Ingenieure für die Medizintechnik
Die Medizintechnik ist für Ingenieure ein wichtiges Arbeitsfeld. Zu den Aufgaben gehören die Entwicklung, der Vertrieb, die Betreuung und Instandhaltung. Universitäten und Fachhochschulen haben sich mit besonderen Studiengängen darauf eingestellt.
Noch sitzen die Mannheimer Studenten über ihren Büchern und schreiben an ihrer Abschlussarbeit. Im Februar wird dann der erste Jahrgang des Studienganges Medizintechnik der Fachhochschule Mannheim den Campus verlassen. Ein komplettes Ingenieurstudium liegt dann hinter ihnen. Und daneben unzählige Vorlesungsstunden in Anatomie und Physiologie. Seite an Seite mit Medizinstudenten der Universität Heidelberg.
Die Verzahnung mit der Medizin ist grundlegend für das Verständnis des Körpers, das für die Medizintechnik gebraucht wird. „Viele unserer Studenten haben darüber nachgedacht, Medizin zu studieren, bevor sie sich für unseren Studiengang entschieden. Aber als Arzt wollten sie nie arbeiten“, sagt Studiengangsleiter Marcus Vetter. Das Ingenieurstudium der Medizintechnik ist für sie eine Alternative. Dafür kooperieren die Hochschule Mannheim und die Universität Heidelberg im gemeinsamen Institut für Medizintechnologie.
Ingenieurstudium der Medizintechnik als Alternative
Das Zusammenspiel von Medizin, Technik, Wissenschaft und Wirtschaft interessiert immer mehr Studienanfänger. Die Hochschulen haben sich inzwischen darauf eingestellt. Mehr als 40 verschiedene Studiengänge werden in ganz Deutschland angeboten. Denn die Arbeitsplatzchancen sind für die Absolventen sehr gut. Branchenriesen wie Siemens Healthcare oder der Gesundheitskonzern Fresenius prägen den Markt. Doch auch viele kleine und mittelständische Unternehmen suchen Nachwuchs. Medizintechnik sichert in Deutschland nach Schätzungen rund 110 000 Arbeitsplätze.
Zu den Aufgaben der Medizintechnik-Ingenieure gehören die Entwicklung, der Vertrieb, die Betreuung und Instandhaltung von medizinisch-technischen Anlagen und Geräten. Röntgensysteme, Strahlentherapie oder Chirurgieroboter – was die Ingenieure entwickeln, soll dabei helfen, bessere Diagnosen zu stellen und die Ärzte bei ihrer Arbeit sinnvoll und effektiv zu unterstützen.
Die Hochschule Mannheim und die Universität Heidelberg haben sich für die Ausrichtung des Medizintechnikstudiums in der Elektro- und Informationstechnik entschieden. „Viele Innovationen kommen inzwischen aus der Informationstechnologie. In der Medizin kommt es immer mehr auf die Verarbeitung der Daten an“, sagt Vetter. Beispiel Augendruckmessung: Während diese noch vor einigen Jahren mechanisch durchgeführt wurde, findet sie heute digital statt. Die Daten werden archiviert und für Kliniksysteme aufbereitet. Auch die Bildgebung ist ein Zukunftsthema und ein Schwerpunkt im Studium. Sei es die Verarbeitung von Daten aus dem Computertomographen oder vom MRT.
Seit dem Wintersemester 2008 bietet die Fachhochschule den Studiengang an. Und hat sich den Markt zur Vorbereitung gut angesehen – um einen Studiengang zu schaffen, der sowohl den Studenten einen größtmöglichen Nutzen bringt als auch vom Markt angenommen wird.
Siemens Healthcare an der Konzeption des Medizintechnik-Studiengangs der Uni Erlangen-Nürnberg beteiligt
Ähnlich verhält es sich auch mit dem Bachelor-Studiengang Medizintechnik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Bei der Konzeption des Studienganges saßen die großen Akteure aus der Region mit am Tisch. Dazu gehört allen voran Siemens Healthcare, als eines der größten medizintechnischen Unternehmen der Welt. Mehr als 16 000 Menschen sind in der Region in mehr als 500 Unternehmen der Medizintechnik beschäftigt. Gefördert wird die Region zudem durch Mittel des Bundesforschungsministeriums mit 40 Mio. € bis 2015. Nicht umsonst spricht man auch vom Medical Valley. Erstmals ist der Studiengang Medizintechnik im Wintersemester 2009 gestartet. Die Studenten profitieren dabei nicht nur von der Nähe zur Wirtschaft, sondern auch von den 22 Universitätskliniken.
Mit der Anbindung an über 400 Unternehmen der Medizintechnik wirbt der Studienstandort Tuttlingen. Wie in Erlangen steht im Zentrum dieses Clusters mit der Aesculap AG ein Großunternehmen. An der Hochschule Furtwangen kann Industrial MedTec auf Bachelor studiert werden. Ziel ist es, Fähigkeiten für die Entwicklung neuer medizintechnischer Produkte zu erlernen. Der Schwerpunkt liegt auf chirurgischen Instrumenten, Implantaten und minimalinvasiven Verfahren. 40 Studienplätze werden jedes Jahr besetzt.
TU Berlin: Medizintechnik seit 1915
Auf eine sehr lange Tradition kann die Medizintechnik an der TU Berlin zurückblicken. Schon 1915 wurde hier an der „Prüfstelle für Ersatzglieder“ die Funktionsfähigkeit von Prothesen geprüft und begutachtet. Noch heute ist die Entwicklung von Prüf- und Bewertungsmethoden ein wichtiges Aufgabengebiet der Medizintechnik an der TU Berlin. Ein Team des Fachgebiets Medizintechnik arbeitet derzeit an einem innovativen System, mit dem Belastungen beim Gang mit einem künstlichen Bein gemessen werden können. Aus den Daten wird elektronisch ein Gangbild des Patienten berechnet. Damit können die Prothesen noch besser angepasst werden.
Deutsche Medizintechnik-Studenten sind auch auf dem internationalen Markt gefragt. Die RWTH Aachen bietet mit dem Masterprogramm Biomedical Engineering ein Studium in englischer Sprache an. Eine Spezialisierung ist in den Themen „Tissue Engineering“, „Medical Imaging/Guided Therapy“ und „Artificial Organs/Devices“ möglich. Dabei gilt insbesondere Tissue Engineering als Zukunftsfeld. Hier geht es darum, biologisches Gewebe künstlich zu erzeugen. Dazu können z. B. Herzklappen-Implantate gehören.
Allen Studiengängen ist gemein, dass sie ein großes medizinisches Interesse voraussetzen. Und dabei trotzdem die Ingenieurwissenschaften voll zur Geltung kommen. Nicht ohne Grund empfiehlt die Universität Erlangen-Nürnberg vor dem Beginn des Studiums ein Mathematikrepetitorium für Studienanfänger an der Technischen Fakultät. Es findet immer im Zeitraum der ersten zwei Wochen vor Semesterbeginn statt. Die Nachfrage nach den Studiengängen ist groß. Allein in Mannheim bewerben sich jedes Jahr rund 650 Abiturienten auf 45 Studienplätze. Doch wer es erst einmal geschafft hat, dem steht mit dem Studienabschluss eine Zukunftsbranche offen.
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