Wie das Fernstudium in Deutschland die Hochschullandschaft verändert
Karriere machen und gleichzeitig studieren – ein Traum vieler, der jedoch oft an Zeitmangel und Stress scheitert. Doch das rasante Wachstum des Fernstudiums zeigt: Es gibt eine Lösung, die Flexibilität und Bildung clever verbindet.
Arbeiten und Studieren gleichzeitig zu vereinbaren, stellt oft eine große Herausforderung dar. Viele müssen ihre Arbeitszeiten an das Studium anpassen, was zu einem stressigen Alltag führen kann. Der Spagat zwischen den Anforderungen des Berufs und den des Studiums ist nicht immer einfach zu meistern, vor allem, wenn feste Präsenzzeiten erforderlich sind. Ein Fernstudium bietet hier eine gute Lösung. Es ermöglicht eine flexible Zeiteinteilung, sodass man sein Studium individuell an die Arbeitszeiten anpassen kann. Diese Flexibilität hilft, Beruf und Studium miteinander zu vereinbaren, ohne dass man auf eines der beiden verzichten muss.
Viele Menschen nutzen diese Möglichkeit, um ihre beruflichen und akademischen Ziele gleichzeitig zu verfolgen, was sich auch in den steigenden Zahlen der Fernstudierenden widerspiegelt.
Fernstudium in Deutschland: Über 250.000 Studierende und starkes Wachstum
Mehr als 250.000 Menschen in Deutschland machen derzeit ein Fernstudium, viele davon an privaten Hochschulen. Obwohl Fernstudiengänge oft teuer sind und mehr als 2.000 Euro pro Semester kosten, ist die Zahl der Fernstudierenden in den letzten Jahren gestiegen. Das zeigt eine aktuelle Veröffentlichung von CHE-Experte Marc Hüsch.
Zwischen den Wintersemestern 2006/07 und 2022/23 hat sich die Zahl der Fernstudierenden in Deutschland fast vervierfacht. Laut den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes gibt es mittlerweile über 250.000 Fernstudierende, was etwa 9 Prozent aller Studierenden ausmacht.
Mehr als die Hälfte der Fernstudierenden ist bei zwei Anbietern eingeschrieben. Im Wintersemester 2022/23 studierten rund 76.279 Studierende an der privaten, staatlich anerkannten IU Internationale Hochschule, was etwa ein Drittel der Fernstudierenden ausmacht. Weitere 62.633 Fernstudierende waren an der staatlichen FernUniversität in Hagen eingeschrieben.
Mehr Flexibilität, mehr Angebote, mehr Studierende
„Der Boom des Fernstudiums gerade in den vergangenen Jahren hat mehrere Gründe. Unter anderem haben die Corona-Jahre und der entsprechende Ausbau der Studienangebote, die man von zuhause aus absolvieren kann, eine große Rolle für die höhere Nachfrage gespielt“, so Marc Hüsch vom CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Er hat in einem Artikel im Fachmagazin Beiträge zur Hochschulforschung Daten zum Angebot und zur Nachfrage von Fernstudiengängen in Deutschland analysiert.
Private Anbieter haben sich besonders auf Berufstätige konzentriert, für die ein flexibles Fernstudium gut mit dem Job vereinbar ist.
Ein besonders großes Angebot gibt es dieser Auswertung zufolge in den Wirtschaftswissenschaften. Von insgesamt 1.006 Fernstudiengängen im HRK-Hochschulkompass entfallen mehr als ein Drittel (355) auf diesen Bereich. Eine Analyse der Studiengangsnamen zeigte, dass viele Programme Management- und Business-Themen fokussieren. Im Gegensatz dazu gibt es nur 15 Fernstudiengänge im Bauingenieurwesen.
Kosten und Statistik: Die finanziellen Herausforderungen des Fernstudiums
Neben dem Angebot und der Nachfrage untersuchte CHE-Datenexperte Hüsch auch die Studienkosten. Der durchschnittliche Semesterbeitrag für Fernstudiengänge in Deutschland liegt bei 2.207 Euro. Es gibt jedoch große Unterschiede zwischen den Programmen. An staatlichen Hochschulen muss oft nur ein Semesterbeitrag wie bei Präsenzstudien bezahlt werden, während private Anbieter häufig hohe vierstellige Beträge verlangen.
Der Experte empfiehlt, die Finanzierung eines Fernstudiums gut zu planen, auch wenn Kosten für Unterkunft und Pendeln zum Campus entfallen. Er weist darauf hin, dass in vielen Bachelor- und Masterprogrammen mit Gesamtkosten von über 10.000 Euro für das Fernstudium zu rechnen ist.
Fernstudium und Statistik: Ein „17. Bundesland“ mit Einfluss auf Hochschuldaten
„Eigentlich müsste man bei einer Gesamtzahl von mehr als 250.000 Fernstudierenden diese mittlerweile gesondert ausweisen – als eine Art 17. Bundesland. Bisher werden sie in der Hochschulstatistik dem Bundesland zugerechnet, wo die jeweilige Fernhochschule ihren Hauptsitz hat“ – sagt Hüsch.
Dies führt zu Verzerrungen, besonders in Ländern wie Thüringen, dem Saarland und Hamburg. In Thüringen machen von rund 136.000 Studierenden etwa 77.000 Fernstudierende der IU aus, die vermutlich größtenteils nicht in Thüringen leben.
Marc Hüsch empfiehlt, bei der Auswertung von Hochschulstatistiken, wie etwa Betreuungsverhältnissen, den Einfluss der großen Fernstudienanteile zu berücksichtigen oder direkt bereinigte Daten ohne Fernstudierende zu verwenden.
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