Berufsbild 24.01.2025, 13:15 Uhr

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Der Ingenieurberuf im Blick von Jugendlichen

Viele haben eine vage Vorstellung vom Ingenieurwesen – komplex, technisch, abstrakt. Doch was bedeutet es wirklich, Ingenieur oder Ingenieurin zu sein?

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Ingenieurwesen unter der Lupe: Wie Jugendliche den Beruf wahrnehmen und was sie davon abhält.

Foto: panthermedia.net/Dmyrto_Z

„Was möchtest du später einmal werden?“, fragt eine Mutter ihren kleinen Sohn. „Ich werde Ingenieur!“, ruft er begeistert. Ein beinahe idyllisches Bild, das in der Realität selten vorkommt. Solche Antworten hört man kaum. Stattdessen träumen Kinder davon, Ärztin, Polizist, Pilotin oder Schauspielerin zu werden – Berufe, die sie aus ihrem Alltag oder den Medien kennen. Ingenieurinnen und Ingenieure werden hingegen fast nie genannt. Der Beruf wirkt auf Kinder abstrakt und schwer greifbar.

Erst viel später, vielleicht während der Schulzeit, könnte sich das Interesse an technischen Berufen entwickeln. Doch damit Jugendliche dieses Interesse entfalten können, müssten sie wissen, was Ingenieure eigentlich tun, welche Aufgaben sie übernehmen und welche Chancen dieser Beruf bietet.

Das Image des Ingenieurwesens bei Schülerinnen und Schülern unter der Lupe

Der Ingenieurberuf hat in Deutschland einen hohen Stellenwert. Dennoch haben viele Jugendliche ein verzerrtes Bild von den Tätigkeiten und Herausforderungen, die mit technischen Studiengängen und dem Ingenieurberuf verbunden sind. Eine aktuelle Auswertung wissenschaftlicher Studien, durchgeführt von der Matrix GmbH & Co. KG im Auftrag des VDI, beleuchtet das Image des Ingenieurwesens bei Schülerinnen und Schülern.

Studie deckt auf: Nachwuchsprobleme im Ingenieurwesen und mögliche Lösungen

Der VDI ließ die Studienauswertung „Technik in MINT“ durchführen, um die Ursachen des Nachwuchsmangels in technischen Berufen zu verstehen. Ziel war es, praxisnahe Empfehlungen zu entwickeln, wie zukünftige Ingenieurinnen und Ingenieure gewonnen werden können.

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Drei zentrale Fragen standen dabei im Fokus:

  • Entscheidungsfaktoren: Was beeinflusst Schülerinnen und Schüler, ein technisches Studium zu wählen?
  • Geschlechterunterschiede: Gibt es Unterschiede in den Entscheidungsprozessen von Mädchen und Jungen?
  • Imagecheck: Wie wird das Ingenieurwesen von Jugendlichen wahrgenommen und welches Bild haben sie von diesen Berufen?

Mit diesen Erkenntnissen sollen Wege gefunden werden, junge Talente für technische Berufe zu begeistern.

Klischees und Wissenslücken bei jungen Menschen?

Deutsche Studien aus den Jahren 2014 bis 2024 belegen, dass viele junge Menschen den Ingenieurberuf vor allem mit traditionellen Aufgabenfeldern verbinden. Das Ingenieurstudium wird häufig als äußerst anspruchsvoll, langweilig und stark selektiv wahrgenommen. Besonders die hohe Abbruchquote gilt als ein erhebliches Imageproblem für technische Studiengänge.

Eine zentrale Erkenntnis dabei ist, dass die Kenntnisse junger Menschen – auch derjenigen mit einer starken technischen Affinität und guten Mint-Noten – über Ingenieurstudiengänge und Ingenieurberufe sehr begrenzt sind und oft auf falschen Vorstellungen basieren.

Damit Jugendliche sich überhaupt für Mint-Berufe begeistern können, muss dieses Interesse früh geweckt werden – oft schon lange vor dem Eintritt in die Hochschule. Entscheidend ist, ihnen bereits in der Schule und in ihrer Freizeit ansprechende, praxisnahe und inspirierende Erfahrungen zu ermöglichen.

„Uns im VDI ist es wichtig, das T in Mint zu fördern und den Nachwuchs möglichst früh mit einem regelmäßigen Angebot für Technik zu begeistern. Wir starten schon mit Kindern ab vier Jahren in den VDIni-Clubs und sprechen Jugendliche über die Klubs der VDI-ZukunftsPiloten an“, erklärt Michael Spiekerkötter, Netzwerkkoordinator im VDI.

