Duales Studium auf dem Prüfstand
Lange Zeit galt das duale Studieren uneingeschränkt als Erfolgsmodell. Unternehmen können direkten Einfluss auf das Ausbildungsprofil ihrer Mitarbeiter nehmen und für die Studierenden sind die Aussichten auf einen abgesicherten Berufseinstieg attraktiv. Doch nun mahnen Kritiker eine bessere Regulierung der Studienbedingungen an.
- Ausprägungen des dualen Studiums
- Duale Studiengänge
- Bewerbung und Auswahl
- Vergütung und Zeiteinteilung
- Praxisbeispiel – eine dual Studierende berichtet
Immer mehr Studierende belegen duale Studiengänge, arbeiten und studieren also zur selben Zeit. Allein die Zahl der dualen Studiengänge hat sich nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) von 2004 auf 2016 verdreifacht und liegt inzwischen bei rund 1.600.
Ausprägungen des dualen Studiums
Was genau ein duales Studium kennzeichnet, ist nicht definiert. In manchen Fällen wurden Studiengänge mit Praxisanteilen zu Werbezwecken so deklariert, um zeitgemäß zu sein. Im engen Sinne werden vier Grundmodelle voneinander unterschieden:
- Das ausbildungsintegrierende duale Studium, das mit einem vollwertigen beruflichen Abschluss und einem Bachelor beendet wird.
- Das praxisintegrierende duale Studium, das mit dem Bachelor abschließt und Praxisphasen beim Partnerunternehmen der Hochschule beinhaltet.
- Das mit der Berufstätigkeit verbundene Masterstudium, mit abgestimmten Praxisanteilen (meist) beim Arbeitgeber.
- Das praxisintegrierende Masterstudium mit auf das Studium abgestimmten Praxisphasen beim Partnerunternehmen der Hochschule.
Der Trend geht weg von ausbildungsintegrierenden Studiengängen, die Zahl der praxisintegrierenden Studiengänge nimmt dagegen zu. Hintergrund dafür ist vermutlich, dass der berufliche Bildungsabschluss meist nicht eine so große Bedeutung hat, da die Absolventen eben in der Regel nicht in den erlernten Berufen, sondern entsprechend ihrer Bachelorqualifikationen eingesetzt werden.
Viele duale Studiengänge im Ingenieurwesen
Mit 38% werden die meisten dualen Studiengänge in ingenieurwissenschaftlichen Fächern angeboten. Rund 27.400 eingeschriebene Studierende zählte das BIBB zuletzt, insbesondere im Maschinenbau, in der Verfahrenstechnik sowie in der Elektrotechnik. Die meisten neuen Studiengänge entstehen allerdings im Wirtschaftsingenieurwesen, dort ist der Zuwachs am größten. Sie bilden mit 34% den zweiten Schwerpunkt der dualen Studiengänge, die Zahl der Studierenden in wirtschaftsingenieurwissenschaftlichen Fächern ist mit rund 44.000 sogar am höchsten. 12% der dualen Studiengänge sind der Fachrichtung Informatik zuzuordnen. Der Rest entfällt auf die Bereiche Erziehung/Gesundheit/Pflege sowie Mathematik und Verkehrstechnik. Regional bieten Nordrhein-Westfalen und Bayern ein besonders großes Angebot an dualen Studiengängen.
Dual Studieren: Bewerbung und Auswahl
Interessenten für ein duales Studium sollten sich zuerst an die Hochschule wenden. Dort erfährt man, wie das Studium organisiert ist und welche Verträge es zwischen den Unternehmen und den Hochschulen gibt. „In der Regel hat eine Hochschule mehrere Partner für den Studiengang und damit den besten Überblick“, rät Sirikit Krone vom Institut Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen. Doch die Forscherin weiß auch, dass die Hochschulen zwar federführend sind bei den Inhalten dualer Studiengänge, die Unternehmen aber dennoch als Gatekeeper für das Studium auftreten.
„Bei den privaten Hochschulen ist ja grundsätzlich die Frage, ob das akademische Niveau wirklich gewährleistet wird“, so Krone. Ein duales Studium darf beispielsweise nicht so angelegt sein, dass quasi ein rein unternehmensspezifischer Abschluss erreicht wird. Der ingenieurwissenschaftliche Bachelor muss allgemein berufsqualifizierend sein. Orientieren können sich Studieninteressierte sowohl an der Erfahrung ehemaliger Studierender, dem Renommee der Hochschule sowie der Transparenz und Kommunikation des Unternehmens als Vertragspartner.
