15.09.2000, 17:26 Uhr

Die Ingenieure bekommen Konkurrenz

Neben der Kompetenz stehen zunehmend Anforderungen auf dem Lehrplan, die ihn zu einer Art „Team-Coach“ machen. Fachleute glauben, dass hoch qualifizierte Meister in Zukunft Ingenieurstellen besetzen.

Eine Forderung des früheren Bundespräsidenten und Universitätsprofessors Roman Herzog scheint in Teilbereichen der Industrie einen positiven Widerhall zu finden. „Wir brauchen nicht mehr Doktoren, sondern mehr Meister, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern“, lautete seine Botschaft. Von 1997 bis 1999 stiegen die Teilnehmerzahlen an den IHK-Prüfungen zum Industriemeister der Elektrotechnik kontinuierlich: von 1760 über 1900 auf 2150. Im Metallbereich wurde ein vorübergehendes Tief offenbar überwunden; die Bewerberzahl war von 5060 auf 4060 zurückgegangen, im vergangenen Jahr aber schon wieder auf 4260 angewachsen. Rückläufig blieb dagegen das Interesse an der Höherqualifizierung im Bausektor (1350, 985, 880) sowie in der Hüttentechnik (110, 100, 75).
Abgesehen von konjunkturellen Einflüssen, hängt der Zuspruch auch von der Modernisierung des Meisterberufs und der Meisterprüfung ab. Für die Fachrichtung Metall mit den traditionell weitaus meisten Absolventen trat nach mehr als zehn Jahren Diskussion 1997 eine neue Prüfungsverordnung in Kraft, die im folgenden Jahr Unruhe und Informationsbedürfnis hervorrief. Die Prüfungsverordnungen der meisten anderen Bereiche stammen noch aus den 80er Jahren. Vor diesem Hintergrund haben die Neuregelungen im Metallbereich Modellcharakter für weitere Einigungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Die neue Verordnung bringt für den Meister im Betrieb eine Reihe von Veränderungen und neuen Anforderungen und Verantwortlichkeiten mit sich. Der Meister soll die Arbeitsabläufe planen, die Produktion und Kostenentwicklung überwachen, die Mitarbeiter führen und motivieren. Der Meister an der Spitze einer Mannschaft ist nicht mehr der „Meister aller Klassen“, der alles besser kann als seine Mitarbeiter, sondern er ist eine Art Team-Coach wie im modernen Fußball. Die Themen Zusammenarbeit im Betrieb, Personalführung und -entwicklung nehmen im Rahmenstoffplan für den Industriemeister Metall mit 240 Stunden den höchsten Anteil ein.
In diesem Jahr machten oder machen die ersten Meister neuen Typs ihre Prüfung. Kommt es zur Konkurrenz zwischen ihnen und dem Ingenieurnachwuchs? Im „Industriemeisterkalender“ heißt es: „Die hohe fachliche Qualifikation der Industriemeister, gepaart mit ihrer Sozial- und Methodenkompetenz sowie der betrieblichen Erfahrung, sind durch ein Ingenieurstudium nicht zu ersetzen, jedenfalls nicht für ihr Aufgabengebiet in Betriebserhaltung, Fertigung und Montage. Hoch qualifizierte Industriemeister werden sogar Ingenieurstellen einnehmen.“ Im Gehalt bestehen schon Überschneidungen: Häufig ist der Lohn des Meisters höher als das Anfangssalär eines Diplom-Ingenieurs (FH), mancher Schichtleiter erhält 10 000 DM monatlich. Der Deutsche Industrie- und Handelstag will die Gleichwertigkeit der beruflichen und akademischen Ausbildung sogar im Titel Ausdruck bringen: Der deutsche Meister,zum der im Binnen(arbeits)markt der Europäischen Union so gut wie keine Parallele hat, soll künftig international „Bachelor (IHK)“ – oder vielleicht noch wohlklingender – „Bachelor (CIC/Chamber of Industry and Commerce)“ heißen, also so ähnlich wie der Bachelor, der von den ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen der Universitäten und Fachhochschulen kommt. Durch berufsbegleitende Weiterbildung soll der Meister auch zum „Master (IHK)“ aufsteigen können, alternativ zu einem anschließenden Master-Fachhochschulstudium..
Der moderne Industriemeister muss seine Rolle vor allem im Zusammenhang der „Gruppenarbeit“ finden, die mit immer höherer Selbstverantwortung und steigender Produktivität der Werker rechnet. Ihr zunehmendes Gewicht kommt in der demokratischen Wahl eines Gruppensprechers beispielsweise für eine „Fertigungsinsel“ zum Tragen. Die Rolle des Meisters (neudeutsch auch: Modul-, Unit- oder Segmentleiters) besteht dann vorwiegend darin, die Gruppe über Zielvereinbarungen zu führen, die Teamentwicklung zu fördern, die Kommunikation mit vor- und nachgelagerten Bereichen zu pflegen.
Gerade in der herkömmlichen Serienfertigung mit meist monotonen Tätigkeiten ungelernter Arbeiter bedeutet das „neue Denken“ oft eine gewaltige Umstellung – sowohl für den Meister, der früher einfach anwies, was zu tun war, wie die Mitarbeiter, die sich jetzt eigenständig bewähren sollen. Deshalb entsteht Nachfrage nach spezialisierten Unternehmensberatern. Firmen lassen ihre „alten Meister“ auf In-house-Workshops für die neuen Herausforderungen fit machen oder schicken sie zu externen Kursen etwa des VDI-Bildungswerks. Beraterin Maike Süthoff sagt aus Erfahrung: „Traditionell kommen die Meister zu wenig vor die Tür und werden deshalb oft betriebsblind.“ Mit ihrer Betriebserfahrung können sie dann eine kaum zu unterschätzende Blockiermacht gegenüber allen notwendigen Änderungen entfalten. Die etablierten Meister an neue Rollen zu gewöhnen und so ihr Vertrauen in die eigene Zukunft zu festigen, lohne sich mithin allemal. HERMANN HORSTKOTTE

 

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Ein Beitrag von:

  • Hermann Horstkotte

    Hermann Horstkotte ist freier Journalist und  lehrte als Privatdozent an der RWTH Aachen. In Bonn arbeitet er als Bildungs- und Wissenschaftsjournalist.

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