Warum so viele Jugendliche keinen Ausbildungsplatz finden
Hätten mehr Jugendliche die Chance, direkt in eine Ausbildung zu starten, könnte sich die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt ganz anders darstellen. Doch was hindert sie daran?

Viele Jugendliche könnten schneller eine Ausbildung starten – mit der richtigen Unterstützung.
Foto: panthermedia.net/ daisy-daisy
Laut einer Studie könnten viele Jugendliche mit mehr individueller Unterstützung und einem breiteren Angebot früher eine Ausbildung beginnen, anstatt erst Praktika oder Kurse zu machen. Dies zeigt eine bundesweite Befragung unter Fachkräften, die von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegeben wurde.
Jedes Jahr nehmen fast 250.000 Jugendliche an staatlich geförderten Maßnahmen teil, weil sie keinen Ausbildungsplatz finden. Ein großer Teil von ihnen könnte laut der Studie direkt mit einer Ausbildung starten, wenn die richtigen Angebote vorhanden wären.
Jugendliche brauchen mehr Unterstützung
Ende 2024 wurden rund 1540 Fachkräfte befragt, die Jugendliche beim Übergang von der Schule in den Beruf unterstützen. Die Befragung wurde von der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung in Auftrag gegeben. Unter den Befragten waren Mitarbeiter von Jobcentern, Berufsschulen, Bildungsträgern und Jugendhilfeeinrichtungen. Sie sind der Meinung, dass Jugendliche beim Einstieg ins Berufsleben mehr individuelle Unterstützung benötigen.
70.000 Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt
Im Jahr 2024 blieben in Deutschland fast 70.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Gleichzeitig begannen fast 250.000 Jugendliche eine Maßnahme wie ein Betriebspraktikum, weil sie nach der Schule keinen Ausbildungsplatz fanden oder wichtige Fähigkeiten fehlten. In dieser Übergangszeit sollen sie zum Beispiel berufsbezogene Fähigkeiten erlernen oder ihren Schulabschluss nachholen.
Fast zwei Drittel der Jugendlichen hätten die Voraussetzungen, um direkt eine Ausbildung zu beginnen, sagen die befragten Fachkräfte. Etwa ein Viertel von ihnen könnte sofort starten, wenn ein passender Ausbildungsplatz verfügbar wäre. Ein weiteres Drittel könnte eine Ausbildung beginnen, wenn sie dabei professionell unterstützt werden.
Potenzial der jungen Menschen besser nutzen
Laut der Bertelsmann Stiftung sind die Angebote im Übergangsbereich nur für etwa ein Drittel der Jugendlichen sinnvoll. Das Potenzial der jungen Menschen müsse besser genutzt werden, damit die Fördermittel gezielt für diejenigen eingesetzt werden können, die die Unterstützung wirklich brauchen, so die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung.
Bayerische M+E-Industrie kämpft mit Bewerbermangel
Die bayerische Metall- und Elektroindustrie erwartet in diesem Jahr deutlich weniger neue Ausbildungsverträge. Falls sich die Situation nicht bessert, könnte der Rückgang bei etwa 5 % liegen, erklärte Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der Verbände bayme vbm. Schon im letzten Jahr gab es ein leichtes Minus von 2 % – insgesamt wurden 15.029 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das war schlechter als ursprünglich erwartet, denn im Sommer war man noch von einem Anstieg ausgegangen.
„Die M+E-Unternehmen kämpfen mit fehlenden Bewerbern aber auch mit einer schlechten wirtschaftlichen Lage“, zitiert die dpa Brossardt.
Ein Grund für den aktuellen Mangel an Bewerbenden ist auch die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Dadurch gibt es dieses Jahr keinen regulären Abiturjahrgang. Laut Brossardt hätten sich die Betriebe darauf einstellen können. Außerdem komme die große Mehrheit der Auszubildenden weiterhin aus Mittel-, Real- und Wirtschaftsschulen.
Aktuelle Wirtschaftslage spielt auch eine Rolle
Der wichtigste Grund dafür, dass Unternehmen weniger ausbilden, ist nach wie vor der Mangel an passenden Bewerbenden. Immer öfter geben die Betriebe aber auch an, dass sie bereits genug Personal haben oder sich wegen der aktuellen Wirtschaftslage zurückhalten. „Das zeigt: Die wirtschaftliche Lage hinterlässt inzwischen auch auf dem Ausbildungsmarkt ihre Spuren.“
Auch nach einer abgeschlossenen Ausbildung sind die Chancen nicht immer gut. Nach Einschätzung von bayme vbm werden voraussichtlich 73,4 % der Azubis unbefristet übernommen – das sind 2,9 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Gleichzeitig gibt es mehr befristete Übernahmen. Der Anteil derjenigen, die gar nicht übernommen werden, bleibt mit 6,7 % fast gleich. Allerdings liegt das inzwischen seltener am Wunsch der Auszubildenden, sondern häufiger an deren Leistung, Verhalten oder an wirtschaftlichen Gründen.
Grundsätzlich sei die Lage für junge Menschen, die eine Ausbildung suchen, gut, betonte Brossardt. Statistisch gesehen gebe es in Bayern branchenübergreifend rund 1,7 Ausbildungsplätze pro Bewerberin und Bewerber. Das sei aus Sicht der Jugendlichen eine erfreuliche Situation.
Etwa 59 % der Unternehmen berichten, dass in den letzten fünf Jahren mehr Auszubildende Unterstützung brauchen. Laut Brossardt gehe es dabei oft um Sprachkenntnisse oder Rechnen. Inzwischen bieten fast 90 % der Betriebe gezielte Fördermaßnahmen an.
IG Metall sieht Verantwortung bei Unternehmen
Die IG Metall übt Kritik daran, dass immer weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen werden – das sei ein schlechtes Zeichen für die Unternehmen. „Es ist ein Schlag ins Gesicht der jungen Generation, dass die Arbeitgeber den Rückgang mit dem Fehlen geeigneter Bewerber begründen“!, wird der Bezirksjugendsekretär Marco Reinders von der dpa zitiert. „Nur mit einer hochwertigen Ausbildung, guten Bedingungen und einer Perspektive nach der Ausbildung lockt man gute Bewerberinnen und Bewerber. Die Arbeitgeber müssen darüber hinaus ihren Ausbildungsauftrag ernst nehmen und junge Menschen mit vermeintlichen Defiziten gezielt fördern.“ (mit dpa)
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