Der Stifterverband und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) haben in einer Neuauflage der Studie „Erfolgsmodell Duales Studium“ zentrale Kriterien formuliert, die Unternehmen unbedingt erfüllen sollten, wenn sie an dualen Studiengängen teilnehmen möchten. Dazu gehört, dass die Unternehmen die betrieblichen Aufgaben der Studierenden an die Studienordnung anpassen und die Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Prüfungen Vorrang haben gegenüber den Arbeitseinsätzen im Betrieb. Die Unternehmen sollten außerdem Kontaktpersonen benennen, die dann über den gesamten Studienverlauf Ansprechpartner für die Studierenden sind und gleichzeitig in Kontakt mit der Hochschule stehen. Auch die fachliche Betreuung im Unternehmen müsse für die Studierenden sichergestellt sein. Das meint nicht zuletzt, dass die fachlichen Betreuer im Betrieb selbst über einen Hochschulabschluss verfügen.
Vergütung und Einteilung von Praxis- und Theoriephasen
Die zeitliche Aufteilung zwischen Praxis- und Theoriephasen geschieht in der Regel nach dem Blockmodell. Die Studierenden wechseln also beispielsweise im Dreimonatsrhythmus zwischen Unternehmen und Hochschule. Auch das Wochenmodell findet Anwendung, wenn die Studierenden etwa an zwei Tagen in der Woche an der Hochschule studieren und an drei Tagen in der Woche im Betrieb arbeiten.
Die Ausbildungsvergütung für duale ausbildungsintegrierende Studiengänge ist für die Dauer der Berufsausbildung vorgeschrieben und richtet sich nach der Höhe der Vergütung, die normalerweise auch im jeweiligen Ausbildungsberuf gezahlt wird. Eine Vergütung für praxisintegrierende Studiengänge ist nicht vorgeschrieben, aber durchaus üblich. Die Unternehmen möchten schließlich mit finanziell attraktiven Angeboten potenzielle neue Mitarbeiter gewinnen. Auch die anfallenden Studiengebühren werden häufig von den Unternehmen bezahlt.
Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung hatte ausgehend von einer Befragung des Schulabschlussjahrgangs 2015 untersucht, wer von den Studienberechtigten ein duales Studium aufnehmen möchte. Um vergleichen zu können, wurden Fächer ausgewählt, die sowohl herkömmlich als auch dual studiert werden können. Von den so berücksichtigten 2.982 Studierenden, haben 585 ein duales Studium aufgenommen. Das ist ein überdurchschnittlich hoher Anteil von rund 20%. Bestätigt wurde durch die Befragung, dass der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit auch in der Studienphase ein wichtiges Argument für die Wahl eines dualen Studiums ist. Ebenso die grundsätzlich praktische Ausrichtung der Ausbildung und die vergleichsweise sichere Karriereplanung zumindest zum Berufseinstieg.
Praxisbeispiel einer dual Studierenden
Isabella Jiang (20) ist in Rüsselsheim, 30 Kilometer von Frankfurt a. M. entfernt, zur Schule gegangen und lebt auch heute noch in der Stadt. Sie absolviert den dualen Bachelorstudiengang Klimasystemtechnik an der Europäischen Studienakademie (ESAK) in Maintal bei Frankfurt und ist bei der Planungs- und Beratungsgesellschaft Canzler beschäftigt.
ingenieur.de: Wie sind Sie zum Thema Klima- und Kältetechnik gekommen?
Isabella Jiang: Da ich schon in der Schule die Leistungskurse Mathe, Chemie und Physik hatte, wollte ich auch etwas in diese Richtung studieren. Erst hatte ich mich für einen Studiengang zu Mathe oder Chemie an der Uni interessiert. Zufällig bin ich auf die Homepage der ESAK gestoßen. Und habe dann festgestellt, dass die Klimatechnik auch etwas ist, was mich interessiert. Die Fächer im Studiengang passten gut zu dem, was ich in der Schule gemacht habe. Im Physikunterricht hatten wir ja bereits die Thermodynamik angeschnitten und das ist ein wichtiger Bestandteil der Klimasystemtechnik. Darum habe ich mich beworben und bin für diesen Studiengang angenommen worden
War die Nähe der Hochschule zu Ihrem Wohnort auch ein Argument?
Ja, wenn die Hochschule in einem anderen Bundesland liegen würde, hätte ich wahrscheinlich in der Nähe an einer Uni studiert.
