Vom Ingenieur zum Ingenieur-Professor
Globalisierung und Exzellenzinitiative haben auch Auswirkungen auf akademische Karrieren. Wie Ingenieure mit wissenschaftlichen Ambitionen den Aufstieg auf einen Lehrstuhl an einer Hochschule strategisch planen können, wird im Seminar „How to become a professor“ verraten.
Ein Job als Professor? Für manchen Ingenieurwissenschaftler ist dieser Karriereweg nach der Doktorarbeit eine interessante Alternative zu einer Beschäftigung in der Wirtschaft. Dem Zufall überlassen sollte man dabei aber nichts. Deshalb bietet die vom Bundesforschungsministerium geförderte Initiative Kisswinn das Seminar „How to become a professor“ an. Es soll promovierten Nachwuchswissenschaftlern an zwei Wochenenden Tricks und Kniffe vermitteln, wie sie ihren Aufstieg auf den Lehrstuhl einer Hochschule strategisch planen.
Was zählt, um wissenschaftliche Karriere zu machen, sind neben exzellenten Leistungen vor allem Auslandsaufenthalte, Veröffentlichungen in renommierten Fachzeitschriften und das Einwerben von Drittmitteln. „An solchen Parametern können Nachwuchswissenschaftler arbeiten wie Spitzensportler mit Trainingsplänen“, sagt Sabina Jeschke. Die 42-jährige Professorin forscht seit 2009 am Lehrstuhl Informationsmanagement im Maschinenwesen der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen und hat Ende vorigen Jahres das bundesweit erste Seminar dieser Art für potenzielle Professoren geleitet.
Welche Strategien der akademische Nachwuchs auf dem Weg zum Lehrstuhl wählen sollte, ist individuell verschieden und hängt von der Fachdisziplin ab. Für den Ingenieurwissenschaftler ist es nach einer erfolgreichen Doktorarbeit wichtig, selbstständige Forschungserfahrung, berufliche Praxis und internationale Expertise aufzubauen – letzteres spielt vor dem Hintergrund des globalisierten Wettbewerbs eine immer zentralere Rolle.
Ganz neu ist das nicht. Gewandelt haben sich in den vergangenen Jahren aber andere Anforderungen der Universitäten. „Die Qualität der Publikationen war bislang kein zentraler Faktor, jetzt wird es immer wichtiger“, hat Jeschke festgestellt. Ursache dafür ist die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Wissenschaftsrat begleitete Exzellenzinitiative. „Universitäten suchen Forscherpersönlichkeiten, die in der Lage sind, in der Spitzenliga deutscher Universitäten mitzuspielen. Die Publikationsliste ist bei der Auswahl ein zentraler Benchmark“, sagt sie.
Frühzeitig feilen sollten Jungingenieure mit wissenschaftlichen Ambitionen zudem an ihren Fähigkeiten in der Lehre: „Nur gute Forschung reicht vielen Unis nicht aus“, sagt Jeschke.
Um hohe Abbrecherquoten zu vermeiden, sind die Hochschulen an guten Dozenten interessiert. Und auch Management- und Führungserfahrung sehen viele Universitäten gerne in den Biografien ihrer künftigen Professoren. „Die Unis suchen Wissenschaftler, die eine Vielzahl von Projekten parallel durchführen und große, interdisziplinär arbeitende Gruppen aufbauen und leiten können“, sagt Jeschke, die selbst an der RWTH Aachen ein Institutscluster mit rund 50 wissenschaftlichen Mitarbeitern führt. Wer die Karriereleiter bis zum Lehrstuhl nach oben klettern möchte, sollte deshalb frühzeitig Führungsverantwortung übernehmen.
Doch das Seminar will dem Forschernachwuchs nicht nur strategische Tipps geben, sondern auch praktische Hilfestellung bei Bewerbung und Berufungsprozedere leisten. Ein Manko vieler Nachwuchswissenschaftler aus Sicht von Jeschke: Sie wissen nicht, wann sie sich auf eine Professur bewerben sollen. Viele Jungingenieure machen in ihrer Post-doc-Phase keine Habilitation, sondern erbringen habilitationsfähige Leistungen. „Wann diese Leistungen erfüllt sind, ist jedoch oft schwammig formuliert“, sagt Jeschke.
Etliche Nachwuchs-Asse warten zu lange und wüssten nicht, dass sie sich schon früher auf eine W2-Professur hätten bewerben können. „80 % der Ingenieure, die eine wissenschaftliche Laufbahn anstreben“, schätzt sie, „haben bereits nach vier Jahren habilitationsfähige Leistungen erworben.“
Auch wenn die Bewerbung nach einem Ruf an die Hochschule in ihre heiße Phase geht, ist der Informationsbedarf bei vielen Wissenschaftlern groß. Cornelia Damm, eine der 18 Seminarteilnehmer und Wissenschaftlerin am Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik der Universität Erlangen-Nürnberg, kann das bestätigen. „Wie man mit wem von der Hochschule über Gehalt oder Ausstattung möglichst geschickt verhandelt, wusste ich zuvor nicht“, sagt die 39-Jährige Nanotechnologin, die die Anwendung von Silbernanopartikeln für medizinische Geräte untersucht.
Geholfen hat Cornelia Damm das Seminar auch bei einer anderen Hürde, vor der viele Jungforscher mit einigem Unbehagen stehen: dem so genannten „Vorsingen“ vor der Berufungskommission. „Man sollte dabei nicht nur sich selbst präsentieren, sondern auch auf die Belange der Hochschule und die Anforderungen in der Lehre eingehen“, sagt Damm, die sich jetzt für künftige Bewerbungen gut gerüstet sieht.
Seminarleiterin Jeschke kann derweil junge Ingenieure nur zur wissenschaftlichen Karriere ermutigen. „Ich habe das nie bereut. Der Job als Professor ist für mich der tollste Job der Welt.“
BENJAMIN HAERDLE
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