Ingenieur und Informatiker: Was können interdisziplinäre Studiengänge?
Die fünf größten Unternehmen der Welt sind im Jahr 2017 ausnahmslos digitale: Apple, Alphabet, Microsoft, Amazon, Facebook. Und auch in deutschen Domänen wie der Automobilindustrie ist die Digitalisierung ein Mega-Trend. Bereiten interdisziplinäre Studiengänge Ingenieure darauf vor?
Die Arbeitswelt für Ingenieure verändert sich gerade rasant. Wer heute ein Studium beginnt, sollte deshalb sicher gehen, dass er oder sie mit dem erlernten Wissen im Beruf punkten kann. Was also gibt es zu beachten bei all den neuen Studiengängen an der Schnittstelle zwischen Informatik und Ingenieurwesen?
„Eine gewisse Informatikkompetenz benötigt heute jeder Absolvent. Ohne Digitalisierung funktioniert auch der Maschinenbau nicht mehr“, bilanziert Gerhard Müller, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Technischen Universität München. „Das Wissen wächst rasant, aber die Zeit, die für ein Studium zur Verfügung steht, bleibt gleich.“ Deshalb müsse man die Inhalte an den Hochschulen immer wieder neu strukturieren, sortieren und dabei neue Schwerpunkte setzen. Dieser Wandel vollzieht sich gerade.
Interdisziplinäre Fächer: Welche gibt es?
Wir richten den Blick auf die zwei technischen Universitäten in Deutschland, deren Absolventen am Arbeitsmarkt besonders begehrt sind.
An der TU München gibt es bereits seit dem Wintersemester 2009/10 den Master-Studiengang „Automotive Software Engineering“ mit Inhalten aus Informatik, Mechatronik, Elektrotechnik und einer Prise Wirtschaftswissenschaften. Zur gleichen Zeit wurde „Robotics, Cognition, Intelligence“ eingeführt, eine Verknüpfung von Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik. „Mechatronik und Informationstechnik“ bietet die TUM seit 2008/09 an.
Schon zu den Klassikern gehören gewissermaßen „Computational Science and Engineering“, „Computational Mechanics“ sowie „Communications Engineering“, die allesamt um die Jahrtausendwende aus der Taufe gehoben wurden. Insgesamt 330 Studierende sind nach Angaben der TUM momentan in diesen sechs Masterfächern eingeschrieben. Weitere dieser Art sind vorerst nicht geplant.
Anders im tiefen Westen der Republik. An der RWTH Aachen bereitet man die Masterfächer „Data Science“ und „Computational Life Science“ vor. Schon seit einigen Jahren können Studierende in Aachen ihren Abschluss in „Computational Engineering Science“, „Simulation Science“ sowie „Automatisierungstechnik“ machen.
Deutschlandweit ist die Liste an übergreifenden Studiengängen mittlerweile lang und unübersichtlich. Da gibt es etwa den Master in „Automation & Robotics“ an der TU Dortmund oder den Weiterbildungsstudiengang „Electronic Systems Engineering and Management“ am Karlsruher KIT. Längst etabliert hat sich zudem die „Ingenieur-Informatik“ als klassisches Bindestrichfach.
Wichtig ist für angehende Ingenieurinnen und Ingenieure aber folgendes: Auch in den traditionellen Studiengängen haben IT-Inhalte längst Einzug gefunden. Beispiel TU Braunschweig: Zu den fünf Wahlbereichen im Bachelorfach Elektrotechnik zählen etwa Computer und Elektronik sowie Nano-Systems-Engineering.
Welche Chancen bieten sie?
Interdisziplinäre Studiengänge, sagt Aloys Krieg, Prorektor für Lehre an der RWTH, „bedienen genau die Anforderungen, die seitens der Wirtschaft gestellt werden. Daher halten wir diese Studiengänge für sehr zukunftsträchtig.“ Die Kunst bestehe darin, eine solide wissenschaftliche Grundlage in beiden Gebieten zu legen. Ein Ingenieur mit IT-Kompetenz oder umgekehrt ein Informatiker mit technischem Verständnis sei gut aufgestellt, da sich zahlreiche Probleme der Zukunft nur mit fachübergreifender Expertise lösen lassen.
Das bestätigen auch Headhunter wie Nicole Mai, Director für Executive Search bei der Personalberatung Dwight Cribb. „Die Unternehmen merken, dass sie unbedingt Leute brauchen, die sowohl das maschinelle als auch das technologische und IT-Verständnis mitbringen.“
An den immer neuen Studiengängen entzündet sich aber auch Kritik.
Was spricht gegen interdisziplinäre Fächer?
Die große Auswahl wird aber nicht nur positiv aufgenommen. „Im Zuge der Bologna-Reformen ist es in Deutschland zu einem Wildwuchs an Studiengängen gekommen“, sagt Vizepräsident Müller von der TU München. Viele seien nur deshalb entstanden, weil eine Universität ein aktuelles Thema platzieren wollte. Ein Thema, das sehr vergänglich sein kann. „Wenn Sie heute ein Thema, das gerade in aller Munde ist, in einen Studiengang gießen, heißt das auch, dass der Absolvent die nächsten Jahrzehnte den Abschluss auf seiner Visitenkarte hat“, sagt Müller. „Das sollte man auch bei der Studienwahl bedenken.“
Den Durchbruch jedenfalls haben die interdisziplinären IT-Ingenieur-Fächer noch nicht geschafft. „Diese Studiengänge zählen momentan eher noch zu den kleineren“, so Krieg von der RWTH. „Sie gelten auch als schwierig, weil man eben in beiden Welten zu Hause sein muss.“ Aber wer das ist, der scheint für die Herausforderungen der Zukunft gut gerüstet zu sein. Zumal – darauf verweist Müller – die Universitäten Studierende darauf vorbereiten müssen, „Aufgaben zu lösen, die wir heute gar noch nicht kennen“.
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