Was ist der Master wert?
Ein Master bedeutet Profilbildung und gehört nicht unbedingt zur Standardanforderung für Ingenieure. So sieht es Michael Berger vom VDE, mit dem die VDI nachrichten über den Stellenwert des Masters aus Verbands- und Unternehmenssicht gesprochen haben.
Die Jobaussichten von Master-Absolventen
Herr Berger, haben Bachelorabsolventen ähnlich gute Chancen, bei den VDE-Mitgliedern einen Job zu bekommen wie Studierende, die zusätzlich den Master abgeschlossen haben?
Michael Berger: Die Unternehmen suchen querbeet. Um es etwas flapsig auszudrücken: Viele Firmen nehmen lieber einen engagierten Bachelor mit guten Noten und Potenzial als einen Master, der eigentlich nur keine Lust zum Arbeiten hatte. Wer sich also fragt, ob er/sie noch einen Master draufsetzen will, sollte nicht sein Fähnlein in den Wind hängen.
Michael Berger leitet den VDE Bundesausschuss Studium, Beruf und Gesellschaft mit etwa 40 Experten aus Wirtschaft und Hochschulen. Er war 13 Jahre Vizepräsident der Fachhochschule Westküste und hat diverse Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt, begleitet und deren Qualität gesichert.
Seit Mai dieses Jahres leitet der 61-jährige Berger den Campus 100, ein Energiewendeinstitut mit dem Ziel, die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität zu koppeln.
Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) ist mit rund 36.000 Mitgliedern, davon 1.300 Unternehmen, einer der größten technisch-wissenschaftlichen Verbände Europas. Der VDE verkörpert die fünf Fachgesellschaften Informationstechnik, Energietechnik, Medizintechnik, Mikroelektronik / Mikrosystemtechnik und Automatisierungstechnik.
Warum macht der Master nicht den großen Unterschied?
Der Ingenieurarbeitsmarkt steht ohnehin Kopf, der Mangel wird uns in Deutschland noch viele Aufträge und viel Geld kosten. Die Frage ist nicht: Welche Ingenieure brauche ich? Die Frage ist: Gibt es überhaupt qualifizierte Ingenieure und Ingenieurinnen? Daher der Tipp an Studierende: Um den Master machen zu wollen, muss schon ein gewisser fachlicher Nervenkitzel dahinter stecken. „Warum Master?“ ist übrigens auch eine gute Frage im Bewerbungsgespräch.
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Der perfekte Master – ein Spezialist
Wie sollte dann die Masterausbildung idealerweise aussehen: Sind eher Generalisten oder Spezialisten gefragt?
Bei Gesprächen mit Unternehmern stelle ich immer wieder fest, dass man eher ausgeprägte Fachkenntnisse auf einem Gebiet erwartet, etwa im Elektronikdesign oder in der Industrieautomation. Das würde ich auch immer zum Maßstab machen, um meine Master-Hochschule auszuwählen. Ein Feld-Wald-Wiesen-Angebot sollte man sich schon sehr genau ansehen und nicht deshalb wählen, weil man nicht umziehen will. Master bedeutet Profilbildung. Hier sind die Theorieanteile immer höher als im Bachelor. Die Praxis ergibt sich dann meistens während der Masterarbeit.
Also raten Sie Studierenden zur möglichst frühen Spezialisierung?
Nach dem Hochschulrahmengesetz ist der Bachelor der erste berufsqualifizierende Abschluss. Wenn die Unternehmen einen Bachelor einstellen, erwarten sie also zu Recht eine gewisse Spezialisierung und einen aktuellen Kenntnisstand im Hinblick auf die Berufswirklichkeit. Viele Hochschulen orientieren sich daran und vermitteln in den höheren Semestern des Bachelors anwendungsorientierte Spezialkenntnisse.
Der Trend zum Master aber ist unübersehbar.
Man gönnt sich eben noch ein bisschen mehr Reife. Die Idee der Gesetzgeber, der Bachelor sei der Regelabschluss, kann man nur noch schmunzelnd zur Kenntnis nehmen. Wenn man dieses zweitstufige Modell fährt, bedeutet das aber auch, dass man beim Master noch mal eine zweite Runde durch die Grundlagen drehen muss und dann auch ein zweites Mal spezialisiert. Es gibt aber auch das andere Modell mit Grundlagen im Bachelor und Schwerpunktsetzung erst im Master.
Forderung nach Berufserfahrung und Soft Skills
Welche Rolle spielen bei der Auswahl der Absolventen Aspekte wie Alter und Berufserfahrung?
Nach unseren Erfahrungen entscheiden zu Beginn des Bewerbungsgesprächs drei Dinge: Persönlichkeit, Persönlichkeit und Persönlichkeit. Erst in der Fachabteilung wird man die Studieninhalte überprüfen. Lebenserfahrung erweist sich dabei als wichtiger als Berufserfahrung, wobei es natürlich gewisse Überlappungen gibt.
Wo sollen junge Absolventen Lebenserfahrung hernehmen?
Aktuell erleben wir natürlich eine Delle durch G9/G8. Der Gesamteindruck ist aber, dass sich nicht viel verändert hat. Der Unterschied zwischen FH-Diplom und Bachelor ist ja meistens nur ein Semester. Der Master kann sogar länger dauern als das alte Uni-Diplom. Mit G8 und sieben Semestern kann man heute durchaus mit 22 schon einen akademischen Abschluss haben. Aber den ganz jungen Leuten sollte man eigentlich nur raten: Gönnt euch den Master oder einen Auslandsaufenthalt oder ein längeres Praktikum. Meine Hochschulkollegen hören das wegen des Überschreitens der Regelstudienzeit zwar nicht allzu gerne, aber nicht alles muss streng nach Vorschrift laufen.
Diplom und Internationalisierung
Trauern Sie dem Diplom hinterher?
Das kann man nicht einfach beantworten, weil sich im Rahmen der Umstellung viele Dinge geändert haben wie Akkreditierung, Kompetenzorientierung sowie weitere politische Vorgaben. Ich durfte mehr als 30 Jahre an Universitäten und Fachhochschulen im Diplom, Bachelor und Master unterrichten. Was sich geändert hat, sind die Studierenden, deren Schulbildung, deren Motivation und deren Lebensziele. Es wäre traurig, wenn das anders wäre.
Wird es ein Comeback des Diploms geben?
Es gibt das Diplom hier und da noch. Einen Weg zurück sehe ich aber nicht. Wenn man einen Fehler im System sucht, ist es nur ganz wenig der Bachelor und ganz viel die Schulpolitik. Die Forderung des VDE lautet deshalb im Zusammenhang mit Digitalisierung: „Mehr Bildung!“
Wie schneiden die Hochschulen im internationalen Vergleich ab?
Wir staunen, wie gut wir noch liegen. Das stellt man fest, wenn man Quereinsteiger aus anderen Ländern bekommt oder unsere Studierenden zum Praxissemester ins Ausland gehen. Kontinentaleuropa sehe ich leistungsmäßig aber als ausgeglichen an, da spielen meist eher die allgemeinen nationalen Besonderheiten als die fachliche Seite eine Rolle in der Gesamtbewertung. Ingenieurausbildung ist international sehr ähnlich und überall hochwertig.
Dieser Artikel erschien im Magazin „Ingenieurkarriere-Spezial MBA for engineers“ der VDI nachrichten.
Dort erschien auch der Artikel „Tipps für das Pflichtpraktikum im Ausland„
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