Forscherdrang im Kindergarten wecken
Bildung verändert sich von unten nach oben. Wird bereits im Kindergarten technisches Interesse gefördert, führt das zu mehr Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Zahlreiche Projekte für Kinder im Kindergarten verfolgen dieses Ziel, häufig sind sie in Netzwerken verwoben und sie erleben stark steigenden Zulauf.
Wehe, wenn sie losgelassen werden, dann gehen Luftballons ab wie eine Rakete. Kinder haben ihren Spaß daran, wenn die Ballons kreuz und quer durch den Raum schwirren. Und manche stellen sich die Frage: Warum ist das so? Antworten können ihnen Erwachsene geben, die sich mit Naturphänomenen auskennen.
Sie wissen: Wird die lange Seite eines Trinkhalms mit Knick in den Luftballons gesteckt, gibt ihm das kurze Ende eine genaue Flugrichtung vor. Der Rückstoß ausströmender Luft lässt sich beispielsweise zur Fortbewegung nutzen, wenn der Ballonmotor an einem Modellauto befestigt wird. Diese Erfahrung machen Kinder im Kindergartenalter in der Autostadt Wolfsburg.
Der Forscherdrang der Kinder setzt ab einem Alter von drei Jahren ein
Die Autostadt ist ein Tochterunternehmen von Volkswagen und anerkannter außerschulischer Lernort des niedersächsischen Kultusministeriums. „In dieser Rolle sehen wir uns in der Verantwortung, das Interesse an Technik und Mobilität zu fördern“, sagt Michael Pries, Leiter des Fachbereichs inszenierte Bildung der Autostadt. Ab einem Alter von drei Jahren seien Kinder von Naturphänomenen fasziniert. „Wir gehen mit unserer technischen Frühbildung darauf ein und vermitteln neue Blickwinkel für bestehende Naturphänomene.“
Jeden Tag besuchen Kindergartengruppen Kurse und Workshops zu unterschiedlichen Themen. Und es gibt spezielle Angebote für Tagesgäste, wie „Bionik – Falten halten – Das Prinzip natürlicher Leichtbaukonstruktionen. Der Natur nachgeahmt“. Die Autostadt hat eine eigene pädagogische Abteilung mit 70 Mitarbeitern, vom Didaktik-Experten über die Erzieherin bis hin zum Gymnasiallehrer. Darüber hinaus ist sie Ausbildungsstützpunkt für das Haus der kleinen Forscher, von dort stammt auch die Idee mit dem Luftballon.
Haus der kleinen Forscher bietet Fortbildungskonzepte für den Kindergarten
Das Haus der kleinen Forscher hat seine Zentrale in Berlin. „Wir wollen alltägliche Begegnungen mit Naturphänomenen in Kindergärten verankern. Dazu haben wir ein Fortbildungskonzept für Erzieherinnen und Erzieher entwickelt und stellen ihnen Materialien zur Verfügung“, sagt Christina Mersch, stellvertretende Geschäftsführerin vom Haus der kleinen Forscher. Die Stiftung wurde 2006 gegründet, ist bundesweit aktiv, hat etwa 200 Partner und über 18 000 Kindergärten, die mit ihr zusammenarbeiten.
Einer der Partner ist die Autostadt. Das Unternehmen unterstützt die Aktivitäten der Berliner und stellt beispielsweise Räumlichkeiten zur Fortbildung von Erzieherinnen zur Verfügung. „Immer sind es Tagesveranstaltungen und die Gebühr dafür beträgt maximal 15 €“, sagt Mersch.
Das Kinderhaus Rosa Grünbaum in Mannheim trägt seit 2009 das Label „Haus der kleinen Forscher“. Diese Auszeichnung erhalten Einrichtungen, die den Nachweis erbracht haben, im Alltag regelmäßige Projekte über Technologie und Naturphänomene durchgeführt zu haben. Im Juni 2011 hat das Kinderhaus zum zweiten Mal die Kriterien erfüllt. „Jeweils ein Jahr lang haben wir uns auf die Zertifizierungen vorbereitet“, sagt Erzieherin Daniela Schneider. Sie und Kolleginnen haben an Fortbildungen teilgenommen, Experimente und Projekte durchgeführt und alles fein säuberlich protokolliert für die Zertifizierung. Parallel dazu sind Forschen und Experimentieren fester Bestandteil im Alltag des Kinderhauses geworden. „Kinder sollen von klein auf Spaß und Freude an Naturphänomenen bekommen, denn mit dem Übergang in die Schule müssen sie sich zwangsläufig damit auseinandersetzen“, begründet Schneider.
Die durchgeführten Projekte gehen über einen Zeitraum von drei bis fünf Wochen und währenddessen beschäftigen sich die Kinder jeden Tag mit dem jeweiligen Thema. Zuletzt ging es um Bohrinseln. Für den Alltag liegt Material aus, sodass die Kleinen von sich aus mit Farben oder Magneten spielen und experimentieren können. Darüber hinaus werden feste Aktionstage durchgeführt.
Schneider und andere Erzieherinnen vom Kinderhaus absolvierten ihre Fortbildungen am Technoseum, dem Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim.
Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim bietet Aktivitäten für Kindergarten-Kinder
Das kooperiert ebenfalls mit dem Haus der kleinen Forscher und bietet seit seiner Gründung vor 20 Jahren Aktivitäten für Kindergarten-Kinder an. „Wir sehen das Museum als spannenden Lernort, an dem auch Kindergartenkinder ihrem ganz natürlichen Forscherdrang nachgehen können“, sagt die Leiterin der Abteilung Museumspädagogik, Antje Kaysers. Für vier- bis sechsjährige eigne sich beispielsweise aus der Dauerausstellung das Thema „Handpapierschöpfen aus der Papiermühle“. Zudem gibt es Experimentierfelder, die in die Dauerausstellung eingebunden sind: Dort wird eine Dampfmaschine in natura gezeigt, am Modell können Kinder experimentieren. Und im Laboratorium werden naturwissenschaftliche Experimente für sie angeboten.
Im Technoseum ist auch der VDIni-Club mit vier Altersgruppen vertreten, eine davon für Vier- bis Siebenjährige. VDI steht für Verein Deutscher Ingenieure, er ist der größte technisch-wissenschaftliche Verein Europas. 2009 wurde der erste VDIni-Club gegründet, heute gibt es 30 mit etwa 5800 Mitgliedern. „Wir geben den Clubs mit Schwerpunktthemen eine Struktur“, sagt Angela Inden, Mitarbeiterin des VDIni-Projektteams in Düsseldorf.
Pro Quartal wird ein Thema bearbeitet, zuletzt Schifffahrt. Darüber wird im Clubmagazin berichtet und es wurden auf der Homepage ein digitaler Technikraum eingerichtet sowie Experimente zum Download bereitgestellt. Weitere Clubangebote sind Werksbesichtigungen oder Experimentiernachmittage, der Mitgliedsbeitrag beträgt 20 € jährlich. „Die Nachfrage nach Mitgliedschaften steigt explosionsartig. Seit 2010 hat sich deren Zahl verdreifacht“, so Inden weiter.
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