Gleichzeitig hat das Ingenieurwesen bei Jugendlichen ein hohes Ansehen. Sie sehen den Beruf als anspruchsvoll, einflussreich, kreativ und gut bezahlt an.

Von Interesse zu Entscheidung

Die Studienauswertung zeigt, dass etwa 30 % der Schüler mit guten Noten ein technisches Studium in Betracht ziehen, während bei den Schülerinnen dieser Anteil je nach Studie zwischen 12 % und 20 % liegt. Jungen orientieren sich dabei stärker an Karrierechancen und Verdienstmöglichkeiten, während Mädchen mehr Wert auf die Meinungen von Familie und Freunden legen. Dies könnte daran liegen, dass die Karriere- und Gehaltsaussichten für Frauen in technischen Berufen oft als schlechter wahrgenommen werden.

Auf der anderen Seite zeigt die Studie auch, dass ein erheblicher Anteil der Jugendlichen mit guten Noten, insbesondere etwa 30 % der Jungen und 12 % bis 20 % der Mädchen, sich durchaus ein technisches Studium und einen akademischen Beruf im Ingenieurwesen gut vorstellen kann. Diese Zahlen verdeutlichen, dass es zwar ein gewisses Interesse an Ingenieurberufen gibt, dieses jedoch häufig nicht mit einer fundierten Kenntnis des Berufsbildes und der Anforderungen eines Ingenieurstudiums verbunden ist. Die Herausforderung besteht also darin, die Wahrnehmung des Ingenieurberufs zu korrigieren und jungen Menschen realistische und attraktive Perspektiven aufzuzeigen.

Ein interessantes Phänomen, das hier eine Rolle spielt, ist der sogenannte Scully-Effekt. Benannt nach der Figur Dana Scully aus der TV-Serie Akte X, beschreibt dieser Effekt, wie die Darstellung von Frauen in technischen Berufen das Berufswahlverhalten beeinflussen kann. Scully, als Ärztin und Wissenschaftlerin, stellte für viele junge Mädchen ein Vorbild dar, das Interesse an Naturwissenschaften und Technik weckte. Ähnlich könnte die realistischere Darstellung von Ingenieuren in den Medien, die ihre tatsächliche Arbeit und deren gesellschaftliche Bedeutung hervorhebt, auch das Interesse an technischen Berufen fördern – sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen.

Fachkräftemangel und Bildungsdefizite

Zusätzlich wurde der Mangel an Fachkräften in technischen Berufen durch verschiedene Entwicklungen deutlich gemacht. Ein wichtiger Faktor ist die unzureichende Mint-Bildung in den Schulen. Der Anteil 15-jähriger Schülerinnen mit hohen Mathekompetenzen ist von 17 % im Jahr 2012 (PISA-Studie) auf nur noch 8,6 % im Jahr 2022 gesunken. Dies zeigt, dass die Mint-Bildung in den Schulen nicht ausreicht, um junge Menschen gut auf technische Studiengänge vorzubereiten. Auch die sinkenden Studienanfängerzahlen in Ingenieurwissenschaften sind ein deutliches Zeichen. Zwischen 2016 und 2022 ging die Zahl der Studienanfänger um etwa 14 % zurück, von rund 244.000 auf 211.000 im ersten Fachsemester. Schließlich zeigt sich der Fachkräftemangel auch auf dem Arbeitsmarkt: Aktuell gibt es 148.230 offene Stellen für Ingenieure und Ingenieurinnen.

Nachwuchsförderung als Investition in die Zukunft

Die Erkenntnisse zeigen klare Handlungsansätze, um junge Menschen für Ingenieurberufe zu begeistern:

  • Ausbau von Beratungsmöglichkeiten: Frühzeitige und umfassende Unterstützung bei der Berufsorientierung.
  • Langfristige Begleitprogramme: Initiativen wie Mentoring oder Buddy-Systeme, die Schülerinnen und Schüler über Jahre hinweg begleiten und fördern.
  • VDI als Vorreiter: Mit den Klubs der VDInis und VDI-ZukunftsPiloten engagiert sich der Verband bundesweit für die Nachwuchsförderung in technischen Berufen.

„Nachwuchsförderung ist eine Investition in unsere Zukunft – und der VDI nimmt diese Verantwortung ernst“, sagt Adrian Willig, Direktor des VDI. „Wir wollen der jungen Generation zeigen, dass Technik nicht nur eine Karrierechance, sondern auch die Chance ist, etwas Bedeutendes für Deutschland zu bewirken.“

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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