Bildung 16.12.2011, 12:03 Uhr

Mathematik soll endlich Spaß machen

Mathematik hat das Image, graue Theorie zu sein. Die Ursache dafür liegt in der Vergangenheit. Damit Rechnen wieder Spaß macht, wird Mathematik heute mit Praxisbezug unterrichtet. Richtig rechnen können, ist die Grundlage für die Naturwissenschaften und damit notwendig für diese Jobs.

Kein anderes Schulfach polarisiert so sehr wie die Mathematik. „Ein Drittel meiner Oberstufenschüler liebt es, ein Drittel hasst es und der Rest nimmt hin, was nicht zu ändern ist“, sagt Karl-Heinz Nägele. Der 62-Jährige ist Gymnasiallehrer für Mathematik, Physik und Informatik am Königin-Olga-Stift in Stuttgart. In Baden-Württemberg kommt kein Schüler an einer einheitlichen Prüfung in Mathematik vorbei, dafür hat Annette Schavan, heute Bundesministerin für Bildung und Forschung, zuvor Kultusministerin im Schwabenland, gesorgt. Schavan hat alle Grund- und Leistungskurse abgeschafft und durch Kompetenzfächer ersetzt. Dass Mathematik damit zum Pflichtfach aufgewertet wurde, findet der Lehrer gut. Doch in der Beliebtheit ging es weiter bergab. „Die Polarisierung ist extremer als zuvor.“ Die Ursachen dafür liegen mit in den 1970er-Jahren.

Damals wurde die Mengenlehre eingeführt und Mathematik zur reinen Theorie degradiert. „Die Väter der Mengenlehre wollten sich profilieren und haben das Fach ins Abseits gestellt“, sagt Ellen Walther-Klaus, Geschäftsführerin von MINT Zukunft schaffen. Der Verein vernetzt und bündelt alle Initiativen rund um die MINT-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik mit dem Ziel, Unterricht und Lehre in den MINT-Fächern an Schulen und Hochschulen deutlich zu verbessern. Aus gutem Grund und mit schon spürbarem Erfolg: 2005 lag die Studienabbrecherquote in diesen Fächern bei 38 %, 2009 war sie auf 24 % zurückgegangen. Der häufigste Abbruchgrund ist unverändert die Mathematik geblieben.

Mathematik hat den Bezug zur Realität verloren

Walther-Klaus ist ausgebildete Lehrerin für Mathematik, Physik und Informatik, hat unterrichtet und dabei festgestellt: „Die Mathematik ist so unbeliebt bei Schülern, weil sie auch durch die Mengenlehre den Bezug zur Realität verloren hat.“ Kein Mensch denke schließlich in Mengen, sondern immer in Äpfel und Birnen. Schon nach wenigen Jahren wurde die Mengelehre abgeschafft und damit begonnen, den Anwendungsbezug ins Fach zurückzubringen. Ziel der Deutschen Mathematiker Vereinigung ist es, den schlechten Ruf des Fachs aufzupolieren.

„Mathematik ist ein anspruchsvolles Fach, denn es erfordert ein hohes Maß an Disziplin. Man muss präzise sein, genau argumentieren und braucht Geduld“, sagt Christian Bär, Professor für Mathematik an der Universität Potsdam, zugleich Präsident der Vereinigung. Wer Mathematik nicht könne, dem blieben beruflich viele Türen verschlossen. Das Fach sei bei vielen Schülern und Studenten unbeliebt, weil die Eltern ihren Frust über die Mathematik an ihre Kinder weitergeben würden. „Außerdem, Mathematik baut aufeinander auf und wer den Anschluss verliert, hat es schwer, ihn wiederzufinden.“ Das erfordere große Anstrengung.

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Unterschiedliche Projekte sollen das Image der Mathematik aufpolieren

Durch unterschiedliche Projekte versucht die Vereinigung, das Image der Mathematik aufzupolieren. Sie vergibt Abiturpreise und bietet Vorlesungen an Universitäten für die Bevölkerung an. „Auch wenn jede einzelne Aktivität der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein ist, so entsteht dennoch ein neues und positiveres Bild über die Mathematik.“ Und die ist in der Praxis wichtig für die Verschlüsselung der Daten beim Online-Banking oder zur Berechnung von Schaltkreisen im Handy.

„Mathematik ist eines der wichtigsten Grundlagenfächer für die Naturwissenschaften und wer Mathematik nicht kann, der hat es bei der Studien- und Berufswahl schwerer als die anderen.“ Diese Erkenntnis hat Lehrer Nägele in Gesprächen mit ehemaligen Schülern gewonnen. Ihn ärgert es, wenn Prominente oder Politiker öffentlich damit prahlen, dass trotz mangelhafter Mathematik dennoch etwas aus ihnen geworden sei. „Damit drücken sie aus: Mathematik zählt nicht. Von Deutsch würde das keiner behaupten.“ Solche Äußerungen schaden seiner Meinung nach der Mathematik und hemmen, statt dass sie fördern. Doch Mathematik braucht dringend Förderung: In Deutschland fehlen rund 140 000 MINT-Fachkräfte, meldet Businesseurope, die Dachorganisation der europäischen Arbeitgeberverbände.

Ein Beitrag von:

  • Peter Ilg

    Peter Ilg ist freier Journalist und verfasst Texte über Arbeitsmarkt und Berufe, Mobilität und Fahrberichte, Wirtschaft und Märkte.

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