bekommt, „und sie wollen auch bestimmen, was die Studierenden lernen. Die Hochschulen müssen also … ihre Lehre kundenorientiert an den Bedürfnissen der Unternehmen ausrichten“. Hohe wissenschaftliche Qualität des Studiums sowie eine unabhängige und kritische Lehre würden bei einer marktgerechten Ausrichtung von Studiengängen aufs Spiel gesetzt.
Praxisintegrierte duale Studiengänge: Nachbesserungen vonnöten
Nachbesserungen seien vor allem bei den rein praxisintegrierten dualen Studiengängen vonnöten, also jenen Arbeitsverhältnissen, die nicht in einen beruflichen Ausbildungsabschluss münden und die daher kaum rechtlicher Absicherung unterlägen. Die Studierenden seien zuweilen auf sich allein gestellt. „Es gibt häufig keine Verträge und oft auch wenig verbindliche Absprachen. Dann hängen Studierende in der Tat in der Luft, da gibt es häufig Baustellen“, meint Sonja Staack, bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zuständig für den Bereich Hochschule.
Studierende, so Staack, die ein duales Studium absolvieren, hätten einen Doppelstatus: Als Studierende unterliegen sie dem Landesrecht, das die Hochschulbildung regelt, und in der Praxisphase dem Berufsbildungsgesetz, also dem Bundesrecht. „Völlig beliebig sind die Bedingungen also in beiden Bereichen nicht. Der Handlungsspielraum der Unternehmen bleibt im praxisintegrierten dualen Studium aber weit größer als bei der klassischen dualen Ausbildung mit Berufsabschluss.“
Zuweilen fehlten klar definierte Lernziele sowie ein ständiger Betreuer oder die Bezahlung entspreche nicht dem Geleisteten. Sonja Staack: „Daher ist es für dual Studierende wichtig, sich über Ausbildungsverträge verlässliche Ausbildungsziele und Ausbildungspläne auch für die betrieblichen Phasen zu sichern. Das ist von großer Relevanz, damit die Arbeitsbelastung nicht aus dem Ruder läuft, und damit Studierende nicht Gefahr laufen, als billige Arbeitskräfte missbraucht zu werden.“
Die Unternehmen sollten daher auch für das praxisorientierte Studium Verträge bereithalten, verpflichtet seien sie dazu aber nicht. Die Gewerkschaften machten sich jedenfalls für verbindliche Qualitätsstandards stark.
Duale Studiengänge werden auch für Gewerkschaften mehr und mehr zum Thema
Das war nicht immer so, meint Lukas Graf vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung: „Die Gewerkschaften fangen langsam an, sich mit dualen Studiengängen zu beschäftigen. Bislang haben sie diesen Trend eher verschlafen. Treiber waren Unternehmen sowie Hochschulen und Berufsakademien.“
Gewerkschaftliches Engagement wäre etwa gefragt, wenn es um die Kenntlichmachung schwarzer Schafe unter den Firmen ginge. Manche Unternehmen machten es „extrem gut“ und schauten darauf, dass nicht nur betriebsinternes Wissen vermittelt wird, sondern eine allgemeinere, breitere Bildung. Auch sei die Bezahlung in der Regel gut, schließlich wüssten angehende Ingenieure um ihren Wert. „Andere Unternehmen“, erläutert Lukas Graf, „fokussieren ihre Ausbildung zum Teil stark auf die eigenen Belange. Die Gewerkschaften könnten dabei helfen, einheitliche Standards für duale Studiengänge zu setzen.“
Die Zusammenarbeit der Hochschulen mit den Unternehmen sei generell gut, letztlich aber immer vom speziellen Fall abhängig, schildert Gerhard Hörber, Vorsitzender des Fachbereichstags Maschinenbau der Fachhochschulen, die Situation bei dualen Studiengängen aus FH-Sicht. „Dass Studierende als billige Arbeitskräfte betrachtet werden, ist mir nicht bekannt. Im Allgemeinen ist die Betreuung durch die Unternehmen gut, da sie die Studierenden gerne im Unternehmen halten möchten.“
Ein Beitrag von: