Studenten fit in Theorie und Praxis
Industrieländer der Welt, insbesondere die USA, blicken mit Bewunderung auf die Ingenieurausbildung in Deutschland. Insbesondere das duale Studium, das eine praktische Berufsausbildung im Industriebetrieb einschließt, gilt dabei als vorbildlich. Philip Haaks ist einer von rund 35 Maschinenbaustudenten, die an der Hochschule Ruhr West (HRW) in Mülheim an der Ruhr diesen dualen Zweig gewählt haben.
Der Stundenplan von Philip Haaks (20) ist randvoll. Der im 3. Semester steckende Maschinenbaustudent der HRW in Mülheim an der Ruhr absolviert innerhalb von neun Semestern nicht nur sein Bachelorstudium, sondern auch eine Ausbildung zum Facharbeiter bei der Firma Siemens. Zur Ausbildung gehören Lehre und Berufsschule.
Der Hochschul-Campus in Mülheim liegt direkt vis-à-vis zum Turbinenwerk im Siemens-Technopark. Dort absolviert der gebürtige Hamburger innerhalb von zwei Jahren seine Berufsausbildung und erhält das tarifliche Auszubildenden-Gehalt, ab dem 5. Semester das Facharbeiter-Entgelt. Inhalte und Fertigkeiten, die anderen Azubis in dreieinhalb Jahren vermittelt werden, müssen im dualen Studium bereits nach zwei Jahren, am Ende des 4. Semesters, beherrscht werden. Hinzu kommen Lehrinhalte des Maschinenbaustudiums.
„Montags, dienstags und freitags bin ich bei Siemens, mittwochs und donnerstags in der Hochschule“, sagt Haaks, der zuerst Elektroingenieur werden wollte, sich dann aber für den Maschinenbau entschieden hat. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so viel Stress ist“, gibt Haaks zu. „Aber es macht Spaß und ich möchte in der Richtung weitermachen, möglichst mit Master und eventuell mit Promotion.“ Interesse an Technik habe er schon als Schüler gehabt. „Ich habe mit meinem Vater an Modellautos gebaut und bei uns an der Schule in der Physik-AG mitgearbeitet.“ Dazu passen seine Schwerpunkte im Abi: Mathe, Physik, Chemie.
Seit drei Jahren gibt es den dualen Zweig des Maschinenbaustudiums an der HRW in Mülheim, den 15 % aller dortigen Maschinenbaustudenten wählen. Das Studium ohne parallel laufende Berufsausbildung dauert nur sieben Semester. „Die Inhalte sind genau die gleichen“, sagt Dekan Markus Schneider. Ab dem fünften Semester seien die „Dualen“ so weit wie die anderen Studierenden im dritten Semester.
Trotz der enormen Vorzüge, die ein praxisnahes Studium böte, sei das reguläre Studium keineswegs ein Auslaufmodell, sagt Schneider. „Das sieben Semester umfassende Studium ohne gleichzeitige Berufsausbildung hat zum Beispiel den Vorteil, dass die Richtung nicht festgelegt ist und sich der Student nicht an ein Unternehmen bindet.“
Der Nutzen des dualen Zweigs ist unterdessen beidseitig: „Wir können unseren Nachwuchs sichern“, betont Ferdinand Walbaum, Ausbildungsleiter bei Siemens. Man bilde zielgerichtet für die Fachabteilungen aus. „Nach dem Studium liegt die Einarbeitungszeit dann bei null.“
Und der Absolvent des Maschinenbaustudiums könne mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, übernommen zu werden. Für eine Übernahme müsse die Ausbildung mindestens mit der Note 3 abgeschlossen werden. „Wir haben keinen dual Studierenden, der an dieser Hürde gescheitert ist“, berichtet Walbaum, der schon seit vielen Jahren Maschinenbaustudenten bei Siemens in die Welt der Berufspraxis einführt.
Man wolle die Studierenden aber noch über das Fachliche hinaus fördern, so der Ausbildungsleiter weiter. „In den Semesterferien bieten wir acht Manager-Seminare an mit den Themenschwerpunkten Rhetorik und Mitarbeiter-Führung.“ Für solche Zwecke unterhalte Siemens eigene Seminarhäuser.
Die Abschlussarbeit für die Hochschule gestaltet sich derweil keineswegs als Trockenübung. In enger Abstimmung zwischen Firma und Hochschule werde das Thema gestellt, erklärt Walbaum. Eine mögliche Aufgabenstellung wäre zum Beispiel eine zu hohe Temperatur in einem Generator. Unter Betrachtung aller Bauteile müsste der Student ermitteln, woher die Temperaturerhöhung kommt. Herauskommen könnte dabei eine neue Schaufel-Studie, die der Firma nützt. „Gelöst werden keine theoretischen, sondern praktische Probleme.“ Auch eine Bachelor-Arbeit sei wertschöpfend. LARS WALLERANG
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