Wie sind zu Canzler gekommen?
Ich habe mir angeschaut, welche Firmen in Kooperation stehen mit der ESAK. Neben Kältefirmen war das u. a. das Planungs- und Beratungsbüro Canzler, die auch einen Projektteil beim Ausbau des Frankfurter Flughafens bearbeiten. Und daraufhin habe ich mich dann bei Canzler beworben. Heute bin ich Teil des Projektteams, das die Klimasystemtechnik in dem Neubau Terminal 3 am Flughafen plant und zukünftig die Ausführung überwacht.
Wie lief das genau ab mit der Bewerbung?
Man muss sich immer erst beim Praxispartner bewerben. Und wenn das Unternehmen die Bewerbung annimmt, wird diese Bewerbung von dort an die ESAK geschickt. Ich selbst habe mit der Hochschule zunächst gar nichts zu tun gehabt.
Wie läuft der Wechsel zwischen Theorie und Praxis ab?
Der theoretische Teil des Semesters läuft immer über drei Monate. Zwischendrin liegen die Praxisphasen, die meist auch drei Monate umfassen. Ich habe ja im Oktober 2017 angefangen und bis Dezember habe ich das Unternehmen und das Projekt kennengelernt, in dem ich jetzt arbeite. Von Januar bis März schloss sich dann der erste Theorieteil an – mit Inhalten aus den grundlegenden Fächern.
Wie viele dual Studierende sind sie in ihrem Studiengang?
Mit mir studieren 16 Kommilitonen in meinem Studiengang, die alle aus verschiedenen Unternehmen kommen. Es hat schon schulischen Charakter. Wie reden viel miteinander, tauschen uns aus. Ich bin übrigens die Einzige, die zu Hause wohnen bleiben konnte. Die anderen reisen zu den Theoriephasen an der Hochschule extra an und haben für diese Zeit hier ein Zimmer gemietet, das bei einigen sogar von ihren Arbeitgebern bezahlt wird.
Können Praxisphasen auch in anderen Unternehmen absolviert werden, wenn es thematisch passt?
Nein, das ist mir nicht bekannt. Aber es gibt die Möglichkeit, sich für ein Auslandssemester zu bewerben, um dort die Bachelorarbeit zu schreiben. Ein Student hat seine Arbeit beispielsweise an einer Kooperations-Uni in Brasilien geschrieben.
Bauen die Praxis- und Theoriephasen inhaltlich aufeinander auf?
In den ersten beiden Semestern haben wir viel Grundlegendes gemacht, was noch keinen direkten Praxisbezug hatte. Ab dem 4. oder 5. Semester sind die Bezüge zwischen Studium und Praxis dann klar gegeben.
Wie lang werden Sie laut Vertrag bei Canzler bleiben?
Bis 2020 läuft das Studium und der Vertrag mit Canzler besteht dann noch drei weitere Jahre.
Es heißt immer, so ein duales Studium sei im Vergleich zu einem „normalen“ Studium besonders anstrengend. Wie erleben Sie es?
Vor allem während der Semesterferien merke ich, dass meine Freundinnen und Freunde, die alle an der Uni studieren, ihre Zeit viel freier einteilen können, obwohl sie auch Nebenjobs haben. Diesen Sommer hatte ich zwei Wochen Urlaub, ansonsten war ich im Unternehmen oder an der Hochschule beschäftigt. In den ersten beiden Semestern war ich in den Theoriephasen von 8:00 Uhr bis 13:30 Uhr und an zwei oder drei Tagen in der Woche bis 15:30 Uhr an der Hochschule. Meine Freunde haben sicherlich größere Freiheiten. Das ist ein Nachteil meines dualen Studiengangs. Aber dafür überwiegen aus meiner Sicht insgesamt die Vorteile.
Was sehen Sie als Vorteile?
Ich weiß, was ich in den nächsten sechs Jahren machen werde – habe also Planungssicherheit. Ich bin jetzt schon in einem Unternehmen beschäftigt, muss mir also keine Sorgen um den Einstieg in den Beruf nach dem Studium machen. Canzler bezahlt meine Studiengebühren und ich bekomme eine Vergütung.
Überlegen Sie, vielleicht ein Master-Studium anzuschließen?
Ausschließen will ich das nicht, aber das muss ich mir dann später noch überlegen. Ich könnte aber, auch in Verbindung mit Canzler, den Master machen.
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