Neue Ausbildungswege 10.11.2020, 16:08 Uhr

Zum Softwareingenieur ohne Schulabschluss? Talentschmiede „42Wolfsburg“ startet

Lernen, was man möchte, kein Frontalunterricht und kein Prüfungsstress: Das klingt nach einem Traumstudium. Was Coding-Talente an der außergewöhnlichen Programmierschule „42Wolfsburg“ erwartet.

42Wolfsburg: Die Programmierschule sieht sich als Talentschmiede und "Hogwarts" für Entwickler. Foto (Symbolbild): panthermedia.net/kzenon

42Wolfsburg: Die Programmierschule sieht sich als Talentschmiede und "Hogwarts" für Entwickler. Foto (Symbolbild): panthermedia.net/kzenon

Wolfsburg? Hat einen Bahnhof, ein sehr großes Autowerk, einen recht erfolgreichen Fußballverein – und sonst nicht so viel. Das jedenfalls ist das böse Klischee: Mittelmäßig hübsch, mittelmäßig groß, mittelmäßig interessant. Wolfsburg ist nicht Berlin, nicht München, ja nicht einmal Hannover.

Bis jetzt. Denn wenn es nach Max Senges geht, wird die niedersächsische Stadt bald zum Dorado für die nächste Entwickler-Generation. Was München für angehende Raumfahrtingenieure oder Hildesheim für Schriftsteller ist, wird Wolfsburg dann vielleicht für die Programmierer-Szene sein: Ein Stadtname, der dann für Softwareingenieure nach Coding-Jobs und Zukunft klingt.

42Wolfsburg: “Hogwarts für Entwickler”

Senges ist Rektor der neuen Programmierschule 42Wolfsburg, die 2021 an den Start geht. Der Name erinnert Freunde süßer Alkoholika vielleicht an eine neue Likörsorte und irgendwas, das man mit Milch trinken soll. Aber die Zahl im Namen bezieht sich auf die vielzitierte Antwort, die der Superrechner aus Douglas Adams’ Kultroman “Per Anhalter durch die Galaxis” auf die “Frage nach nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ gibt.

Interview mit Max Senges
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Interview mit Max Senges

Max Senges leitet die Programmierschule 42Wolfsburg, die 2021 an den Start geht. Wir haben vorab via Zoom mit ihm gesprochen.

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Ein selbstbewusstes Statement, aber das Projekt ist in der Tat außergewöhnlich. Das Konzept, das ursprünglich aus Frankreich stammt: Jeder kann an der Programmierschule lernen, einen bestimmten Schulabschluss brauchen die Bewerber nicht und erst recht keinen bestimmten Notenschnitt. Auch das Alter ist egal. Und: Die Ausbildung kostet nichts.

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Die Programmierschule kommt ganz anders als eine klassische Universität oder eine Berufsschule daher. Es gibt zwar ein klares Curriculum, aber die Studierenden müssen sich nicht an stringente Vorlesungsverzeichnisse halten. Vielmehr kann jeder das Studium an seine eigene Lerngeschwindigkeit anpassen und Schwerpunkte setzen und soll vor allem im Austausch mit anderen immer besser werden, Wissen weitergeben und in Praktika neue Fähigkeiten erlangen. “Learning by doing” ist das Credo. Ein “Hogwarts für Entwickler”, nennt Senges die Schule, die Ansätze von Montessori-Pädagogik verfolgt.

Angeleitet werden die Studierenden von Mentoren, Frontalunterricht und passives Zuhören bei Vorlesungen gibt es eher nicht. Level für Level erklimmen sich die nächsten Software-Engineers ihren neuen Status – in Kooperation mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen. Der Gaming-Vergleich ist durchaus gewollt: Dieses Studium lässt sich nur im Multiplayer-Modus bestreiten.

“Ändern Sie Ihr Leben, lernen Sie zu coden”, so wirbt 42Wolfsburg auf der Webseite. 150 Studentinnen und Studenten sollen ab 2021 in der Wolfsburger Markthalle für die Jobs der Zukunft ausgebildet werden. Die Schule ist zugleich Treffpunkt und zur Not auch zweiter Wohnort: Es gibt eine Küche und sogar Schlafkapseln zum Ausruhen oder Übernachten.

Volkswagen unterstützt Talentschmiede

Nun ist Wolfsburg ganz unzweifelhaft VW-Stadt. Auch bei der neuen Programmierschule mischt der Autobauer indirekt mit: 3,7 Millionen Euro steuert VW im ersten Jahr zur Finanzierung bei und dann zwei Millionen jährlich. Aber die Schule sei unabhängig von VW und es sei auch keinesfalls das Ziel, Nachwuchs nur für VW zu schaffen, betont Max Senges. Die Programmierschule, die sich als Talentschmiede betrachtet, bildet für die ganze Welt aus.

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42 Wolfsburg: Eigenes Level entwickeln

Top-Talente sollen hier gefördert werden. Heißt das, der durchschnittliche Entwickler von nebenan darf hier nicht lernen? “Bewerben kann sich wirklich erst einmal jeder”, sagt Max Senges. In Online-Probeaufgaben werde das jeweilige Level, auf dem die Bewerber stehen, geprüft. Bei 42Wolfsburg heißt es: “Jeder verdient die Gelegenheit, sein Programmiertalent zu entwickeln und seine Träume zu verwirklichen.” Die Bewerber würden dann nach und nach selber merken, ob das Konzept zu ihnen passt – und ob sie zum Konzept passen. “Das ist ja nicht für jeden das Richtige, manche kommen einfach besser mit eher schulischen Ansätzen und Vorlesungen klar.” Talent, Motivation und soziale Kompetenzen, das seien die zentralen Bewertungskriterien bei der Auswahl der künftigen Studierenden.

Elite-Coding-Schule: Wer darf hier überhaupt rein?

Nach einem erfolgreichen Online-Test erfolgt dann die persönliche Einladung, wenn alles gut läuft. Um im Bild zu bleiben: Für manche kommt dann der langersehnte Brief aus Hogwarts. Ob ihn eine Eule überbringt, ist nicht bekannt – ein Drohne wäre vielleicht passender.

Vor Ort werden praxisorientierte Projekte bewertet. Die besten Bewerber bekommen dann einen Platz an der Schule für eine drei- bis fünfjährige Ausbildung. Wer sich bewerben will – nur Mut: Harry Potter hat es schließlich auch zum Meisterzauberer geschafft – und das, obwohl er jahrelang nicht einmal wusste, dass Magie in seinen Fingern steckt.

Fakten zu 42 Wolfsburg:

  • Die erste 42Schule wurde 2013 in Paris gegründet
  • Weltweit gibt es 33 Schulen nach diesem Konzept
  • Volkswagen fördert 42Wolfsburg mit 3,7 Millionen Euro (im ersten Jahr)
  • 600 Studierende werden aufgenommen
  • Max Senges leitet die Schule, zuvor war er 10 Jahre bei Google tätig

Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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